Sebastian Reichl von Deadlock
(25.05.2007, Interview geführt von Jack)
Nein, damit wir uns guten Metal zu Gemüte führen können, müssen wir nicht immer nach Skandinavien oder über den Großen Teich schielen. Die ewigen Nörgler aus Deutschland besitzen so viele tolle Bands, dass man richtig stolz auf das derzeitige Treiben in unserer Metal-Landschaft sein kann. Deadlock sind ein Teil dieser „Bewegung“ und bringen mit ihrem neuesten Werk WOLVES ganz neue Facetten in das alles andere als rostige Metal-Eisen „Made in Germany“. SQUEALER-ROCKS.de sprach mit Gitarrist Sebastian Reichl.
Squealer-Rocks.de: Hallo Sebastian. Erst einmal möchte ich euch zu euerem neuen Album WOLVES gratulieren. Ohne den Hauch einer Untertreibung würde ich es als euer reifstes, konstantestes, vielfältigstes und somit auch bestes Album bezeichnen.
Wie unterschied sich der Songwriting- und Aufnahmeprozess von EARTH.REVOLT zu WOLVES hinsichtlich der Aspekte und Begrifflichkeiten "Erwartungshaltung (von innen und außen)", "Herangehensweise" und "Erfahrung"?
Sebastian Reichl: Zu Beginn, vielen herzlichen Dank für die netten Worte über unser neues Album. Das freut uns sehr! Auch wir glauben mit WOLVES das bis dato reifste und vielschichtigste Werk abgeliefert zu haben.
Der Hauptunterschied zu EARTH.REVOLT bestand wohl klar darin, dass wir WOLVES komplett selbst produziert haben. Anfangs bedeutete das zwar einen Riesenaufwand und Einarbeitungszeit, doch letztlich war man so am flexibelsten und in unserem Fall dann auch am kreativsten, da Zeit diesmal eben eine nicht so tragende Rolle spielte und wir dadurch nicht so leicht unter Druck gerieten bzw. arbeiten mussten. Die Erwartungshaltung war natürlich enorm, wir wollten mit Sabines Gesang unserer Musik das i-Tüpfelchen aufsetzen und noch mehr Bombast, Pop und Aggressivität zugleich zu einem neuen Musikerlebnis homogenisieren! Die Herangehensweise war diesmal auch recht neu und gewöhnungsbedürftig. Wir arbeiteten bis zum Schluss alle Ideen und Strukturen in Vorproduktionen aus und haben dann fast komplett alle Details von Orchester bis Samples in das Recording mitübernommen. Natürlich war da auch Sabine sehr stark miteinbezogen. Die größte Erfahrung diesmal war einfach das perfekte Zusammenspiel aller Beteiligten mit höchst emotionalen Momenten bei den Recording Sessions.
Squealer-Rocks.de: Müsste man jemandem, der noch nichts von Deadlock gehört hat, den WOLVES-Sound beschreiben, würde der erste Satz mit hoher Wahrscheinlichkeit folgenden Wortlaut beinhalten: "Deadlock sind anders..." Vielerorts liest man vom Death Metal. Das Wort "Death" habe ich in meinem Review jedoch in Klammern gesetzt, um das Gesamtkonstrukt "Metal" zu betonen. Was passt euch eher in den Kram?
Sebastian Reichl: "Metal" finde ich persönlich doch recht passend. Mal ehrlich, was sollen diese ganzen Kategorisierungen?! Ich denke wenn jemand Bock hat auf frische, unverbrauchte Ideen, eine toll aufgelegte Sängerin, ordentliche Soli-Overkills, Bombast und einfach nicht mehr den gleichen Einheitsbrei vor sich her löffeln möchte, sollte die Platte mal anchecken. Ich würde dann auch noch auf das Review auf www.squealer-rocks.de verweisen...dies sollte dann noch den letzten Zweifler überzeugen (grinst).
Squealer-Rocks.de: Ein besonderes Augenmerk liegt heuer auf dem sich weiter verbessernden Wechselspiel zwischen Johannes Prems "wilden" Schreiorgien und Sabine Wenigers wunderschönen Gesängen. Anders als (grinst) bei dem üblichen "Die Schöne und das Biest" Getue sind die Übergänge bei Deadlock stimmig. Ein Verdienst der Sänger oder der Songwriter?
