Squealer-Rocks.de CD-Review

Mind's Eye - A Gentleman's Hurricane

Genre: Progressive Rock/Melodic Metal
Review vom: 17.09.2007
Redakteur: Jack
Veröffentlichung: bereits veröffentlicht
Label: Lion Music

Exakt 20 Monate nach dem fulminanten, auf der Basis von Altbewährtem neue Maßstäbe setzenden Mammutwerk WALKING ON H2O meldet sich das emsig arbeitende Dreigestirn von Mind’s Eye um Sänger Andreas Novak, Vier- und Sechssaitenhexer Johan Niermann und Schlagzeuger Daniel Flores, welcher auch die Keyboards bedient, wieder mit einem neuen, die CD-Länge bis aufs Äußerste ausreizenden Langeisen zurück. Dieses nennt sich A GENTLEMAN’S HURRICANE und ist – wie nicht anders zu erwarten – geprägt von einer detailliert ausgearbeiteten Story, die wohlgemerkt nicht nur in den Lyrics, sondern auch im ausgiebigen, eine Brücke vom poppig progressiven Rock-Ufer zu jenem des „fortschreitenden“ Metals schlagenden musikalischen Erscheinungsbild nicht minder ihr genussvolles Unwesen treibt.

Das Konzept hinter A GENTLEMAN’S HURRICANE beruht auf einer von Drummer Daniel kreierten fiktiven Geschichte, die sich um einen Auftragskiller namens Adam Evangelista, der für die Ausführung seines „Auftrags“, der aus zwölf Morden besteht, sieben Tage Zeit hat. Die einzelnen Stücke beleuchten dabei sowohl die Gedanken des Hauptprotagonisten als auch die seiner Umwelt (der ehemalige Priester Father Cavallero Di Mori). Bei solch einer höchst brisanten, jeden fesselnden Thematik dürfen Erklärungen und Interpretationen nicht fehlen, weswegen die drei Herren weit mehr als „nur“ eine CD den aufgeschlossenen Hörern zur Verfügung stellen. Demnach wartet das Album zusätzlich mit einem illustren Comic-Buch und einer Making-Of DVD auf. Über die heutige Bedeutung des Begriffs „value for the money“ müssen wir uns wahrscheinlich nicht unterhalten.

Schluss mit dem Vorgeplänkel, jetzt wird Tacheles geredet… eher gerockt. In bester Band-Tradition bewegt sich das Trio zwischen der schönen Progressive Metal Opulenz von Fates Warning und Neo Prog à la IQ. Anstatt sich von diesen Vorgaben einengen zu lassen, wandelt man jedoch unaufhaltsam in grenzüberschreitende Spielarten (Metal und Pop) und verstärkt
gleichzeitig die emotionalen, eine knisternde Stimmung erzeugenden „laut und leise“ Kontraste – mal von den nicht von dieser Welt stammenden Refrains, die beim hundertsten noch immer dieselbe orgastische Wirkung haben wie beim ersten Mal, ganz abgesehen.

Der als spannungsaufbauendes Intro fungierende und einen Steigerungslauf von bedrohlich untermalter Erzählung über Kinderchöre bis hin zu Andi Deris artigen Opening-Vocals vollführende Einsteiger „Praying For Confession“ ebnet dem Restmaterial gleich zu Beginn so den Weg, dass in der Folgezeit nichts, aber auch gar nichts mehr schief gehen kann. Schnell wird klar, dass A GENTLEMAN’S HURRICANE über eine kompositorische Dichte verfügt, die man mit Zahlen gar nicht mehr ausdrücken kann. Hier stehen Versiertheit und Eingängigkeit unweigerlich im Einklang mit einem hohen, jedoch nie überladen wirkenden Facettenreichtum und einer Vielzahl an Klangmustern… ja, das ist möglich. Ausgiebige Gitarrensoli sind da größtenteils neben abrupten Taktwechsel gottlob das höchste der Frickelgefühle, was wiederum ein Beleg für perfekte Abstimmung und Dosierung ist.

