Sabaton und Custard (29.08.2006, Stuttgart, Die Röhre, Jack)
Armageddon over Stuttgart – Sabaton are arriving. Anders lässt sich die Tatsache, dass es bei der Ankunft des Schreibers dieser Zeilen schüttet und hagelt als ob in wenigen Minuten ganz Stuttgart am 24. August 2006 in den Fluten versinken würde, nicht erklären. Die schwedische Kriegshorde, die mit ihren beiden Alben PRIMO VICTORIA und ATTERO DOMINATUS in kürzester Zeit die Kriegerherzen der Heavy Metal Fans erobert hat, befindet sich auf ihrer ersten Headliner-Tour in unseren Landen und hat mit Custard ein ganz heißes Metaleisen als Support mitgenommen. Na dann: „Attero Dominatus – Stuttgart is burning!“
Der allgemeine Schwabe steht nicht auf stundenlanges Stehen bei Konzerten, weswegen sich das in Bäumen versteckte Areal der Röhre nur sehr schleppend, wenn auch stetig, füllt. Nur, während dies geschieht, entert der lokale Act (bei jedem Konzert der Tour durfte sich ein solcher beweisen) Saidian aus dem Großraum der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart gegen 20:45 Uhr die Bühne, um sich und ihr kommendes Album PHOENIX, das Mitte September 2006 erscheint, vorzustellen. Und das machen sie ausgesprochen gut. Edguy scheinen bei den Proben permanent im Player zu liegen und Tobias Sammet stand bei der Choreografie wohl höchstpersönlich Pate. Feinsten Power Melodic Metal, der sich schnell im Gedächtnis breitmacht, zelebriert der Fünfer, welcher mit nur einem Gitarristen auskommt und kann mit Markus Engelfried auf einen Sänger à la Bonheur bauen: Guter Gesang plus klasse Entertainer-Fähigkeiten. "Unseren nächsten Song kennt ihr vielleicht aus den Charts, wo er an Position eins klebt oder aus der Lindenstraße." Sagt's und spielt "See The Light", ein tolles Metalspektakel. Saidian, diesen Namen muss man sich mal notieren.
Noch immer bequemt sich das schwäbische Publikum recht mühsam zur Röhre, als die nordrhein-westfälische Institution für rasend schnellen Melodic Metal, Custard, in ihr kurzes aber knackiges Set startet. Mit der Erfahrung von unzähligen Konzerten und einer Frontsau, namentlich Guido Brieke, die trotz kleinen stimmlichen Hängern einen vollen körperlichen Einsatz gibt und mit ihrer fulminanten Show den Namen Custard ins Erinnerungsvermögen von so manch einem Besucher schweißt, gibt's von den alten Recken mächtig was auf die Ohren. Klar, im Süden gehört dieser Bandname noch nicht zum täglichen Brot, weswegen sich auch die meisten Banger im Hintergrund aufhalten, um aus der Ferne zu beobachten, wie Guido von der Bühne springt und mit dem Fan in der ersten Reihe Arm in Arm headbangt oder wie er mit sympathischem Lächeln eine Heavy Metal Laola einfordert. Die Jungs wären jedoch keine Metalband, wenn sie nicht auch über musikalische Vorzüge verfügen würden - und von denen haben sie einige in ihrem Reisegepäck. Die Hälfte des Sets stellt dabei das furiose letzte Studiowerk WHEELS OF TIME mit den pfeilschnellen und immer noch sehr zugänglichen Nummern wie der heutige Rausschmeißer "Shine On", "Chance" oder "Inner Void", bei denen sich sogar mancher Helloween-Fan von seinen eigentlichen Idolen abwenden kann. In dreistimmigen Chören begleitet die Instrumentalfraktion dabei ihren Sänger, ohne sich in irgendeiner Weise zu verzetteln (einzig der im Sabaton-Shirt gekleidete Basser Jens Schröder posiert ohne Mikro). Doch nicht nur das brandaktuelle Material erhält fliegende Köpfe als Belohnung, sondern auch zu den Tracks der FOR MY KING Veröffentlichung ("Signs" oder "Charons Call") wird frenetisch Beifall gespendet - und das bei den geizigen Schwaben. Hoffentlich bekommt der Süden der Republik in den nächsten Jahren mehr von Custard zu sehen.