Sebastian Reichl: Ich denke, die Lorbeeren können sich beide Parteien auf die Brust schreiben. Sowohl unsere Vokal-Akrobaten als auch Tobi (Tobias Graf, Schlagzeuger - Anm.d.Red.) und ich an der Songwriter Front haben natürlich streng darauf geachtet, dass keine 0815/Klischee-Passagen und Strukturen verwendet werden. Wobei man doch sagen muss, dass vor allem bei der Ausarbeitung des Gesangs während der Aufnahmen alles wie von selbst lief und manchmal schien es so, als ob die Worte/Textpassagen nur für DIE eine ganz bestimmte Melodie in einem Song erfunden wurden. Echt crazy....
Squealer-Rocks.de: Kommen wir etwas detaillierter auf WOLVES zu sprechen. "We Shall All Bleed" markiert so etwas wie das Sinnbild - wenn man den eines finden kann - für den vorhin erwähnten Deadlock-Sound: ein knüppelharter Beginn, ein ultraeingängiger Refrain, wieselflinke Soli und ein ruhiger und emotionaler Ausklang. Mehr Abwechslung im hart metallischen Sektor geht nicht, oder?
Sebastian Reichl: Na ja, ich denke schon, dass es viele Bands gibt, die versuchen mit viel Abwechslung und frischen Ideen in den Songs das ähnlich zu machen und auch schon vorher gemacht haben. Bei dem typischen Deadlock-Sound sind aber wohl vor allem die Gesangsparts von Sabine im Zusammenhang mit dem Rest des Geschehens einzigartig und geben uns diese Sonderstellung im Sound, welche ich in deiner Frage vermute.
Squealer-Rocks.de: Aufgrund der sehr starken, sich dezent in den Vordergrund drängenden symphonischen Ausmalung könnte "Losers' Ballet" phasenweise auch als Black Metal Schlager à la Dimmu Borgir und Konsorten durchgehen. Könnt ihr euch mit solch einem Vergleich anfreunden oder ist das zu weit hergeholt?
Sebastian Reichl: Ich denke, Dimmu Borgir und uns verbindet einfach diese Liebe zum Detail, die Affinität zu Einsatz von orchestralen Instrumenten in harter Musik und der Drang nach Bombast-Perfektionismus. Erfunden haben das sicherlich die alten klassischen Meister und wenn überhaupt versuchen wir diesen genialen Köpfen nur annähernd gerecht zu werden. Einen direkten Vergleich mit Dimmu Borgir, vor allem hinsichtlich des Gesamtwerks, finde ich aber eher unpassend.
Squealer-Rocks.de: Bei "End Begins" sind kontroverse Diskussionen vorprogrammiert! Als offener Musikfreund bezeichne ich den Technopart des Liedes als geniale Innovation. Bei anderen wird er allerdings (davon ist auszugehen) sauer aufstoßen. Wie reagiert ihr auf solche äußerst subjektive Meinungsäußerungen?
Sebastian Reichl: Wie du schon sehr richtig gesagt hast, treffen insbesondere bei diesem Song viele subjektive Meinungen aufeinander. Aber ehrlich gesagt, ist uns das einfach nur egal.
Wenn wir auf alles hören würden, was Fans und so genannte Kritiker von sich geben, dann sollten wir aufhören. Wir finden das, was wir da gemacht haben, einfach nur voll geil, wir hatten Bock drauf und haben's gemacht. Zudem fügt es sich perfekt in den Song ein und wertet ihn, meiner Meinung nach, auch extrem auf. Weißt Du, wir sind die Musiker/Künstler und bestimmen deshalb auch, was da musikalisch passiert. Jedem dem es nicht gefällt kann ja den Song überspringen oder uns deshalb ignorieren. Das macht uns nichts aus...
Um's mit akademischen oder gar philosophischen Worten zu sagen: "Kunst, die nicht kontrovers diskutiert wird und sofort angenommen wird, ist keine wahre Kunst!" Demnach sind alle Diskussionen und Hate-Mails herzlich willkommen (grinst).
Squealer-Rocks.de: Für den Mix des Albums konntet ihr keinen Geringeren als Jacob Hansen für euch gewinnen. Inwieweit hat er euch als Musiker und als Band weiter vorangebracht?
