Squealer-Rocks.de CD-Review
Manticora - The Black Circus Part II - Disclosure

Genre: (Progressive) Power Metal
Review vom: 14.05.2007
Redakteur: Jack
Veröffentlichung: 18.05.2007
Label: Locomotive



Wenn der musikalisch progressiv veranlagte Musterkollege Maddin freiwillig und ohne mein vom jugendlichen Stumpfsinn geleitetes Quengeln eine in seine Nische fallende CD mit Nachdruck an mich abtreten möchte, dann will das etwas – und nicht nur „höchste Alarmbereitschaft“ – heißen. Der Auslöser für den „Abschiebewahn“ bei dem mir nun vorliegenden Manticora-Machtwerk, THE BLACK CIRCUS PART II – DISCLOSURE, ist auf den daran angekoppelten Vorgänger PART I – LETTERS zurückzuführen, der unserem Mr. Prog einiges an Kopfzerbrechen bereitete und für ein gewisses Unmissverständnis, ob der in seinen Augen zu aggressiv und überdimensioniert gewählten Ausrichtung, sorgte. Klingt wie geschaffen für den keine Grenzen kennenden Jungspund.

Nein, werter Kollege, „überladen“ ist etwas anderes und das „Übersät mit Elementen“ definiert man eher anhand von Blind Guardian Alben des Fabrikats NIGHTFALL IN MIDDLE EARTH. Die Dänen von Manticora sind unweigerlich und zum Glück des Verfassers dieser Zeilen ihrem unverwechselbaren, progressiv ummantelten und erdigen Power Metal, der selbst die großen Nevermore Meisterstücke in den Schatten stellt, treu geblieben. Das gilt sowohl für THE BLACK CIRCUS PART I als auch für Part II.

Doch genug der Schelte, widmen wir uns lieber dem zweiten Teil des Konzeptwerks, das sich inhaltlich um einen Wanderzirkus, der im 19. Jahrhundert durch Neuengland zieht, dreht. Mit dem Ertönen der im Intro „Entrance“ enthaltenen Zirkusmusik gibt es fortan kein Halten mehr. Was sich dem Vierer in den Weg stellt, wird entweder brillant umschifft oder gnadenlos niedergewalzt. „Niederwalzen“ ist im Übrigen ein gutes Stichwort, denn dem Hörer wiedererfährt im Grunde genommen dasselbe. Soll heißen: Er ist schlicht und ergreifend überwältigt, ob der sich in den Songs niederlassenden Genialität, Leidenschaft und Energie.

Den Anfang macht das dynamische „Beauty Will Fade“ bei dem es wie gewohnt zu einem vielfältigen Einsatz der Blind Guardian typischen Chöre im Verbund mit einer meist auf Angriff ausgerichteten Melodieführung kommt, die aber stets ihren vorderen Beinamen beibehält. Wenn man das Headbangen gleichzeitig mit dem Meditieren und Beten in Verbindung bringen kann, dann nur hier im „schwarzen Zirkus“ von Manticora.

Dafür sorgt zweifelsohne auch die Fortsetzung von „Gypsies' Dance“, die gleichzeitig auch mein persönliches Highlight unter den Highlights darstellt. Gitarrenvirtuose Kristian Larsen und seine drei Mitstreiter lassen es im mit achteinhalb Minuten längsten Stück des Albums etwas progressiver und epischer krachen, so dass das Ganze beim Hörer wesentlich mehr hinterlässt als Hurrikan Katrina in New Orleans. Wer bei diesem von Chören getragenen und von Leif Larsen's markantem und wandlungsfähigem Stimmorgan dramatisch umgesetzten Refrain nicht vor Freude Rotz und Wasser heult, gehört für Jahrzehnte weggesperrt und mit dem schlimmsten Pop-Gedudel beschallt – dann heult er auch, aber aus anderen Gründen.

Doch lieber zurück zu den schönen Dingen des Lebens. Manticora ist mit THE BLACK CIRCUS das Kunststück gelungen zwei sich ergänzende, vollkommen auf einer Linie befindliche Alben zu konzipieren, die selbst einzeln so ziemlich alle Power Metal Veröffentlichungen der vergangenen 20 Jahre vom Thron stoßen. Wie schon auf PART I lockert man das miteinander verwobene Songgestrüpp durch die unterschiedliche Formen annehmenden „Intuneries“ (V - VII), welche meist als Einleitung für das nachfolgende Stück fungieren, auf und gibt einem so Zeit sich für den nächsten „Angriff“ zu wappnen.

