Squealer-Rocks.de Buchkritik
Keine Kompromisse

Autor: Ace Frehley
Genre: Biographie
Verlag: I.P. Verlag Jeske/Mader
ISBN-10: 393124706
ISBN-13: 978-3931624705
Jahr: 2012
Redakteur: Maddin


Das Buch:

Keine Frage, ein Großteil der Interessenten dieses Buches spekuliert darauf, das unser Spaceman allerhand Schutzwäsche präsentiert und seine Bio dazu nutzt, um mit den Herren Simmons und Stanley endlich mal abzurechnen.Nun gut, wer die Vorabauszüge und den Ausspruch „KISS sind ein Haufen Fotzen!“ gelesen hat, weiß ungefähr wohin die Reise geht. Das, allerdings, ist nun nicht gerade die Sensation des Jahres. Vielmehr erhofft man sich doch ein paar mehr (pikante) Details rund und die einzig wahren Fab Four. Dazu später mehr.

Zunächst die für mich wirkliche Sensation im Lebenslauf von Paul „Ace“ Frehley: Der Mann war in seiner Jugend Ende der 60er tatsächlich Mitglied der Gang „The Ducky Boys“ aus der New Yorker Bronx!!!Wer den Kultfilm „The Wanderers“ kennt, weiß, von welch' einem Kaliber diese Truppe war. Das wirklich coole daran: Ace stammt nicht aus zerrütteten Verhältnissen, sondern aus einem wohlbehüteten Elternhaus. Er hatte einfach keinen Bock auf Idylle und eine solide Ausbildung, die seine beiden älteren Geschwister durchlebten, und fühlte sich auf der Straße wesentlich wohler als in der Schule.

Dementsprechend besteht der erste Teil des Buches nicht aus Schilderungen a la „..und dann besuchte ich die High School und lernte ein tolles Mädchen kennen..“, sondern beschreibt in einer locker - flockigen Erzählweise, wie sich unser Spaceman bereits als Jugendlicher den lieben langen Tag mit Mutproben der skurrilsten Art und Schlägereien vertrieb, wobei der Alk schon damals ein ständiger Wegbegleiter war. Im Laufe des Buches bleibt der flüssige Stoff zwar ständig präsent, führt aber neben Koks und allerhand pharmazeutischen Erzeugnissen eher ein Nischendasein. Überhaupt: Was dieser Mann in seinem Leben an giftigen Substanzen konsumiert hat, würde reichen um drei Menschen zu töten. Richtig los ging es, als Mitte der 70er die Millionen flossen. Von daher fehlen Ace viele Erinnerungen, so kann er sich bspw. Nicht mehr genau erinnern, welches Solo auf „Destroyer“ nun von ihm stammt und welches nicht, und ob er auf „Creatures of the Night“ überhaupt noch mitgespielt hat.

Sicher, der musikalische Aspekt kommt im Buch generell ein wenig zu kurz. So werden die ersten KISS Alben noch relativ ausführlich behandelt, doch die Infos über die Aufnahmen werden ab 1977 immer sparsamer. Enttäuschend ist das jedoch zu keiner Zeile, denn jeder Leser wird sich dabei ertappen, dass er eigentlich nur auf die nächste chaotische Anekdote wartet. Wie die, in der die Putzfrau in der Frehley Villa den ganzen „weissen Staub“ weggesaugt hat. Oder die, in der unser Atze mit seinem Auto in sein eigenes Haus rast oder sich eine Verfolgungsjagd mit den Cops liefert und später in einer Zelle mit nicht gerade freundlich gesinnten Zeitgenossen landet. Oder die, in der er mit ein paar Kumpels Sprengstoff selber herstellt und ein ein halbes Biotop in die Luft jagt. Wobei sich viele dieser bizarren Geschichten in der freien Natur abspielen, da Ace ja irgendwann mal auf den Trichter kam, eine Forellenzucht (!) zu eröffnen. Denn „da hat man immer was zu essen auf dem Tisch“. Das der liebenswerte Chaot bei seinen Angeltouren, bei denen meistens der (KISS Ghost-) Drummer Anton Fig mit von der Partie war, reichlich gekokst und gesoffen hat, beschreibt er mit den Worten: „.. wie Angler halt so sind..“. Klar, Ace.

Was sich in meiner Besprechung schon abstrakt anhört, ist im Original teilweise zum schreien komisch. An vielen Stellen muss man echt laut lachen, denn nicht nur die nüchterne (sic!) und selbstironische Erzählweise macht den Typen so sympathisch. Manchmal hat man echt das Gefühl, man liest so eine Art „Lausbubenstreiche für Erwachsene“. Das ein derart durchgeknallter Typ nicht gerade der beste Freund der beiden Abstinenzler und Vollprofis Simmons und Stanley ist, liegt auf der Hand. So wird natürlich die - längst bekannte – Zweiteilung der Band erwähnt: Hier Gene und Paul, die KISS nach einem Masterplan konstruieren und dort Ace und Peter, für die Rock'n' Roll kein Geschäft, sondern Spaß ist.

Insgesamt jedoch werden die Leute, die hier eine Schlammschlacht erwarten, enttäuscht. Ace hält zwar mit seiner Abneigung gegen Gene Simmons nicht hinterm Berg, doch im Grunde sind die Machenschaften des Demons allesamt bekannt. Überhaupt sind die Schilderungen über die Machenschaften, die im Mega - Unternehmen KISS hinter den Kulissen passieren, recht milde gehalten. Einseitige, allzu gehässige Parts sucht man vergebens. So vergisst Ace auch nicht zu erwähnen, dass ihm Gene Simmons zweimal das Leben gerettet hat. Überhaupt: Nichts klingt verbittert. OK – mal abgesehen von den Zeilen zu Thommy Thayer; den hasst er wirklich. So sehr, dass er ihm - in bester Ducky Boys Manier – die Fresse poliert hat. Gut so, Spaceman! (Lest das Buch und Ihr gebt mir recht!)

Der „Rosenkrieg“ bleibt zwar aus, aber dennoch ist der Informationsgehalt in Sachen KISS nicht zu unterschätzen. Zumindest die Freunde, die keine Hardcore Fans sind, werden allerhand wissenswertes finden. Es überwiegt aber, wie gesagt, die chaotische und höchst menschliche Seite. Es macht Spaß zu lesen, wie ein Typ wie Du und ich plötzlich zum Superstar mutiert und ganz einfach die Kontrolle über sein eigenes Leben verliert.

Natürlich, damit die politisch Korrekten auch zu ihrem Recht kommen, vergisst Ace nicht zu erwähnen, dass er seit 5 Jahren trocken ist. Hundert Seiten vorher jedoch propagiert er, dass legale und illegale Drogen in Ordnung sind, so lange man nicht so viel davon nimmt, wie er es getan hat. So ist er halt, unser Ace. Und das wird er immer bleiben – unser Ace!

Das Buch kostet gut 20 Euro, ist sehr hochwertig mit Hardcover und einem reichlich bebildertem Innenteil ausgestattet. Ich habe es nicht gelesen, ich habe es gefressen!!!

Ace is back and he told You so!!!


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