Sebastian Reichl: Jacob Hansen kam mit vielen Ideen während des Mixings auf uns zu, die auch stets direkt bei uns zündeten und die Platte im Endeffekt noch vielseitiger gemacht haben. Fürs Songwriting und Recording waren wir ja selbst verantwortlich. Der Mann ist aber einfach ein Profi und weiß wie man einen fetten, passenden Sound zu den entsprechenden Songs kreiert. Hansen rules!
Squealer-Rocks.de: Bei einem Albumtitel WOLVES und den dazugehörenden Abbildungen auf dem Cover würde es mich mal interessieren, ob sich die damit verbundene Intention auch auf das gesamte lyrische Konzept des Albums übertragen lässt.
Sebastian Reichl: Anders als auf der EARTH.REVOLT wollten wir bei WOLVES kein lyrisches Konzept in den Vordergrund stellen. Die neuen Songs sollten auf die einzelnen Texte zugeschnitten werden und, so gut es geht, auch mit den Melodien und Wortstrukturen harmonieren. Man muss auch immer darauf achten, dass die Lyrics im Song auch ansprechend klingen und sich bestmöglich einfügen. Deshalb wollten wir uns im Vorfeld nicht mit einem engen Korsett, sprich Konzeptalbum, beschnüren. Der Titel WOLVES bezieht sich diesmal eher auf uns als Musiker/Band. Diese, mittlerweile leider selten gewordenen Tiere, sind verdammt loyal und verfügen u.a. über ein sehr ausgeprägtes Sozialverhalten. Wenn man diese Attribute auf unseren Lifestyle überträgt, kann man hier doch Parallelen erkennen und sehr gute Vergleiche ziehen. Außerdem klingt er einfach fett und prägnant!
Squealer-Rocks.de: Mit euerer zweiten Lifeforce Records Veröffentlichung habt ihr auch einen US-Release für das Ende des jetzigen Monats erwirkt. Was erhofft ihr euch (langfristig) vom Rüberschielen auf die amerikanischen Szene bzw. den amerikanischen Markt?
Sebastian Reichl: World Domination! (grinst)
Nö, Quatsch... wir hoffen, dass wir viele neue Fans gewinnen können um endlich mal in die Staaten zu reisen und da ordentlich Live auf die Pauke zu hauen! Das ist ein Riesenmarkt, der auch offen ist für diese Art Musik, wie wir sie machen! God bless America! (grinst)
Squealer-Rocks.de: Thema Live-Auftritte: Wann und wo kann man das Sextett von Deadlock live bewundern?
Sebastian Reichl: Wir spielen in den nächsten Wochen/Monaten viele Clubshows und einige Sommerfestivals. Im Oktober wird's dann definitiv eine Europatour geben und wir reisen für diverse Kurztrips dieses Jahr noch nach Skandinavien, Russland und Asien. Alle aktuellen und bestätigten Dates finden sich unter www.xdeadlockx.com oder www.myspace.com/xdeadlockx.
Squealer-Rocks.de: O-Ton eines bekannten Metalmusikers: "Um heute als Band (auch finanziell gesehen) erfolgreich zu sein, muss man nicht nur ständig an neuem Material werkeln, sondern auch permanent auf Achse sein." Richtig oder falsch?
Sebastian Reichl: Richtig! Wer ist der intelligente Mensch? (Anm.d.Ver.: Hab' ich vergessen!)
Squealer-Rocks.de: Dann bedanke ich mich bei euch a.) für die tolle Scheibe WOLVES und b.) für das Beantworten meiner Fragen. Die letzten Worte gehören Euch!
Man sieht sich im Partyzelt des Summer Breeze Festivals!
Sebastian Reichl: Hey Christian, ich bedanke mich sehr herzlich für dieses Interview und auch allen die sich durch meine Scheiße hier durchgequält haben. Kommt einfach auf eine Show von uns, sprecht uns an und lasst euch von einem verzaubernden, fetten Abend verwöhnen. Bis zum Summer Breeze! Wir freuen uns auf Dich und Deine Leser!!!
WOLVANIZE!!!
DISCOGRAPHY:
2000 - I’ll Wake You When Spring Awakes (EP)
2002 - The Arrival
2003 - Deadlock/ Six Reasons To Kill (Split CD)
2005 - Earth.Revolt
2007 - Wolves
2009 - Manifesto
SQUEALER-ROCKS Links:
Deadlock - Wolves (CD-Review)
Neaera und Deadlock - Karlsruhe, Die Stadtmitte (Live-Review)
Sebastian Reichl von Deadlock (Interview)