Squealer-Rocks.de CD-Review
Custard - Infested by Anger

Genre: Power Metal
Review vom: 25.10.2012
Redakteur: maddin
Veröffentlichung: 26.10.2012
Label: Pure Steel Records



Der sorgfältige Rezensent liest vor dem Verfassen einer Kritik natürlich stets die eigenen Ergüsse, die er zum Vorgänger eines aktuellen Albums auf die geschätzte Leserschaft losgelassen hat.
Im Fall von Custard könnte jedoch selbst der sorgfältigste Schreiber zum faulen Hund mutieren, seine Einleitung von anno 2008 kopieren und lediglich die Titel ändern.
Denn das Herner Metal Urgestein bleibt seinen 2 Konstanten treu.

Da wäre zunächst das sich stetig drehende Bandkarussell. So ist von dem Quintett, das „Forces Remain“ eingespielt hat lediglich noch ein Trio dabei.
Gut, das soll nur der Sorgfaltspflicht (!) halber erwähnt sein, für den potentiellen Hörer ist die andere Konstante wohl eher interessant.

Die nämlich folgt der Regel, dass sich Custard mit jedem Album verbessern. Auch hier bleibt sich die Truppe um Urmitglied Chris Klapper treu – heuer jedoch mit einem entscheidenden Unterschied:
Der Begriff „Verbesserung“ wäre eine glatte Untertreibung. „Infested by Anger“ ist nichts weniger als ein Quantensprung. In punkto Qualität und Vielseitigkeit gar eine Stufe in die internationale Champions League – ohne Übertreibung!

Doch Vorsicht: die neue Ausrichtung hat kaum noch was mit dem leichtverdaulichen Melodic Metal zu tun, für den die Vanillesaucen - Liebhaber mal gestanden haben. Die Tralala – Zeiten, in denen man mit Stratovarius oder Helloween / Gamma Ray in einen Kindergarten gesteckt wurde, sind endgültig vorbei.
Die neuen Parallelen, wenn es denn welche sein sollen (mittlerweile gestehe ich Custard ihren eigenen Stil zu), heißen Judas Priest, Brainstorm, Iced Earth und, man lese und staune, Kamelot und in Ansätzen so unterschiedliche Namen wie die Pretty Maids oder Queensryche.

Vanille hin, Sauce her – wird wohl Zeit, mal ein paar Beispiele zu servieren:
Nach einem sehr atmosphärischen Intro ballert „Gods of war“ in der Tradition von „Forces Remain“ in die erstaunten Lauscher. Erstaunt ist man ob der Güte des Openers. Klar, das ist typisch Custard, mit dezenten Priest Anleihen schnell und hart, doch irgendwas ist anders. Die hymnischen Harmonien, neuerdings mit fetten – FETTEN! - Chören unterlegt, sind irgendwie wie immer, aber doch einen ganzen Tacken besser.
Ein Glückstreffer? Mitnichten!

Mit „Death from above“ - der Track über eine Einheit der Fallschirmjäger wird eingeleitet vom wohl kürzesten, aber auch geilsten Intro der jüngeren Metal Historie – ist eine mächtige und flotte Nummer, die zwischen Priest und Speed schwankt,und einen Chorus zum Sterben schön besitzt am Start, die ich mal ganz leichtfertig als den Song nenne, den wir auf dem nächsten Album der ultimativen Metal Band hören wollen.
Noch' n Glückstreffer?

Nein, natürlich nicht. Wir beenden jetzt auch dieses Spielchen, denn dann müsste ich 12 - mal den dämlichen Gag mit dem Glückstreffer bringen. Es gibt hier keinen Glückstreffer. Custard donnern (und ich bestehe auf diesen Begriff!) 12 Songs lang.
Reden wir lieber über die Vielseitigkeit, die „Infested by Anger“ zum besten Album der Bandgeschichte macht.

Reden wir über „Endless Pain“. Ein Novum in der Historie der Band. Eine höchst ergreifende, leicht proggige Walze mit ungewöhnlichem Aufbau, die gaaaanz tief unter die Haut geht und an Queensryche, Pagans Mind oder Circus Maximus erinnert, incl. vertracktem Intermezzo und einem Gitarrensolo vom anderen Planeten. Der eh schon brillant agierende Vocal – Wüterich Olli liefert hier zudem sein Meisterstück ab und pendelt eindrucksvoll zwischen hart und soft. Unterstützt wird er hierbei von Dawn of Destiny Goldkehlchen Jeanette. Das ist schon richtig groß!

Episch von geringerer Größe, aber mein persönliches Lieblingsstück ist „My last Breath“. Ich würde fast behaupten, diesen aggressiven Bastard aus Power Metal und beinahe thrashigen Vibes, der trotz seiner Brutalität einen Chorus zum Niederknien besitzt, dürfte der Soundtrack zu meiner Beerdigung sein. Nur: Findet mal einen Sargträger, der dieses Tempo durchhält.
Gut, dann nehmen wir halt aus logistischen Gründen „300“. Es dürften sich wohl schnell drei mal hundert Kistenschlepper finden, die zu diesem Double Bass Gewitter, das wieder mal einen Solo – Part beinhaltet, der zum sterben schön und somit passend ist, meinen verdorbenen Leib in die Grube bringen.

Gut, noch lebt der Schweinehund und muss sich damit rumschlagen, wie er eine akustische Bombe a la „By Fire and Sword“ beschreibt. Ich sach' mal so: Wieder ist Vielseitigkeit Trumpf.
Speedige Flitzereien auf der Laute, mächtige Chöre – wieder unterstützt von DOD Jeanette – und plötzlich verwandelt sich die flotte Raserei in einen schleppenden Marsch, der gleichzeitig mächtig und erhaben, aber dennoch kuschelig schön erklingt.
Na, schön ausgedrückt? Ja, aber so klingt es auch.

Es kommt selten vor, aber diesmal muss auch das Outro – der Titelsong! - als Highlight herhalten. Das ist so eine Geschichte, die Manowar früher mal konnten. Custard können es aktuell. Nur ein weiteres Beispiel für die Güte dieser tollen Scheibe .

Die Produktion ist absolut gelungen. Alles klingt authentisch, man könnte bei manchen Parts ein wenig mangelnde Transparenz bemängeln, man könnte zuweilen den Drum Sound kritisieren.
Man könnte aber auch darüber meckern, dass die Sonne jeden Tag aufgeht und anführen, dass Custard streckenweise genau den Sound hinbekommen haben, den Priest auf „Screaming...“ drauf hatten...

Insgesamt gesehen ist „Infested by Anger“ endlich das Album geworden, das Custard den Stellenwert bringen sollte, den sie lange verdient haben.

Tracklist:
1. Call of Ares
2. Gods of War
3. The Parachute Infantry
4. Death from Above
5. My Last Breath
6. Black Friday
7. Time to Bleed
8. 300
9. Endless Pain
10. By Fire and Sword
11. A Knight
12. Dead shall Rise
13. Hellheart
14. Only Dust
15. Infested by Anger

Line Up:
Vocals – Olli Strasser
Guitars – Anna Olejniczak
Guitars – Carsten "Oskar" Reichart
Drums – Chris "Klappman" Klapper
Bass – Markus Berghammer

DISCOGRAPHY:

1997 - Signa Inferre
1998 - God of Storm
1999 - Kingdoms of your Life
2000 - For my King
2005 - Wheels of time
2008 - Forces Remain
2012 - Infested by Anger
2017 - A Realm of Tales

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