Squealer-Rocks.de CD-Review
Custard - Forces Remain

Genre: Heavy Metal
Review vom: 20.08.2008
Redakteur: maddin
Veröffentlichung: 29.08.2008
Label: Dr. Music / Rough Trade



„...wenn es besser werden soll, muss sich was ändern“, fast schon philosophisch, was Custard da im Info Blatt zum neuen Album von sich geben. Da will ich natürlich nicht hinten anstehen und drücke es mal so aus:
Die einzige Konstante bei dieser Band ist der Wechsel. So gab es in der Historie der Herner Truppe kaum zwei Scheiben hintereinander, die vom gleichen Line Up eingespielt wurden.
Der größte Umbruch erfolgte nun nach dem letzten Output „Wheels Of Time“, als gleich 3 Mitglieder ausgetauscht wurden.
Diese stetigen Umbesetzungen könnte man auch als die „Suche nach der perfekten Besetzung“ bezeichnen, denn mit ihnen ging auch jeweils eine Qualitätssteigerung einher. So können Custard von sich behaupten, dass ihr jeweilig neues Album immer besser als der Vorgänger war. Mit dieser Tradition wird auch diesmal nicht gebrochen, allerdings sehe ich diesen schönen Brauch stark gefährdet, was den Nachfolger von „Forces Remain“ angeht, denn eine Steigerung scheint mir in Zukunft kaum noch möglich.
Also: Ziel erreicht! Die perfekte Besetzung ist ohrenkundlich gefunden, jetzt bloß nicht nachlassen!

Gut, so ein „das ist das beste Album der Band bisher“ ist natürlich schnell in die Runde geworfen und muss nicht immer die einhellige Meinung aller Fans sein. Doch bei „Forces Remain“ ist der Fall dermaßen klar, dass es hier sicherlich keine Diskussionen geben wird. Ohne die Qualität der anderen Alben in irgend einer Form schmälern zu wollen: Der aktuelle Output katapultiert die Band in eine höhere Liga.
Nun hat der Erfolg ja stets mehrere Väter und die heissen im Falle „Forces Remain“:
Stilistische Vielfältigkeit, intelligentes Songwriting, eine knallende Produktion, die fast schon Tommy Hansen Niveau erreicht und natürlich Musiker, die es verstehen, all die Ideen auch adäquat umzusetzen.
Dennoch dürften viele Anhänger der Kapelle beim ersten Durchlauf einen kleinen Kulturschock erleiden und sich so manches Mal fragend am Kopf kratzen: „Wie, das sind Custard?“

Der Opener „The Dragonslayer“ setzt zunächst die gewohnte Marschroute des letzten Albums fort und bietet flotten Double Bass Melodic Metal a la Stratovarius oder Helloween.
Und obwohl es sich eigentlich um eine recht stereotype Nummer handelt, wird bereits hier deutlich, was dieses Album so unwiderstehlich macht. Es ist die Liebe zum Detail. Da wird kein Stück einfach nach „Schema F“ runtergezockt, ständig gibt es kleine Gimmicks, die teilweise erst beim dritten oder vierten Durchlauf auffallen. Hier und da mal ein dezent eingestreuter Chor oder (wie hier) ein „verstecktes“ Gitarren - Solo im Refrain.
Guter Song hin oder her, wenn das komplette Album so klingen würde, dann aber: GÄÄÄHN!

Womit wir bei der von mir gepriesenen Vielfältigkeit wären. Man könnte „The Dragonslayer“ schon fast als Tribut an alte „Tralala Metal“ Zeiten sehen, denn ab nun wird es deutlich innovativer.
Da wäre als nächster Kandidat das mitreissende „Creature“, mit seinem stampfenden Groove und dem nicht zu überhörenden Priest - Flair. JAAA! So kann's weitergehen.
Tut es auch, denn „Heaven Strikes“ ist zwar schnell und melodiös, aber meilenweit von „Kindergarten Metal“ entfernt. Die Harmonien besitzen etwas enorm episches und erleiden auch nach dem 10. Hören keine Abnutzungserscheinungen.
Gesondert erwähnt werden muss der Instrumental Part, mit einem Gitarren - Solo irgendwo jenseits der Erdatmosphäre und raffinierten Drum Effekten. Das ist zwar eigentlich bei jedem Track so, aber ich wollte es mal gesagt haben.

