Squealer-Rocks.de CD-Review
Ensiferum - From Afar

Genre: Folk Metal
Review vom: 04.09.2009
Redakteur: Reaper
Veröffentlichung: 11.09.2009
Label: Spinefarm



Der Blick schweift über die von leichtem Dunst verhangenen und von sanften Wellen gewogene See, bis er sich weit draußen verliert, wo des Meeres Blau den Himmel berührt und die Grenze zwischen diesem und der Erde verschwimmen. Über die Wellenkämme tanzen funkelnde Lichter im Glanze der Sonne, die wärmend vom endlos blauen Himmel scheint. Möwen ziehen kreischend Kreise und Schwalben jagen die felsige Küste entlang. Der Kies knirscht unter den Sohlen, während man an dem Strande entlang geht den Tagesfang im Korb. Doch noch einmal wendet sich der Blick vom Wege, von den Vögeln ab, streift über das weite Blau… etwas Dunkles hebt sich aus dem Dunst vom Horizont ab. Der kalte Wind treibt es näher, bis sich die Segel und der Drachenbug deutlich abzeichnen. Angst fährt in die Glieder, denn von weither kommen sie…

…und wahrlich ein heiß kalter Schauer nach dem nächsten jagt einem bei diesem Album über den Rücken. Scheinbar ruhig wie die weite See starten die Finnen mit „By The Dividing Stream“ in ihr neustes Werk, das sie „From Afar“ betitelten. Mit akustischen Instrumenten und dem typischen Hauch von Folklore wogen die Melodien dahin, bis abrupt der stürmische und sehr schwermetallische Titeltrack „From Afar“ über die Küste hereinbricht. Von weither kommen sie und Raben sprechen von einer Prophezeiung im hohen Norden, die sich erfüllen muss. Musikalisch ist dieser Track in Anbetracht dessen, was da noch kommen soll, nicht herausragend, bündelt aber bereits alle Stärken, die man an Ensiferums Musik schätzt.
Eben jene Stärken poltern in die „Twilight Tavern“ wie ein Gast zu später Stunde. Ein mächtiger Singalong-Chorus und der Wechsel zwischen tänzerischer Leichtigkeit und treibenden Headbangpassagen, welche schon seit jeher Markenzeichen des Quintetts waren, sorgen für gute Stimmung und geballte Fäuste, bevor sich mahnend ein dreifältiger Frauenchor erhebt, der unvermittelt an die drei Nornen des Schicksals oder die Sirenen in Homers Odyssee denken lässt und an die vorherige Prophezeiung erinnert:

“Life is so short, o son of the north,
you’ll find your peace at the end of the journey.“



Mit den aufpeitschenden, Geschwindigkeit aufnehmenden Gitarren geht es wirbelnd dem Ende entgegen.
Jedoch Zeit zu verweilen oder gar Atem zu schöpfen bleibt nicht, da von unheilschwangerem Schlagzeugspiel und hymnischen Keys in nahezu powermetallischer Weise der Beginn des „Heathen Throne“ Epos eingeleitet wird. Klassische Headbangrhythmus und hymnische Melodieführung konkurrieren hier mit Petris markantem Schreien, bis sie von einem akustischen Zwischenspiel abgelöst werden, aus welchem sich schließlich der geniale Refrain im Chor von Markus und Sami gesungen erhebt:

„Under the northern star we sail our path.
With the call of the battle horn we raise our swords.
Behind the fields of black there is a haven for us.
Deep in the woods of the north we search the heathen throne.“



Im besten Sinne sprachlos lässt einen der anschließende Mittelteil zurück und man kann staunend nur erschauen; gleich des schwarzen, mit Sternen übersäten Nachthimmels und episch wie die raue Landschaft des Nordens so präsentiert sich der 11-Minüter mit seinen Chören und Hymnischen Gitarren, die in die Stille der Nacht hinauszurufen scheinen. Kaum kann man sich dieser geballten Kraft erwehren, wird rastlos, spürt förmlich die abenteuerliche Reise und sieht Landschaften vor dem geistigen Auge vorüberziehen.

