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Heuchler in kurzen Hosen

Beitrag von Eric vom 13.07.2014

„Die haben mir echt ein bisschen Leid getan!“ Derartige Aussprüche gab es in den letzten Tagen vermehrt, aber sicher nicht nur vom weiblichen Teil der Fußballkenner in Deutschland zu hören. Gemeint waren natürlich die brasilianischen Fußballer, in einer Sternstunde des deutschen Fußballs abgewatscht wie nie zuvor und vermutlich auch nie mehr wieder.

Die Experten kannten natürlich kein Mitleid, dafür wussten sie aber in ihrer unerschütterlichen Sachkenntnis zu analysieren, dass die Kicker vom Zauberland des Fußballs unter den viel zu hohen Erwartungen zusammengebrochen sind. Die Armen!

Blicken wir ein Jahr zurück: Brasilien gewinnt den Confed-Cup, wird Top-Favorit Nummer Eins für diese WM, und die Spieler erklären fortan bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit „ihre“ WM als eine Sache des nationalen Stolzes. Schwülstig-pathetische Worte weit diesseits der Schamgrenze vor jeder Kamera, Krokodils-Tränen schon vor dem Spiel bei der Nationalhymne, die Millionäre in kurzen Hosen waren keine Brasilianer, sie waren Brasilien. Und sie erklärten sich solidarisch! Solidarisch mit den Streikenden, mit dem Volk, das auf bessere Schulen, auf bessere Krankenhäuser, auf ein Dach über dem Kopf hofft, und nicht auf irrwitzig teure Stadion mitten in der Pampa, die fortan kein Mensch mehr braucht. Das alles verstanden die Spieler so gut, dass sie schon wieder Tränen verdrückten und vor lauter Solidarität gar die zweite Strophe der Nationalhymne voller Inbrunst und, ihr ahnt es, mit Tränen in den Augen rauskrakeelten.

Solidarität, so weiß es Wikipedia, bezeichnet eine, zumeist in einem ethisch-politischen Zusammenhang benannte Haltung der Verbundenheit mit – und Unterstützung von – Ideen, Aktivitäten und Zielen anderer. Gut, man könnte behaupten, die Unterstützung der Kicker bestand darin, die genannte zweite Strophe zu trällern. Ich mag mich irren, aber davon wird vermutlich kein einziger Favela-Bewohner etwas zu Fressen auf dem Teller haben oder etwas anderes über dem Kopf als ein Blechdach.

Nehmen wir mal an (und greifen damit tief), dass ein brasilianischer Nationalspieler im Schnitt 2 Mio Euro im Jahr verdient. Bei 21 Mann im Kader kämen wir auf ein Jahreseinkommen von 42 Mio Euro. Nehmen wir weiter an, dass die Solidarität mehr wäre als inhaltsloses medienwirksames Geblubber und die Herren Fußballer für ein einziges Jahr bereit wären, die Hälfte ihres Salärs denen zukommen zu lassen, die es dringend brauchen. Ja, 21 Mio Euro in einem Land wie Brasilien sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber dennoch, mit so viel Geld würden einige Schulen und Häuser gebaut und einige Lehrer bezahlt werden können.

DAS wäre gelebte Solidarität gewesen anstelle der gesprochen Heuchelei. Am Ende haben die Rumpelkicker ihr Land lächerlich gemacht, noch ein paar Tränen vergossen, noch ein bisschen „wir wollten das Land doch stolz machen“ gestammelt und dann ging es zurück. Nach Spanien. Nach Frankreich. Nach Deutschland. In die Villen in den Luxuswohngegenden, mit dem Ferrari und dem Porsche in der Garage und der Model-Freundin im Arm. Was bleibt, ist ein Land in Trauer. Ein Land mit den gleichen Problemen wie vorher, und die liegen sicher nicht beim Fußball. Was bleibt, sind haarsträubend überbezahlte Männer, die gegen einen Ball treten. Hätten sie wahre Solidarität gezeigt, sie wären in die Geschichtsbücher eingegangen, trotz der Niederlage. Sie hätten wahre Zeichen setzen können, und bei dem Verzicht auf die Hälfte des Gehaltes für ein einziges Jahr wäre sicher auch weiterhin die Villa drin gewesen, der Porsche, der Ferrari und ja, das Model hätte ein bisschen rumgemault, aber am Ende wäre ihr der Status Spielerfrau dann doch zu wichtig gewesen. Das hätte sein können, sie hätten Helden sein können, weit über profanen Fußball hinaus. Am Ende aber bleiben Heuchler in kurzen Hosen und jede Menge verschwendetes Mitleid.

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