Mein persönlicher Favorit folgt an Position Numero 5 und heisst „Poke The Flames“. Eine mächtige Midtempo - Dampfwalze mit einer Melodie zum Sterben. Hier wird auch schön deutlich, welchen Glücksgriff die Band mit dem neuen Sänger Olli getätigt hat. Der vollbärtige Kampfbolzen hat die komplette Bandbreite von rau bis extrem hoch drauf. Eine leckere Melange aus Rob Halford und Christian Rivel.
Das getragene Intro „Enter The World“ leitet „Warcraft“ ein, das sich entweder zur Hymne der Fans oder zum meistgehassten Song der Band entwickelt.
Der Grund für die mutmaßliche Polarisierung des schnellen, ziemlich harten Tracks mit erneuter Judas Priest Schlagseite dürfte der Refrain sein. Hier brüllt man entweder laut mit oder wendet sich genervt ab. Ich brülle mit - aber ich bin ja auch Axxis Fan.....

Etwa ganz Großes ist der Band mit „Kind Of Peace“ gelungen. Eine gut 7 -minütige epische Ballade, die mühelos Queensryche Level erreicht und auch deren leicht progressive Schlagseite besitzt. Chapeau, meine Herren!
Zu meinem Favoriten No. 2 habe ich das das coole „Angel Of Sorrow“ auserkoren. Den „im Gleichschritt Marsch!!“ - Rhythmus zu Beginn hätten selbst die Kriegs - Metaller von Sabaton nicht besser hinbekommen. Umso überraschender, dass sich hieraus eine Nummer entwickelt, die durchaus einen Vergleich mit moderaten Sachen wie Axel Rudi Pell, PC 69 oder Sinner zulässt.
Sehr schön auch, wie Strophe und Chorus quasi übergangslos zusammenschmelzen. Fein, fein.

Einen leichten Knick nach unten machen dann jedoch die beiden folgenden Songs. „Final Stand“ ist zwar immer noch mehr als guter Durchschnitt, das Gitarren -Thema ist toll, doch irgendwie kann diese Maiden meets Avantasia Komposition nicht mit den vorherigen Glanztaten mithalten. Auch das vielschichtige „For The Cross“ reisst mich nicht mit der Energie aus dem Sitz, wie es der Rest getan hat. Der Mix aus Speed Metal und einem hymnischen Chorus wirkt etwas zu konstruiert. Vielleicht haben Custard die Messlatte aber bis hierhin einfach zu hoch angelegt, bzw. ein unglückliches Händchen bei der Dramaturgie gehabt, die beiden Stücke hintereinander zu platzieren.

Fast ganz am Schluss erwartet uns dann ein alter Bekannter, der legendäre „God Of Storm“.
Der Titelsong der EP von 1998 kommt - natürlich – wesentlich energischer und einfach besser rüber als anno dazumal. Durch das dezent veränderte Arrangement fügt sich der Oldie sogar (fast) nahtlos in den Gesamtkontext ein.
Ein kleiner Geniestreich lässt die CD dann standesgemäß ausklingen:
Der Titelsong ist nämlich kein Lied im herkömmlichen Sinne, sondern ein 2 – minütiges Outro, lediglich von Gesang und Klavier getragen. Ein bravouröses Gänsehaut – Finale.

Fazit: Mensch, das war doch schon in der Einleitung!

Tracklist:
1.Ancient Views (Intro)
2.The Dragonslayer
3.Creature
4.Heaven Strikes
5.Poke The Flames
6.Enter the World
7.Warcraft
8.Kind Of Peace
9.Angel Of Sorrow
10.Final Stand
11.For the Cross
12.God Of Storm
13.Forces Remain (Outro)

Line Up:
Olli – Vocals
Robert – Guitar
Oscar -Guitar
Magga – Bass
Chris - Drums

DISCOGRAPHY:

1997 - Signa Inferre
1998 - God of Storm
1999 - Kingdoms of your Life
2000 - For my King
2005 - Wheels of time
2008 - Forces Remain
2012 - Infested by Anger
2017 - A Realm of Tales

SQUEALER-ROCKS Links:

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