Dieser wird von einer kurzen, aber durch ihre orientalische Note, die flinke, auf den höchsten Tönen basierende Gitarrensolosession und das mehr unterstützend als untermalend agierende Drumming ultrafett erscheinenden Instrumental-Nummer, „Haita Di Lupi“ genannt, eingeleitet.

Weiter führt uns der unnachahmliche Feldzug zu „When The Soulreapers Cry“, dem mit Abstand verspieltesten und kuriosesten Werk der Platte. Wenn alle nur denkbaren Facetten dieser Band (also: von ans Herz gehenden Akustikparts über ausladende Choraktivitäten bis hin zu Up-Tempo Riffschlachten und treibenden Schlagzeugbeats) so zusammengeführt werden, dass sich das Songambiente beinahe im 30 Sekunden Takt grundlegend verändert, dürfte jedem klar sein auf welchen übernatürlichen Bahnen diese Komposition kreist. Warum sollte man auch bei Lars F. Larsen die Einflüsse Warrel Dane und Hansi Kürsch erwähnen, wenn er in dieser Liga als souveräner Tabellenführer nach Belieben schalten und walten kann?

Weniger ausladend (das obligatorische Sologewitter mal außer Acht gelassen), dafür wiederum sehr zielstrebig und mitunter auch kurzweilig geht „All That Remain“ in alter Blind Guardian bzw. Savage Circus Manier vonstatten. Die CD-Sammlung von den Erstgenannten befindet sich mittlerweile im Verkaufsangebot von Ebay...

Zum Ende hin wird noch einmal mächtig auf die Tube gedrückt und ein sich entfernt dem Einsteiger ähnelndes Power Metal Brett („Of Madness In Its Purity“) aus dem unendlich großen Schuppen geholt, womit sich der Kreis der Weltklasse endgültig schließt. Eine sich zuspitzende Theatralik mit dem Hang zum Weinerlichen gleich Fehlanzeige!

Dass es an der Produktion nichts zu mäkeln gibt, erkennt der schwermetallisch etwas gebildete Hörer mittels eines Blicks auf den Namen des Mannes hinter den Reglern: Tommy Hansen.

Fazit: Seit dem 2005 veröffentlichten Album 8 DEADLY SINS, mit dem die Band zum ersten mal ein größeres Publikum ansprechen durfte, sind Manticora endgültig in der Nobel-Klasse des europäischen Power Metals angelangt. Mit dem zweiten Teil von THE BLACK CIRCUS zeigen sie wo es heutzutage qualitativ langgeht.
Auch wenn ich die Rückbesinnung der „blinden Hüter“ zu den alten Glanztaten auf A TWIST IN THE MYTH als „wahrhaftiges Meisterwerk“ protokollierte und proklamierte, gegenüber dem zweiten Streich von THE BLACK CIRCUS ist das Schnee von gestern. Für das Zusammenbringen von Part I und II will ich erst gar keine Vergleichsoptionen ausfindig machen: Manticora sind die power metallische Definition des Superlativs!

Tracklist:
1. Entrance
2. Beauty Will Fade
3. Gypsies' Dance Part II
4. Intunerie V
5. Haita Di Lupi
6. When The Soulreapers Cry
7. Intunerie VI
8. All That Remain
9. Intunerie VII
10. Of Madness In Its Purity

Anspieltipps: Beauty Will Fade, Gypsies' Dance Part II, Haita Di Lupi, When The Soulreapers Cry, All That Remain, Of Madness In Its Purity

Band Line-Up:
Lars F. Larsen – Gesang
Kristian Larsen – Gitarre
Martin Arendal - Gitarre
Kasper Gram – Bass
Mads Volf – Schlagzeug

DISCOGRAPHY:

1997 - Dead and Solution
1999 - Roots of Eternity
2001 - Darkness with Tales to tell
2002 - Hyperion
2004 - 8 Deadly Sins
2006 - The Black Circus Part I - Letters
2007 - The Black Circus Part II - Disclosure
2010 - Safe


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