Squealer-Rocks.de DVD-Review
IQ - Stage (Doppel DVD)

Genre: Progressive Rock / Neo Prog
Review vom: 26.12.2006
Redakteur: maddin
Veröffentlichung: bereits veröffentlicht
Label:



Man kann Genesis oder Marillion noch so toll finden; man kann von Pallas, Arena oder Pendragon schwärmen wie man will; der beste Prog Rock der britischen Insel stammt seit über 20 Jahren von IQ.

Keine andere Band versteht es, die Elemente des Neo Prog derart schlüssig miteinander zu verbinden. Ihr ständiges, stets harmonisches, Wechselspiel von Keyboard und Gitarre, in Verbindung mit diesen überirdisch faszinierenden Melodien begeistert Technik Freaks wie auch „Normal – Fans“ gleichermaßen. Da nahezu alle Mitglieder dieser Truppe ob ihres Könnens auch überaus gefragte Gastmusiker sind, sind IQ Konzerte rar gesät. Logisch also, dass digitale Scheibchen mit Live Futter drauf gern gesehene Gäste im Heimkino sind.

Der erste Blick auf den Inhalt der neuen DVD mag jedoch etwas verstörend wirken: zwei Gigs, lediglich im Abstand von einer Woche aufgenommen und dazu noch eine fast identische Setlist – das Ganze verteilt auf 2 Scheiben.

Die Diskussionen über den Sinn einer solchen Zusammenstellung werden mit Sicherheit diverse Internet Foren füllen und auch so manch’ bierselige Runde den nachbarfreundlichen Lautstärkepegel weit überschreiten lassen. Von daher soll die Konzentration zunächst mal den visuellen Tatsachen gelten:

Der erste Auftritt zeigt die Band beim Nearfest, einem renommierten Prog Festival in den U.S.A., am 9. Juli 2005. Der gut zweistündige Gig strotzt nur so vor Perfektion. Eine riesig große Bühne, eine gigantische Lightshow sowie drei Video Wände verleihen der Performance eine gewisse Erhabenheit. Es herrscht eine kühle Ästhetik vor und von Live Atmosphäre ist hier kaum etwas zu spüren. Das Konzert wirkt fast schon zu perfekt. Zwar bekommen die Songs eine passende visuelle Umsetzung, jedoch rückt die Band dadurch etwas in den Hintergrund, wirkt ein wenig wie ein Orchester, dass zu einem Film spielt (um es mal sehr überspitzt auszudrücken).

Unterstützt wird dieses Gefühl noch, weil man das - sitzende – Publikum kaum wahrnimmt. Irgendwie wirkt alles so sein bisschen wie in der Oper. Selbst auf Aufforderungen zum Mitsingen wird nicht reagiert. Lediglich beim letzen Song „The Wake“ erheben sich die Herrschaften von ihren Sitzen und lassen sich zum Mitklatschen hinreissen. Technisch gibt’s hier allerdings die absolute Dröhnung: der Sound und das Bild lassen keine Wünsche offen und zeigen, wozu ein digitales Medium fähig ist.

Auf Disc 2 gibt es den Festival Auftritt des deutschen Burg Herzberg Festivals vom 16.Juli 2005 zu sehen und hier ist alles anders. Na, ja - bis auf die Musik und ihre Umsetzung natürlich. IQ gehören zu den wenigen Bands auf der Welt, den man absoluten Perfektionismus attestieren darf. Selbst Musik - Professoren werden keine Fehler gegenüber den Studio Versionen ausmachen können.

Trotzdem wirkt die Gruppe hier bedeutend ausgelassener, als beim ersten Konzert. Der Unterhaltungswert ist ungleich höher, keine Spur mehr von unterkühlter Atmosphäre. Auch scheinen die Musiker wesentlich besser drauf zu sein, allen voran Spassvogel Jon Jowitt am Bass. Sicher, die große Stage – Action gibt’s hier nicht zu sehen. Würde auch nicht so recht zu der Musik und ihrer Message passen. Vom Standfussball sind wir jedoch meilenweit entfernt. Die Kameraführung ist zwar weniger professionell als auf Disc 1, dafür aber abwechslungsreicher. Ebenso sind Bild und Ton ein wenig schlechter, versprühen dafür aber echtes Rock Flair. Auf der Bühne gibt es eine schlichte 70er Jahre Lichtshow, die Video Wände sind trotzdem mit dabei, kommen aber logischerweise weniger effektiv zur Geltung.

