Squealer-Rocks.de Live-Review
IQ (29.11.2007, Bochum, Zeche, maddin)

Der Herbst war für deutsche Prog Fans wohl die schönste Jahreszeit im derzeit ausklingenden 2007. Zunächst wuselten sich die Flower Kings durch die Lande, es folgten Sieges Even, bevor Rush mit ihrer Bombast Show alle Grenzen sprengten und Saga auf ihrer Abschiedstour noch mal richtig auf die Tränendrüse drückten. Den Abschluss dieses schmackhaften Pakets bildeten die englischen Neo Progger von IQ (die Deutschland Gigs der Allstar - Truppe NEO sind leider gecancelt), die sich, ebenso überraschend wie erfreulich, die Bochumer Zeche für ihr Gastspiel aussuchten.
Knapp 500 Freunde der anspruchsvollen Töne säumten dann am Donnerstag Abend die komplett renovierte Traditionsstätte und niemand wird sein Kommen bereut haben. Im Gegenteil: die Stimmung unter den Zuschauern war von der ersten bis zur letzten Minute hervorragend, für Prog – Verhältnisse schon fast euphorisch.
Doch um Punkt 20 Uhr, betraten zunächst nicht IQ die Bühne (einen Support gab es nicht), sondern zwei Haustechniker samt Riesenleiter verbrachten noch gute 10 Minuten damit, bei einigen Scheinwerfern die Schrauben nachzuziehen. An und für sich ist diese Geschichte nicht der Rede wert, aber in diesem Fall wird diese Verzögerung zum Ende des Gigs noch ihre Folgen zeigen...

Mit 15 – minütiger Verspätung betrat die britische Institution dann die Stage und legte mit „Awake And Nervous“ gewohnt bombastisch los. Die Band hatte wieder ihre drei Leinwände am Start und bot eine Muti Media Show vom Allerfeinsten, unterstützt von superben Lichteffekten. Es verdient wirklich alle Achtung, in einem relativ kleinen Club solch eine Show aufzufahren. So meinte dann auch mein Nebenmann: „Das ist ja wie bei Genesis, bloß in klein.“
Recht hat der Gute und passend zum Uralt – Opener flimmerten Bilder im hinteren Teil der Bühne, welche die Band in ihren Anfangstagen mit den markanten VOKUHILA Frisuren der 80er Jahre zeigte. Kult!
Mit allergrößter Spannung blickte das Auditorium natürlich auf den neuen Mann am Keyboard, Mark Westworth, der für das ausgestiegene Gründungsmitglied Martin Orford den Job an den Tasten übernommen hat. Klar, eine Legende wie Orford kann man nicht so eben ersetzen, damit hat aber auch keiner ernsthaft gerechnet. Dennoch hat Mark einen tollen Job hingelegt, und seine Begeisterung und sein Enthusiasmus sind live ein enormer Gewinn. Während Orford ja doch eher ein introvertierter Typ war, geht der „Neue“ hinter seinen Synthies richtig steil ab.

Inwieweit der Weggang von Martin Orford den Sound der Band verändert, wird sich auf dem nächsten Album zeigen. Zwei Beispiele davon gab es in Bochum bereits zu hören. Doch weder „Crashed And Burned“ noch das harte „Frequency“ zeugen von großartiger Veränderung im IQ Stil. Beide Nummern sind jetzt schon Klassiker vor dem Herrn.
Stichwort Klassiker: einen dieser Art, wenn auch neueren Datums, brachte die Truppe bereits an Startnummer 5 und machte damit nicht nur mich zum glücklichsten Menschen des Planeten. Sie spielten tatsächlich „Harvest Of Souls“ in voller 25 - minütiger Länge, in einer Wahnsinns - Version und mit einer tollen Video Show! Die Anti Kriegs Thematik wurde wieder einmal absolut ergreifend umgesetzt und natürlich haben die Amis erneut ordentlich ihr Fett abgekriegt.
Bei diesem Stück liess es sich Sänger Peter Nicholls nicht nehmen, sich einen weißen Kittel überzuwerfen, sich in Gummihandschuhe zu zwängen und somit dem Ganzen einen leichten Touch von „Polit Rock“ zu verpassen.

Überhaupt ist Nichols eher ein Frontman der untypischen Sorte. Mit seiner etwas schüchternen Art und seiner Versunkenheit in die Musik, wirkt der Engländer eher wie ein New Wave Sänger (was er durch seine Kleidung noch unterstreicht), als ein Rock Shouter, der die großen Posen liebt. Dieser Mann ist ein echtes Überbleibsel aus den 80ern, wie auch ein Großteil des Publikums. Deshalb liegen wir ihm ja alle zu Füßen. Wie auch dem Rest der Mannschaft, allen voran Bass Genius und Bühnenclown John Jowitt. Doch auch Gitarrist Michael Holmes ist ein Unikum und seine herzliche, bodenständige Art und seine enorme Spielfreude lassen diese Band die Höchstzahl an Symphathiepunkten einheimsen.

Bei dem hochwertigen und reichhaltigen Backkatalog ist die Setlist bei IQ logischerweise auch immer ein viel diskutiertes Thema. Meine Freude über den knappen Halbstünder vom „Dark Matter“ Album mag manch anderem vielleicht weniger gepasst haben, der lieber drei „reguläre“ Stücke stattdessen gehört hätte.
Unbestreitbar ist es jedoch der Band hoch anzurechnen, dass sie auf jeder Tour einen anderen Set spielt und ihr Programm teilweise massiv umstellt. Von Rush mal abgesehen, gibt es nur noch wenige alteingesessene Bands, die nicht auf Nummer Sicher gehen und Jahr für Jahr die selben Gassenhauer bringen.
Natürlich haben auch IQ ein paar Nummern, die sie auf jedem Konzert spielen müssen. Eine davon ist sicherlich „The Wake“, vom gleichnamigen zweiten (regulären) Album. Der Track stand auch auf der Setlist. Da der Gig allerdings wegen einer nachfolgenden Veranstaltung offiziell um 22 Uhr beendet sein sollte, die Uhr bei der zweiten Zugabe „Subterranea“ aber bereits 22.15 zeigte, mussten IQ das Hammerteil leider weglassen, was Peter Nicholls dazu brachte, die Setlist wütend zu zerknüllen und wegzuwerfen. Und so kommen die losen Schrauben vom Beginn wieder ins Spiel. Vielen Dank auch!

Ein weiterer kleiner Minuspunkt des Abends war der Sound, der während der ersten Hälfte etwas zu leise war und Nichols Gesang wurde auch streckenweise zu weit nach hinten gemischt. Klar, das sind natürlich Luxus – Probleme, müssen aber erwähnt werden. Schlieslich hat eine dermaßen perfekt funktionierende Band auch einen perfekten Rahmen verdient.
Denn von all den eingangs erwähnten Progressive Helden sind IQ zweifellos die Nummer Eins!
(die es sich übrigens nicht nehmen liessen, nach dem Konzert locker mit den Fans zu plaudern, wobei John Jowitt den Anhängern sogar noch eine Runde Bier spendierte).

Setlist:
1. Awake And Nervous
2. You Never Will
3. Frequency
4. The Magic Roundabout
5. Harvest Of Souls
6. Headlong
7. Crashed And Burned
8. The Seventh House
9. It All Stops Here
10.Guiding Light

Zugabe:
11. The Darkest Hour
12. Subterranea