Ob das ungebremst in getragene Höhen steigende „Seven Days“ und der Langzeit-Ohrwurm „AssassiNation“ zu Beginn oder das ergreifende Duett „The Hour Of Need“ (fragt mich nicht mit wem), das an die Folk Progger von Ritual erinnernde „Graveyard Hands“ und das den Mitsingalarm groß schreibende „Say Goodnight“, wer auf der Suche nach Ansätzen zur Kritik ist, muss eine andere Scheibe einlegen. Hier wird er nicht fündig! Denn die seit 1994 unter dem Banner Mind’s Eye aktiven Schweden machen vor nichts und niemanden Halt. Selbst die ab und an auftauchenden, in den altehrwürdigen AOR getränkten Keyboardharmonien stehen denen eines Jim Peterik‘s in nichts nach. So viel Blasphemie muss erlaubt sein!

Und dann steht da ja noch ein gewisser Andreas Novak am Mikro, der die „gesangliche Perfektion“ in eine ganz neue Dimension transformiert. Mit seinem variablen, jede Stimmung perfekt umsetzenden Gesang spielt er nicht nur in einer Liga mit Jorn Lande, sondern kann jenem FC Lande auch mindestens ein Unentschieden abtrotzen. Auf so etwas fällt mir nur noch ein ausgelutschter Satz ein: „Alter Schwede!“

Da bleibt einem im wahrsten Sinne des Wortes die Spucke weg, so dass ich mich, um allmählich zum Ende zu kommen, auf den traditionellen, als zehnminütiger Epos daherkommenden Rausschmeißer „Pandora's Musical Box“ stürze. Dieser wartet ein letztes Mal mit der progressiven Breitseite auf und bündelt alle im Obigen bereits thematisierten Stärken zu einem mannigfaltigen, leichte Frickelansätze aufzeigenden Monument. Fehlt nur noch die letzte Heiligsprechung…

Fazit: Im Promoflyer stellen unsere finnischen Freunde von Lion Music A GENTLEMAN’S HURRICANE auf ein und dieselbe Stufe mit der von Queensryche inszenierten Definition des Konzeptwerks OPERATION: MINDCRIME. Warum denn nicht? – Recht haben sie. In einem erwiesenermaßen sehr starken, von den Prog-Acts diktierten Jahr setzen die drei Schweden von Mind’s Eye dem Ganzen hochwertigen Tohuwabohu die Krone auf. Nicht umsonst nennt sich das Heimatland der Jungs „Tre Kronor“.

Tracklist:
1. Praying For Confession
2. Seven Days
3. AssassiNation
4. Chaos Unleashed
5. Hell's Invitation
6. Feed My Revolver
7. Ashes To Ashes (In Land Lullaby)
8. The Hour Of Need
9. Red Winter Sirens
10. Skin Crawl
11. Graveyard Hands
12. Say Goodnight
13. Pandora's Musical Box

Anspieltipps: von „Praying For Confession“ bis „Pandora’s Musical Box“

Band Line-Up:
Andreas Novak – Gesang
Johan Niemann – Gitarre, Bass
Daniel Flores – Schlagzeug, Keyboards, Gesang

DISCOGRAPHY:

1994 – Afterglow (Demo)
1998 – Into The Unknown
2000 – Waiting For The Tide
2000 – Warning: Mind's Of Raging Empires - A Tribute To Queensrÿche
2000 – Calling (Father To Son)
2002 – A Work Of Art
2006 – Walking On H2O
2006 – Waiting For The Tide (ReRelease)
2007 - A Gentleman's Hurricane

SQUEALER-ROCKS Links:

Mind's Eye - Waiting For The Tide (ReRelease) (CD-Review)
Mind's Eye - Walking On H2O (CD-Review)
Mind's Eye - A Gentleman's Hurricane (CD-Review)

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