Nach so viel Epik muss man erst einmal nach Luft schnappen. Vielleicht ist dies auch der Grund weswegen „Elusive Reaches“ als wohl schwächste Lied des Alums erscheint. Denn ist es weder so hymnisch und episch wie das beeindruckende „Heathen Throne“, noch so leichtfüßig und eingängig wie „Twilight Tavern“, auch vermag der Refrain nicht so zu packen wie bei den bisherigen… drei Stücken.
Getrieben von schönen Gitarrensoli geht die Reise weiter über das weite, offene Land, um geradewegs in „Stone Cold Metal“ zu münden. Dieses erscheint zunächst als straightes, folkloristisches Melodic Death Stück, wie man es von Ensiferum gewohnt ist, erinnert es doch ein wenig an „Ahti“ vom Vorgänger „Victory Songs“, wobei der Refrain vielleicht nicht ganz so pompös erscheinen mag, dennoch im Ohr zu bleiben vermag. Jedoch unerwartet wandelt sich das Bild, schafft Raum für den experimentell wirkenden Mittel- und Schlussteil. So sieht man sich von akustischen Gitarren, Pfeifen und Piano beschworen den klassischen Western der 50er und 60er gegenüber. Fast kann man die rollenden Büsche und die Stimmung von „Spiel mir das Lied vom Tod“ greifen, bis Ensiferum einen weiteren Hacken schlagen und eine Erzählerstimme begleitet von Zirkuswalzer etwas über Kopfgeldjäger erzählt. Schließlich endet das Lied in einem nicht unpassenden Banjosolo.

Nach dieser langen Reise fernab der heimatlichen Gefilde kehren wir nun zurück. Der lange Schatten der Prophezeiung, einst von den Raben im Traume ausgesprochen, liegt auf den Pfaden, die uns begleitet von folkloristischer Tanzmelodie und E-Gitarren hin zu den „Smoking Ruins“ führen, die fast gänzlich von Markus und Sami besungen werden. Wieder wird man ergriffen von einem wundervollen Refrain:

„Hear the call of the fallen ones.
We stomp of those whose time has come.
Live your life bravely my first born son.
On battle fields fight or run.“



Großartig schlägt dieses Lied den Bogen zum zweiten Teil des Epos “From Afar”, welcher von einem a Kapella Stück in finnischer Sprache eingeleitet wird. „Tumman Virran Taa“ erinnert dabei irgendwie an einige Stücke der färöischen Metal Band Týr, deren Sänger und Songwriter Heri Joensen im Übrigen den auf der Spezial Edition enthaltenen Bonustrack „Vandraren“ (dt. „Der Wanderer“), eine Coverversion des Stücks der schwedischen Folk Gruppe Nordman, eingesungen hat.

Letztlich treibt uns die Flut weiter auf „The Longest Journey“ und dieses knapp 13-minütige Stück steht für sich – ohne Worte. Alleine schon der hymnische Beginn reißt einen in seinen Bann… wird der Held sein Schicksal erfüllen, wenn Kriegshörner übers Schlachtfeld schallen? Hört selbst. Eines der besten Lieder des Albums – wenn nicht sogar das Beste – so episch hat man Ensiferum noch nie gehört!

Fazit: Vielleicht finden sich auf “From Afar” nicht Übersongs wie „Into Battle“, „Token Of Time“ oder „Wanderer“, aber in seiner atmosphärischen Dichte übertrifft dieses neuste Werk der Finnen alle bisherigen Alben. Mitreißende Chöre gepaart mit eingängigen und doch teils epischen Songstrukturen zeichnen das Album aus und zeigen, dass Ensiferum das Schwert noch lange nicht an den Nagel hängen müssen.


Tracklist:
1. By The Dividing Stream
2. From Afar
3. Twilight Tavern
4. Heathen Throne
5. Elusive Reaches
6. Stone Cold Metal
7. Smoking Ruins
8. Tumman Virran Taa
9. The Longest Journey (Heathen Throne Part II)
10. Vandraren (Nordman Cover)

Anspieltipps: Twilight Tavern, Smoking Ruins, Heathen Throne + Tumman Virran Taa + The Longest Journey (Heathen Throne Part II)

Line-Up:
Petri Lindroos – Gesang, Gitarre
Markus Toivonen – Gitarre, Banjo, Backing Vocals
Sami Hinkka – Bass, Backing Vocals
Janne Parviainen – Schlagzeug, Schamanentrommel
Emmi Silvennoinen – Keyboards, Backing Vocals

DISCOGRAPHY:

2001 – Ensiferum
2004 – Iron
2006 – Dragonheads (EP)
2006 – 10th Anniversary Live (DVD)
2007 – Victory Songs
2009 - From Afar
2012 - Unsung Heroes

SQUEALER-ROCKS Links:

Ensiferum - Dragonheads (EP) (CD-Review)
Ensiferum - Victory Songs (CD-Review)
Ensiferum - From Afar (CD-Review)

Ensiferum - 10th Anniversary Live (DVD-Review)

Ensiferum, Chthonic & Insania - Karlsruhe, Substage (Live-Review)

Meiju Enho von Ensiferum (Interview)
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