Als echtes Highlight entpuppen sich die vielen Kameraschwenks ins Publikum. Da hat sich eine ordentliche Anzahl beinharter IQ Maniacs versammelt, die jeden (!) Song Wort für Wort mitbrüllen. Sehr amüsant ist auch die Tatsache, dass es sich beim Burg Herzberg Festival um ein ausgewiesenes Hippie Event handelt – was tatsächlich schnell klar wird: so bemerkt Sänger Peter Nicholls treffend: „It smells a little bit strange here. Is it me or something else?“ Zudem sieht man des Öfteren einen offensichtlich mit Betäubungsmitteln voll gepumpten Jesus - Verschnitt, der die ganze Zeit eine Art „Ausdruckstanz“ vollführt. Klischee pur.

Egal wie hoch der THC Anteil in der Luft auch gewesen sein mag, alle hatten ihren Spass und die Band musste sogar noch eine Zugabe nach der regulären Spielzeit geben, als eigentlich schon umgebaut werden sollte.Einen wunderbaren Vergleich vom Charakter der beiden Konzerte bekommt man beim Instrumental Teil von „Awake and Nervous“: als Gitarrist Michael Holmes den Status Quo Klassiker „Caroline“ anspielt, bricht beim deutschen Publikum großer Jubel aus, der Rest der Band steigt mit ein und es gibt eine kurze Rock’n’Roll Einlage. Bei den Amis tut sich gar nichts und so bleibt es beim kurzen Anspielen, bevor man wieder in den regulären Part übergeht.

Die Songsauswahl der Konzerte ist schön ausgewogen. Es werden drei Stücke vom damals aktuellen Album „Dark Matter“ präsentiert, was schon fast die Hälfte der Spielzeit ausmacht, wobei das knapp halbstündige Meisterwerk „Harvest of Souls“ extrem ins Gewicht fällt. Die hochpolitische und U.S. kritische Aussage des Übersongs kommt bei der Nearfest Aufnahme durch die perfekte optische Umsetzung natürlich einen Tacken ergreifender rüber.

Wie man’s auch dreht und wendet, jedes der beiden Konzerte hat seine Vorzüge und Nachteile. Insofern entpuppt sich diese vermeintlich unsinnige Zusammensetzung als absolut passend. Als Extras gibt es Aufnahmen vom Soundcheck, Eindrücke des kompletten Festivaltages in den Staaten, mit Autogrammstunde etc, sowie einen Mitschnitt aus Kanada (in miserabler Qualität), als der neue Drummer Andy Edwards sein erstes Konzert mit der Truppe gab. Hier lernt man die Prog Götter als sehr sympathische und überaus bescheidene Menschen kennen. Dazu kommt noch die obligatorische Photo Gallery und die Auswahlmöglichkeit zwischen 5.1 Surround oder 2.0 Stereo Sound.


Spieldauer: um die 260 Minuten.


Ob man das Teil haben muss?

Geht morgen früh die Sonne auf?

Tracklist:

DVD 1:
01. Sacred Sound
02. It All Stops Here
03. Leap Of Faith
04. Born Brilliant
05. The Seventh House
06. Drum Solo
07. No Love Lost
08. Widow´s Peak
09. The Narrow Margin (Middle Section)
10. Guiding Light
11. Harvest Of Souls
12. Awake And Nervous
13. The Last Human Gateway (Middle Section)
14. The Wake

DVD 2:
01. Sacred Sound
02. It All Stops Here
03. Born Brilliant
04. The Seventh House
05. Drum Solo
06. No Love Lost
07. Leap Of Faith
08. The Wake
09. Harvest Of Souls
10. Awake And Nervous
11. Stage And Screen Featurette (Special Feature)
12. Nearfest Soundcheck (Special Feature)
13. Andy´s First Gig Featurette (Special Feature)
14. Photogallery (Special Feature)

Line up:
Andy Edwards – Drums
Michael Holmes – Guitar
John Jowitt – Bass
Peter Nicholls – Vocals
Martin Orford – Keyboards

DISCOGRAPHY:

1983 – Tales From the Lush Attic
1985 – The Wake
1987 – Nomzamo
1989 – Are you sitting comfortably
1993 – Ever
1996 – Forever Live
1997 – Subterranea
2001 – The Seventh House
2002 – Subterranea: The Concert (DVD
2004 – The 20th Anniversary Show (DVD
2004 – Dark Matter
2006 – Stage (DVD)
2009 - Frequency
2013 - Tales From The Lush Attic - 30th Anniversary Collector's Edition
2014 - The Road of Bones

SQUEALER-ROCKS Links:

IQ - Frequency (CD-Review)
IQ - Tales From The Lush Attic - 30th Anniversary Collector's Edition (CD-Review)
IQ - The Road of Bones (CD-Review)

IQ - Stage (Doppel DVD) (DVD-Review)

IQ - Bochum, Zeche (Live-Review)
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