Chris Klapper von Custard

(25.08.2005, Interview geführt von Maddin)

Nach fast 5 - jähriger Wartezeit kredenzen uns die Ruhrpott Melodic Metaller von Custard mit "Wheels of Time" ihr bisher bestes Album.
Grund genug, Drummer Chris zum Gespräch zu bitten.

Squealer.net: Zunächst mal Glückwunsch zum Deal mit Mausoleum und auch zum neuen Album, welches für mich das mit Abstand beste in Eurer ja schon ziemlich langen Karriere darstellt. Wie ist diese enorme Weiterentwicklung und Vielzahl an Ideen zu erklären?

Chris: Dankeschön, bisher haben wir mit Verträgen ja eigentlich immer ziemlich ins Klo gegriffen. Wollen mal sehen, ob wir mit Mausoleum nun einen echten Partner gefunden haben. Die "enorme Weiterentwicklung" wie Du es nennst, ist zum einen darauf zurückzuführen, dass wir als Musiker gereift sind; zum anderen liegt es natürlich daran, dass wir mit Holger und Jens zwei neue Leute dabeihaben die eine Menge frischen Wind in die Mannschaft gebracht haben. Auch Guido ist erstmals am Songwriting beteiligt gewesen und hat auch Texte geschrieben.

Squealer.net: Was würdest Du, wenn Du das Album mit ein wenig Abstand betrachtest, heute anders machen, bzw. was gefällt Dir persönlich besonders gut, was nicht so gut? Welches ist Dein Lieblingslied auf "Wheels of time“? Gibt es einen Song, den Du nicht so sehr magst?

Chris: Auch mit Abstand, sofern ich den wirklich bekommen kann, kann ich ruhigen Gewissens sagen, dass wir im Rahmen unserer musikalischen und auch finanziellen Möglichkeiten das Bestmögliche abgeliefert haben. Klar bin ich nicht 100 prozentig mit dem Sound zufrieden und sicherlich würde jeder einzelne von uns irgendetwas anders machen wenn wir die Songs nochmal aufnehmen würden. Als Gesamtkonzept empfinde ich das Album aber treffend und vor allem: es rockt! Meine persönlichen Favoriten sind "Chance", "Lost Forever" und "Shine On". "Chance" und "Lost Forever" sind sind musikalisch gar nicht mal so aufregend zu spielen, grooven aber wie Schwein. "Shine On" ist sehr dynamisch und lässt genügend Freiraum für kleine Akzente. "Fade Out" ist ein Song der mir (abgesehen vom Text) nicht viel gibt. Es mag damit zusammenhängen, dass ich den nicht mitgeschrieben habe wie alle anderen Songs. Hörbar ist er aber auf jeden Fall und in dem ein oder anderen Review wurde "Fade Out" schon hochgelobt.

Squealer.net: Die Kritiken zu "Wheels of Time“ in den interaktiven, sowie den Printmedien sind durchweg gut bis begeistert. Lediglich im größten Metal Blatt, dem Rock Hard,
kommt Ihr nur mit einem "guter Durchschnitt“ weg. Inwieweit trifft Euch so etwas?

Chris: Rein menschlich eigentlich gar nicht. Musik ist eine Frage der Emotionen, es wird immer Leute geben, die unsere Musik hassen und andere die sie lieben. Den einen berührt unser Zeug, den anderen lässt es total kalt. Das einzige was uns wirklich wichtig ist, dass die Leute die Reviews schreiben, sich die Zeit nehmen und das Album wirklich hören - nicht einmal "durchzappen" und ein paar rethorisch wertvolle Sätze aufs Papier rotzen, weil es ihr Job ist. Auf der anderen Seite ist ein Review in einem großen Mag wie dem RH schon wichtig, vor allem für die Verkaufzahlen, darum trifft uns sowas natürlich schon empfindlich. Zum Glück ist das RH aber nicht das einzige "große" Mag in Deutschland und die anderen "Führenden" haben das Album wesentlich besser bewertet.

Squealer.net: Beschreibe doch mal selber die Musik von Custard.

