Squealer-Rocks.de Live-Review
Death Before Disco (03.02.2007, Karlsruhe, Substage, Jack)

Seid ihr bereit für einen der heißesten und hoffnungsvollsten Act des 21. Jahrhunderts? – Dann müsst ihr etwas Geduld aufbringen. Denn zum Zeitpunkt des „Door-Openings“ im Substage, der – unterhalb der Hauptverkehrskreuzung des Ettlinger Tors gelegenen – Metal-Location Nummer eins, suchen die jungen Belgier von Death Before Disco, die mit ihrem famosen Zweitwerk BARRICADES nahezu jede musikalische Barriere gesprengt haben, noch einen Parkplatz, hielt sie der dichte Verkehr zwischen Belgien und Karlsruhe doch länger als gewünscht auf der Autobahn. Und, gut Ding will Weile haben.

Während der Fünfer also in aller Seelenruhe am bestmöglichsten Sound tüftelt, trudeln – als hätten sie es gewusst – die Karlsruher-Rocker in einer erwartungsgemäß recht bescheidenen, aber dennoch für solche „Underground“ Konzerte ganz ordentlichen Zahl von letzten Endes gut 50 Nasen ebenfalls gemächlich in den hinteren Bereich des Areals ein. Wartet nur ab, bis sich dieser Bandname und der sich dahinter verbergende Stil, der in jedem Lied unterschiedlich proportioniert die Eingängigkeit des Alternative Rock, die Härte des Hardcore, das Tempo des Punk Rock und die Virtuosität des Progressive Rock mithilfe von psychedelisch anmutenden Bridges, Taktwechseln oder „plumpen“ Stilbrüchen miteinander verbindet, herumsprechen!

Mit dem Ertönen der ersten zum Set gehörenden Riffs kann man nur noch attestieren: Ende gut, alles gut! Dafür gehen die fünf Jungs, angeführt vom knapp 1,70 Meter großen Frontmann Ioan Kaes, der sich live in einen ebenso extremen und schizophrenen Trip wie auf CD stürzt, auch im wahrsten Sinne des Wortes bis an die Schmerzgrenze.

Los geht’s mit dem fulminanten Eröffnungstripel von BARRICADES („Etireno“, „Barricades Of Rumble“ und „Full Metal Jacket“), das einem jeden Anflug von zurückhaltenden Gestikulierungen und Bangeinlagen raubt und die Meute von der ersten Sekunde an wie der Automatismus eines Magneten vor die Bühne zieht. Death Before Disco saugen diese freigesetzte Energie des Publikums, in dem im Übrigen alle Rockerschichten – angefangen beim 15-jährigen Punker über die mit Nieten bestückten Metaller und den auf die 30 Lenze zugehenden Rocker im Baumwollhemd bis hin zum 60-jährigen Altrocker – vertreten sind, sofort als fördernden Ansporn auf und legen sich mit einer derart beeindruckenden Leidenschaft ins Zeug, dass man meinen könnte, dass Morgen die Sonne nicht mehr aufginge, wenn sie es nicht tun würden. Bassist Dries Verhaert sammelt wie von der Tarantel gestochen emsig Kilometergeld und kommt bei seinen Hüpfeinlagen bei seiner Größe von etwas mehr als 1,90 Meter der relativ niedrigen Decke gefährlich nahe, wohingegen Mr. Kaes, der binnen Sekunden von der grunzenden in die engelsgleichsingende Stimmlage wechseln kann, das Mikrofon wie ein Lasso umherschleudert und selbst das eine oder andere Tänzchen um den Mikroständer wagt.

Alles scheint auf eine beherzte und (ich drücke es mal etwas verhalten aus) gewöhnliche Bewerbungsshow vom „Tod vor der Disko“ hinauszulaufen. Denkste! Denn plötzlich liegt Ioan Kaes beim Schlussintermezzo des generell sehr energischen „Kiss, Kill Lolita“ von der PARTYBULLET-Scheibe ohne seine Baseballmütze auf der Bühne und fasst sich mit beiden Händen an den Kopf. Was war geschehen? Dries erwischte seinen Frontmann unabsichtlich mit dem Kopf seines Fünfsaiters. „That’s Rock’n’Roll“, gibt Gitarrist Birger Finaut flapsig zu Protokoll. Doch dieser Mann ist hart im Nehmen („I have enough blood. I can lose a little bit!“) und gönnt sich nur eine kurze Auszeit, ehe er wieder unter tosendem Beifall mit einem blutverschmierten Handtuch, das später einer Besucherin überlassen wird, die Bühne entert und die Band und die Zuschauer zum noch intensiveren Weitermachen animiert.

Gesagt, getan. Spätestens jetzt hat jeder die Belgier in sein Herz geschlossen und diese danken es mit dem kernigen „Dear Escalated“ und dem facettenreichen Epos „Jaguar“, bei dem nicht nur das am rechten Bühnenrand befindliche Piano Verwendung findet, sondern auch das Gitarristengespann um den bereits erwähnten Birger Finaut und Yannick Dumarey zu verträumten Soli ausholen darf. Über „The Nations Divide“ und „Pyramids On Mars“ gelangt man mit „Blink, Brake“ auch schon ans Ende des regulären Sets.

Wie gesagt: Das Ende des regulären Sets. Death Before Disco, deren Drummer Ace Zec für sämtliche Backing Vocals zuständig ist, und das Substage denken nämlich noch lange nicht ans Aufhören. Den Anfang der obligatorischen Zugaben macht „Modern Times“, das noch einmal die Radiotauglichkeit dieser Band aufzeigt. Und dann ist es Zeit für den nächsten einmaligen Moment dieser 75-minütigen Rock’n’Roll-Vorführung: „Ioan befiehlt, wir gehorchen!“ So verbringt man den besinnlichen Beginn von „Goodbye“ sitzend auf dem steinigen Boden bis man von der härteren Veranlagung des Stückes wieder auf zwei Beine gehievt wird. Fantastisch! Es will was heißen, wenn dies einer Band gelingt, die den meisten vorher kein Begriff war.

Doch auch wenn die handschriftliche Setliste mit der punkigen „Hommage“ an die EU („Kill The Dancer) am unteren Seitenrand angekommen ist, will man die Jungs nicht so schnell gehen lassen, so dass das Catering noch weiter nach hinten verschoben und ein brandneues Stück zum Besten gegeben werden muss.

Noch schnell ein Bandshirt für unschlagbare 12 Euro abgegriffen, sich bei der Band bedankt, einige Gummibärchen stibitzt (Achtung! Insiderwitz) und mit einem breiten Grinsen geht’s zurück in die Heimat!

Fazit: Kann man ein Konzert besser gestalten als es Death Before Disco getan haben? – Wohl kaum! Der Fünfer bot unter der Berücksichtigung von acht der zehn Tracks des Monsteralbums BARRICADES eine überirdische Performance, die sich nicht mehr in ganzen Sätzen zusammenfassen lässt. Spannung, Dramatik, Leidenschaft, Spaß, Unterhaltung, Power, Ausdrucksstärke, Genialität, ... WELTKLASSE!
Diese Jungs machen mir Angst!!!


Setliste:
Etireno
Barricades Of Rumble
Full Metal Jacket
Kiss, Kill Lolita
Dear Escalated
Jaguar
The Nations Divide
Pyramids On Mars
Blink, Brake
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Modern Times
Goodbye
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Kill The Dancer
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A New One