Setliste (Custard):
1. Signs
2. Chance
3. Inner Void
4. Charons Call
5. Wheels Of Time
6. Freedom For All
7. For My King
8. Shine On
Platz da, jetzt kommen Sabaton, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Als "The Voice of War" Joakim Brodén im Brustprotektor die Bühne zum letzten Soundcheck betritt, stürmt bereits die auf etwa 100 Leute angestiegene Fan-Armee, von der mindestens jeder zweite im Sabaton-Shirt aufläuft, direkt vor die Bühne - was ein fröhliches "Hallo" so alles bewirken kann. Noch eine kleine Verzögerung und dann kann er losgehen, der Siegeszug des sechsköpfigen Schwedengespanns, welches komplett in grau-schwarz-weißen Armeehosen antritt. "Panzer Battalion", das alle von den Free-Downloads der Band-Homepage her kennen, eröffnet den feierlichen Reigen, bei dem der angesprochene Heersführer einige Male erstaunt und stolz zugleich ins Publikum, das textsicher von der ersten bis zur letzten Zeile mitsingt, blickt. Weiter geht's mit einem Block der neuen Götterscheibe ATTERO DOMINATUS, bei dem der Titeltrack, das glorreiche "Nuclear Attack" und der Manowar'sche Epos "Rise Of Evil" selbstredend nicht fehlen dürfen. Wer denkt, dass Sabaton nur von ihren tollen Songs leben, hat sich allerdings getäuscht. Die Saitenhexer Oskar Montelius, Rikard Sundén und Pär Sundström (Letzterer davon im Custard-Shirt) werfen sich in extreme Posen und blödeln mit ihrem Frontmann, indem sie sich gegenseitig mit Wasser ansabbern (was den Bandnamen Sabaton erklärt) und mit anderweitigen witzigen Einlagen das Publikum erheitern. Bei "In The Name Of God" werden die Stuttgarter noch Zeuge eines Geheimnisses: "The next song is about war!" Als ob wir das nicht gewusst hätten, haha. Dass dabei der eigentliche Taktangeber Daniel Mullback vor der Tour kurzfristig ersetzt werden musste, fällt übrigens keinem auf. Während "Into The Fire" den hundert Gästen ein Metalbrett vor den Kopf knallt, erweisen sich "Wolfpack" und das hymnische "Purple Heart" als unverzichtbare Sabaton-Komponenten, ohne die kein Metaller dieser Welt auskommen kann. Mit dem nicht auf der Setliste stehenden "Back In Control" fahren Brodén und Co. unbeirrt fort. Hatte ich das Stück in meinem Review noch als für Sabaton Verhältnisse zu gewöhnliches Lied bezeichnet, nehme ich alles zurück, bekenne mich schuldig und höre mir ab sofort jeden Abend vor dem Schlafengehen "Back In Control" an. Was kann ein reguläres Set besser abschließen als das episch erscheinende "Light In The Black" mit seinen Zeilen "when the war has been won and the march home begins"? Eigentlich nichts, nur Sabaton gehen erst gar nicht von der Bühne. "Normally this the time for us to leave the stage and you will scream something like "one more song" or "Sabaton, Sabaton"!" Normal sind diese Schweden schon lange nicht mehr und daher macht man einfach mit dem Besten der Besten weiter: "Primo Victoria". Der überall herum marschierende Joakim gibt wie der Rest der Belegschaft noch einmal alles, ehe das "Metal Medley", der Mix aus den Kultnummern "Metal Machine" und "Metal Crüe", den Abend stilecht abschließt: "I'm a Metal Machine!" Alter Schwede, war das geil!
Setliste (Sabaton):
1. Panzer Battalion
2. In The Name Of God
3. Attero Dominatus
4. Nuclear Attack
5. Rise Of Evil
6. Into The Fire
7. Wolfpack
8. Purple Heart
9. Back In Control
10. Light In The Black
11. Primo Victoria
12. Metal Medley
a.) Metal Machine
b.) Metal Crüe
Fazit: Ein Package mit Custard und Sabaton, sowie einem lokalen Act, das konnte nur verdammt großartig werden - und das wurde es. Die Deutschen von Custard erwiesen sich als toller Co-Headliner (das Wort "Support" käme ja einer Verachtung gleich) und die Schweden lieferten einfach nur ein fettes Feuerwerk ab, das die zukünftige Richtung gen Metal-Himmel vorgibt. Die Tür zum Olymp steht den sechs definitiv offen. Man sieht sich nächstes Jahr im Vorprogramm von Therion und Grave Digger...
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