Chris: Schwierig ist das! Ich will es versuchen. Als Einheit steht die Musik wohl unter dem Banner "Power Metal" da es viel bollernde Bassdrums und riffende Gitarren gibt. Dazu ein Gesang der melodisch ist, also keinerlei Gegrunze (was ich keineswegs abwertend meine). Progressive Elemente stehen auch nicht im Vordergrund und die Songstrukturen und Hooklines sind relativ eingängig aufgebaut. Es ist keine Musik, die im Kopf oder auf dem Reißbrett entsteht, sondern es sind Songs, die aus dem Bauch heraus - vielmehr aus fünf Bäuchen heraus - geboren werden, ohne den Plan eine gewisse Klientel zu bedienen. Holger kommt aus dem Thrash-Bereich und kommt gerne mit entsprechenden Riffs um die Ecke die hervorragend sind. Karsten umspielt diese Riffs gemäß seines Geschmacks (vornehmlich Power Metal), Jens ist für den Rock´n Roll Anteil zuständig und ich sehe zu, dass Dynamik und Druck nicht zu kurz kommen - was wiederum meist Power Metal bedeutet. Wenn der Song in der Form musikalisch steht erarbeitet Guido seine Melodien und gibt dem Song damit wieder ein anderes Gesicht. Unterm Strich ist es das Ergebnis von mehreren verschiedenen Stilrichtungen die solange bearbeitet werden bis das Ergebnis den Thrasher, Power Metaller und Rock´n Roller zufriedenstellt.

Squealer.net: Die Texte auf dem Album sind, was eigentlich im Melodic Metal Bereich untypisch ist, frei von Fantasy Motiven und handeln von ernsten bzw. persönlichen Dingen wie Umweltzerstörung oder Angst und Hoffnung vor/auf der/die Zukunft. Sind die Lyrics ein Produkt Eurer Reife , Ihr seid ja alle über 30, oder wolltet Ihr bewusst intelligente Texte machen, um Euch ein wenig vom Klischee abzuheben?

Chris: Quatsch Reife, wir sind alle anfang 20 (lacht).
Die Lyrics geben im Prinzip nur Aufschluß über die Persönlichkeit unserer Texter Guido und Holger. Es ist nicht deren Natur um den heißen Brei herumzureden, sondern Sachen gezielt anzusprechen. Bei unseren Vorgängeralben war die Sache anders. Die Texte hatten zwar ebenfalls Niveau und Tiefgang, allerdings wurden diese in ein Fantasy-Kostüm gesteckt und man mußte schon zwischen den Zeilen lesen um den Bezug zur Gegenwart zu finden. Auf "Wheels of Time" sind die Texte eher gradeaus und da wir politisch denkende Leute sind, packen wir natürlich heiße Eisen wie Umweltzerstörung, Krankheit oder Tod an, setzen in anderen Songs aber Zeichen dass es weitergeht, es immer noch Hoffnung gibt und wo wir diese finden können. Man muß sich nicht gleich einen Strick nehmen wenn man die Scheibe durchgehört hat.

Squealer.net: Erkläre bitte mal kurz die Geschichte des Songs "Fade out“, der einzigen Fremdkomposition des Albums.

Chris: Nun ja. Andreas ist unser Tontechniker im Studio und den kennen wir bereits seit vielen Jahren. Zu Beginn der Aufnahmen zu "Wheels of Time" kam er irgendwann mit einem Tape seiner ehemaligen Band und meinte, dass auf dem Demo ein Song wäre, der hervorragend zu Custard passen würde. Er hatte ihn damals geschrieben aber außer auf dieser Demo Cassette ist nichts weiteres mit dem Song passiert, und er wäre schlicht zu schade um ihn quasi wegzuwerfen. Wir haben uns das Ding angehört und waren erstmal gar nicht davon angetan - was hauptsächlich an der Gesangsmelodie und dem Text lag. Andreas hat uns dann gebeten den Song trotzdem aufzunehmen und das haben wir gemacht, weil wir nett sind. Guido hat die Musik dann mit nach Hause genommen und einen neuen Text, sowie eine neue Gesangsmelodie dazu geschrieben und später dann aufgenommen. Was soll ich sagen - das Gesamtergebnis war auf einmal so gut, dass wir den Song mit aufs Album genommen haben. Ich denke zwar, dass man dem Song deutlich anhört, dass er nicht aus unserer Feder stammt, aber gut ist er allemal und hat, wie oben beschrieben, auch schon Beifall bekommen. Ob wir den aber jemals Live spielen werden ist fraglich.

Squealer.net: In der Vergangenheit gab es auf Euren Konzerten schon mal Coverversionen wie Helloween’s "Future World“ zu hören. Wäre so etwas auch auf einem Album denkbar?

Chris: Solche Cover - Klassiker sind Live schon ziemlich geil und bringen dem Publikum genauso Spaß wie uns auf der Bühne. Auf einem Album finde ich solche Coverversionen absolut überflüssig, weil man sich genauso gut das Original in den CD Player stecken kann. Auf einem anderen Blatt stehen dagegen Tribute-Alben auf denen man sehen kann, wie verschiedene Bands "ihre" Helden interpretieren. Wir haben in der Vergangenheit auch ein paar solcher Tributes gemacht und es ist schon interessant zu sehen, wie eine Band wie wir z.B. Super Trouper von ABBA wiedergibt. Solche Alben haben aber eine geringe Halbwertzeit - ein paarmal gehört und dann im Schrank verstaubt. Zum Glück ist der Tribute-Hype wieder vorbei. Sonst müssten wir noch Angst haben, dass es bald ein Tribute to Custard gibt. (lacht)

Squealer.net: Wie stehst Du zu Mp3s und dergleichen? Ist das Internet eine Chance oder geht die Szene daran zu Grunde?

