Squealer-Rocks.de CD-Review
Custard - Wheels Of Time

Genre: Melodic Metal
Review vom: 18.07.2005
Redakteur: maddin
Veröffentlichung: bereits veröffentlicht
Label:



Melodic Metal? "Och, nee! Das ist doch immer das gleiche Kindermelodien Theater, in Hyperspeed-Geschwindigkeit runtergedonnert, und bei den Konzerten stehen keine Metalheads mit Kutte, sondern Sweat Shirt tragende Wohlstandskinder mit irgendwelchen "Herr der Ringe“ Motiven in den Frontrows. Und seit den "Keeper…“ Scheiben gibt’s auf dem Sektor eh nur noch mittelklassige Plagiate.“ Solche und ähnliche Gedanken hegte ich schon des Öfteren. So einfach lebt es sich mit festgesetzten Vorurteilen. Diesem Genre neues Leben einhauchen, neue Ideen fabrizieren? Unmöglich! Oder doch nicht? Natürlich nicht!
Tja – mit "Wheels of Time“ ist mein Weltbild ganz schön ins Wanken geraten.

Ich weiß auch nicht genau, ob die Mucke von Custard nun präzise Melodic Metal ist. Nach dem schätzungsweise 20. Hören weiß ich im Moment nicht mal mehr wo rechts und links sind.
Nun sind Custard im Ruhrgebiet ja kein unbeschriebenes Blatt. So machen die Herner schon seit knapp 20 Jahren die lokale Szene unsicher. Nach thrashigen Anfängen fand man irgendwann im Melodic Metal (ähem!) seine Heimat. Doch erst im Jahre 2000 gelang der Band mit der Aufnahme von Sänger Guido Brieke der entscheidende Schritt in Richtung erste Liga. Der starke "For my King“ Output konnte absolut überzeugen, litt jedoch streckenweise unter etwas eindimensionalem Songwriting.

Nach einem Wechsel an Gitarre und Bass, und einer fast fünfjährigen Wartezeit auf die neue Cd präsentiert sich die Band anno 2005 in einer schon fast beängstigend starken Form.
Der größte Trumpf auf der Habenseite des Albums ist die Abwechslung.
Da gibt es mit dem Titelsong oder "Inner Void“ knüppelharte (!) Kracher, die zwar sehr speedig daherkommen, durch ausgefeiltes Riffing jedoch niemals stumpfsinnig klingen.

Beim ersten Hören wird jeder sofort Parallelen zu den Kürbisköpfen aus Hamburg ausmachen. Vorrangig durch Guidos Stimme, die der eines gewissen Herrn Kiske wirklich täuschend ähnlich ist. Auch wenn ich jetzt Blasphemie begehe: Den prägnantesten Querverweis zu den"„Keeper…“ Scheiben (und nur über die reden wir, wenn wir von Helloween sprechen) bilden jedoch die Melodien. Die sind nämlich mindestens gleichwertig. Ein Song wie "Sunrise“ wird noch in 20 Jahren in Euren Hirnwindungen spuken. Und ein "One Step…“ steht einem "I want out“ in nichts nach.
Zudem beherrschen Custard das Kunststück, ihre Harmonien nie kitschig erscheinen zu lassen. Das klingt alles sehr durchdacht, und gerade die von mir in diesem Genre eingangs unterstellte Abnutzung der Musik trifft hier nicht zu. Alles ist schon beim ersten Hören eingängig, wird aber auch beim 20. Mal nicht langweilig.
Neben vielen teilweise sogar episch anmutenden Jahrhundertsongs, gibt’s mit "Fade out“ als kleine Überraschung noch eine 80er Reminiszenz, wie sie authentischer nicht sein könnte. Ihr sucht noch einen Song für die nächste Fete, bei dem alle mitgröhlen? Bitte sehr.
Insgesamt hält sich der Speed Faktor mit den Midtempo Songs die Waage, und erfreulicherweise wurde auf eine schwülstige Quoten Ballade auch verzichtet.

Erwähnen sollte man noch die Texte, die sich eben nicht auf dem ebenfalls schon beklagten Fantasy Sektor bewegen, sondern auf einem angenehm hohen Niveau angesiedelt sind, und auch vor persönlichen Statements oder Denkweisen nicht Halt machen.
Klangtechnisch ist bis auf ein paar leichte Abstriche beim Drum Sound alles in Ordnung. Zudem verfügt die Band über einen ganz eigenen Gitarrensound, der die 80er Attitüde dieses Albums noch zusätzlich unterstreicht.

Custard liefern ihre mit großem Abstand beste Platte ab, haben bei mir jahrelang festgefressene Klischees gesprengt und werden keine Probleme haben auch "echte“ Metaller zu überzeugen – die Jungs mit den "Herr der Ringe“ Sweat Shirts dürften aber trotzdem auch ihre Freude an "Wheels of Time“ haben.

Tracklist:
1.Fragments of Eternity
2.Wheels of Time
3.Escape Reality
4.Chance
5.Inner Void
6.One Stepp too far
7.Sunrise
8.Shine on
9.Fade out
10.Last forever
11.Scared

Line up:
Chris Klapper – Drums
Guido Brieke – Vocals
Karsten Knüppel – Guitar
Holger Simon – Guitar
Jens Schröder – Bass

DISCOGRAPHY:

1997 - Signa Inferre
1998 - God of Storm
1999 - Kingdoms of your Life
2000 - For my King
2005 - Wheels of time
2008 - Forces Remain
2012 - Infested by Anger
2017 - A Realm of Tales

SQUEALER-ROCKS Links:

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