Ioan Kaes von Death Before Disco
(28.07.2006, Interview geführt von Jack)
Nennt es, wie ihr wollt. Für den Sound der herausragenden Death Before Disco Scheibe BARRICADES scheint es keine treffende Genrebezeichnung zu geben. Selbst der vielseitig bewanderte Sänger Ioan Kaes kann sich nicht auf eine Titulierung beschränken, holt dagegen bei anderen Themengebieten weiter aus.
Squealer.net: Hallo Ioan! Wenn ich der Musik von Death Before Disco lausche, bin ich einfach nur sprachlos, weil euere Musik so eindrucksvoll ist und in keine typische Genreschublade passt. Ihr bringt nahezu alles in euerem Stil unter: Von Pop über Alternative Rock bis hin zu Death Metal. Wie würdest du deshalb den Sound von Death Before Disco beschreiben?
Ioan Kaes: Wohl mit den Worten, die du verwendet hast: "sprachlos, eindrucksvoll, Pop, kein einzuordnendes Genre, Death Metal." Wir verweisen bei unserer Musik auch gerne auf Begriffe wie Post Postrock und Indiecore.
Squealer.net: Um dem Kind einen Namen zu geben, erschuf ich einen neuen: Psychedelic Progressive Rock. Was hältst du von meiner Lösung?
Ioan Kaes: Lass' die Pilze weg - und ich bin damit einverstanden. Das Bezeichnungen in den Raum schmeißen ist nur halb so spaßig wie das Lauschen der Platte. Hör' sie dir einfach an und nenn' sie wie du willst. Wer nennen es Death Before Disco
Squealer.net: Wenn man das neue Album BARRICADES mit seinem Vorgänger PARTY BULLET vergleicht, bemerkt man, dass das neue wesentlich reifer ist. Was denkst du ist der Hauptunterschied zwischen den beiden Alben?
Ioan Kaes: Gut, es waren zwei Jahre des Aufwachsens. Wie du schon feststelltest, hört sich die neue Platte gereifter an - dies liegt wohl ein kleinwenig an der Tatsache, dass wir als Fünf-Mann-Band, nicht im Sinne der sozialen Bedeutung des Wortes, aber definitiv musikalisch, reifer geworden sind. Ich denke, mit PARTY BULLET haben wir uns als Band erprobt, die ihren eigenen musikalischen Horizont erweitern möchte. Mit BARRICADES haben wir, denke ich, gezeigt, dass dies nicht mehr etwas ist, das wir wollen, sondern etwas, das wir tun.
Squealer.net: Der längste Song des Albums nennt sich "Jaguar" und überzeugt durch seine großartige Vielfalt und seinen wunderschönen Hooklines. Um was dreht sich in dem Stück inhaltlich?