Chris: Zugrunde gehen wird die Szene sicher nicht, obwohl Plattenfirmen, Vertriebe und auch der größte Teil der "Konsumenten" zielstrebig daraufhinarbeiten. Für mich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn jemand der keine oder fast keine Kohle hat sich mal eine neue Platte seiner Lieblingsband aus dem Netz saugt. Oder jemand sich 2-3 Titel einer neuen Scheibe runterläd, um sich die Songs anzuhören, um sich für oder gegen einen Kauf zu entscheiden. Was mich wirklich anpisst sind die Leute, die ein Album nach dem anderen herunterladen, und sich groß als Sammler oder Kenner der Szene bezeichnen. Mit unserer Mucke wird man zu 99% nicht reich und jeder Euro der weniger aus den Albumverkäufen kommt muß der Künstler letztendlich irgendwo einsparen - meist bei der nächsten Produktion im Studio. Letztendlich zerstören solche Raubkopierer zum einen die Produktionsqualität der Bands, langfristig auch die Vielfalt der Veröffentlichungen. Labels haben einfach kein Geld mehr um neue Künstler zu fördern oder aufzubauen. Im Prinzip gilt jetzt schon vom ersten Album an "make it or break it". Entweder Du bist sofort für ein Label lukrativ, weil Dein Album einschlägt oder Du bist Deinen Deal wieder los. Wenn das so weitergeht, haben wir auch in unserer Szene bald die gleiche Scheisse wie in den Charts - zwei, drei etablierte Bands und einen mächtigen Haufen Eintagsfliegen, die kurzfristig von dicken Labels gepusht werden und dann ruckzuck wieder verschwunden sind. Ex und Hopp. Auf der anderen Seite ist die Verbreitung von mp3´s im Netz eine Chance für neue Bands sich einer Masse von Leuten vorzustellen - das ist positiv.

Squealer.net: Gibt es Tourpläne?

Chris: Die gibt es. Zum einen sind wir an sehr vielen Wochenenden unterwegs und spielen eine Menge Festivals und Einzelshows. Zum anderen sprechen wir mit einigen Leuten über eine ordentliche Support-Tour zum Ende dieses, oder zum Anfang des kommenden Jahres. Spruchreif ist noch nichts, aber wenn es so läuft wie wir hoffen, dann sehen wir bald viele, viele Bühnen in Europa und ggf. auch jenseits des Teichs. Namen möchte ich aber noch nicht nennen, hoffe auf Verständniss. Geredet wird viel, was dann letztendlich davon zutrifft ist meist was ganz anderes.

Squealer.net: Gibt es 2006 ein neues Custard Album?

Chris: So wie es im Moment aussieht, ja. So steht es im Vertrag mit Mausoleum, und das Schreiben geht bisher echt gut voran. Natürlich hängt das aber auch davon ab wie Wheels of Time läuft, also kaufen, kaufen, kaufen!


DISCOGRAPHY:

1997 - Signa Inferre
1998 - God of Storm
1999 - Kingdoms of your Life
2000 - For my King
2005 - Wheels of time
2008 - Forces Remain
2012 - Infested by Anger
2017 - A Realm of Tales

SQUEALER-ROCKS Links:

Custard - Wheels Of Time (CD-Review)
Custard - Forces Remain (CD-Review)
Custard - Infested by Anger (CD-Review)
Custard - A Realm of Tales (CD-Review)
Sabaton und Custard - Stuttgart, Die Röhre (Live-Review)
Stormrider, Custard - Herne, Haus der Jugend (Live-Review)
Thunder Rider, Vortex, Custard, The Claymore - Datteln, RUZ (Live-Review)
Custard - Forces Remain - 10.10.2008, Helvete, Oberhausen (Live-Review)
Mercenaries Metal Meeting - Datteln, RAZ (Live-Review)
Skapa Flöw und Custard - Waltrop, Yahoo (Live-Review)
Civil War + Custard - Bochum, Matrix (Live-Review)
Rage + Custard + Red Gin - Lünen, Lükaz (Live-Review)
Chris Klapper von Custard (Interview)
Chris Klapper von Custard (Interview)


BANDHOMEPAGE