Ioan Kaes: Der Song handelt vom Zeitreisen. Viele Leute denken, dass sie beim Zurückgehen in der Zeit Dinge ändern können. Wenn man aber durch Zurückgehen in der Zeit einen Mord, der verübt wurde, verhindern wollte, sollte man bereits bedenken, dass man versagen würde. Der Mord ist geschehen und alles was man versucht, um ihn zu verhindern, könnten eventuell Handlungen sein, die zum Mord geführt haben, der sich ereignet hat. In "Jaguar" spinnen wir diesen Gedankengang ein Stück weiter und schicken einen Jungen zurück, um den Mord an seinem Vater ungeschehen zu machen. Du musst wissen, er hat im Alter von zwölf Jahren in Wut seinen Vater getötet und dabei das Lächeln seiner Mutter gestohlen. Er möchte zurückgehen in der Zeit, um seine Tat rückgängig zu machen. Er weiß immer noch nicht warum er überhaupt seinen Vater getötet hat. Im Alter von 20 Jahren hat er eine Methode entwickelt, um in der Zeit zu reisen. Er geht allerdings zu weit zurück. Etwas, das er nicht in Betracht gezogen hat, ist, dass man sein Bewusstsein verliert, wenn man in der Zeit weiter zurückgeht als seine eigene Geburt. Man kann keine Erinnerungen an Zeiten haben, in denen man nicht gelebt hat. Er landete also mit einem ernsthaften Gedächtnisschwund eine Dekade zu weit in der Vergangenheit. Ohne zu wissen, was seine Aufgabe in der Vergangenheit war, entschließt er ein Leben zu beginnen. Er lernt ein Mädchen kennen, sie heiraten und bekommen einen Sohn, den sie "Jaguar" nennen. Nun hat er aber im Verlauf seinen eigenen Geburtstag passiert und das Erinnerungsvermögen kommt zurück. Er kommt zu der Erkenntnis, dass er seine eigene Mutter geheiratet hat und er sein eigener Vater geworden ist. Da er und sein Sohn jedoch die gleiche Person sind, haben sich die Erinnerungen nicht nur in seinem Verstand, sondern auch in dem seines Sohnes entfaltet. Für ein Kind ist dieses Wissen schwer zu ertragen und im Alter von zwölf Jahren verliert er seinen Verstand und tötet seinen Vater. Die Zeit ist ein Kreislauf. Wenn man ihn bricht, ist man in Kreisen gefangen.
Squealer.net: In den Informationen zum neuen Album schimmerte durch, dass ihr eine schwierige Zeit während der Albumaufnahme und der -produktion von BARRICADES gehabt habt. Kannst du mir darüber etwas mehr erzählen?
Ioan Kaes: Wir hatten persönliche Balgereien während des Schreibeprozesses der Platte und als das alles endlich ausgeräumt war, ist unser lieber Freund "Murphy" hinzugekommen und es gab technische Probleme, persönliche Verletzungen, Krankheiten, von unserer Festplatte gelöschte Songs, zerstörte unser Mischpult, zerlegte mein Auto, als ich zusammen mit unserem Geiger auf dem Weg zum Studio war. Eine ganze Menge mehr von solchen Sachen. Der komplette Aufnahmeprozess zog sich über eine Zeitspanne von über vier Monaten, aufgrund von all diesen kleinen Störfaktoren. Wir haben uns oft, völlig verloren, hingesetzt, und uns gefragt, ob diese Platte jemals aufgenommen wird. Wir sind froh, dass sie es wurde.
Squealer.net: Belgien ist nicht wirklich ein bekanntes Land, wenn man über Rock- und Metalmusik spricht. Was kannst du über die belgische Musikszene sagen?
Ioan Kaes: Es ist ein kleines Land und daher ist es noch schwerer daraus etwas zu machen. Wenn man ein großes Land hat, hat man ein großes Publikum und du kannst ein großer Act werden und noch eine lokale Band bleiben. In Belgien ist nicht genügend Raum für viele große lokale Bands. Der Unterschied zwischen den beiden (Rock- und Metalmusik - Anm.d.Red.) ist, dass die Rockacts von den örtlichen Medien akzeptiert werden und sie so ein belgischer Act werden können. Im Kontrast dazu stehen die Hardcore-Bands, die nicht den lokalen Support des professionellen Musikfeldes bekommen und daher dazu gezwungen sind ihr Glück international zu suchen. Im Falle von Death Before Disco kann ich sagen, dass wir uns überall willkommen fühlen, aber für uns, geschehen die besten Sachen traurigerweise nicht in Belgien.
Squealer.net: Die letzten Worte gehören Dir!
Ioan Kaes: Die besten Sachen geschehen in Deutschland!
DISCOGRAPHY:
2004 – Partybullet
2006 – Barricades
SQUEALER-ROCKS Links:
Death Before Disco - Barricades (CD-Review)
Death Before Disco - Karlsruhe, Substage (Live-Review)
Ioan Kaes von Death Before Disco (Interview)