Squealer-Rocks.de Live-Review
Neaera und Deadlock (20.10.2007, Karlsruhe, Die Stadtmitte, Reaper)

Wisst ihr, was das Gute am Winter ist? Nein, nicht dass er vielleicht Schnee bringt, oder die Nächte länger und kuscheliger werden. Das Gute am Winter ist, dass die Indoor Konzertsaison wieder eröffnet ist und man sich auf schweißtriefende, energiegeladene Clubshows freuen kann. So auch heute an einem regnerischen Tag im Oktober (der Schreiber dieser Zeilen hat an jenem Abend mehr als einmal eine Dusche von Oben bekommen), an dem die deutsche Metalcore Institution, Neaera, zusammen mit Deadlock in Die Stadtmitte in Karlsruhe ihre Herbsttournee eröffnet.

Eine ungewöhnliche Location ist die Kneipe schon, denn tritt man ein, so findet man sich zunächst in einem Lounge ähnlichen Raum mit Sofas und Diskolicht wieder, zu dem psycholdelische Elektrobeats aus den Lautsprechern schallen. Wendet man sich dann langsam dem Eingang des so genannten Saals zu, dann nimmt die Szenerie leicht grothesque und gothichafte Züge an, denn man tritt in einen verspiegelten Zwischengang, in dem Kronleuchter von der Decke baumeln. Der Saal selbst erinnert einwenig an Flower Power, wegen der bunten Blumen auf dem Boden und sieht recht gemütlich aus – noch…

Pünktlich um 20:30 geht es dann auch mit der ersten Band Enraged By Beauty los und woher die Jungs stammen, dass macht das Publikum lautstark mit „Pirmasens!” Rufen klar. Sympathisch und überaus natürlich bringt Shouter Dirk Hoffman von der ersten Sekunde an das Parkett zum Brennen, Beben oder was ihr sonst noch so wollt. Eine Riffwand folgt von den unerbittlichen Drums getrieben der nächsten und die halbe Stunde Spielzeit vergeht mit Liedern der Marke „7 Years To Come“ wie im Fluge. Dass fliegende Körperteile zum Metalcore gehören, das ist von vorne rein klar und so spart das Publikum nicht mit diesen Ouverten. Etwas Besonderes haben die Pirmasenser noch außer ihres mit einer hervorragenden eigenen Note versehenen volldampf Metalcores zu bieten, nämlich eine so genannte Circle-Polonaise, was das ist? Fast euch alle mal an den Schultern und rennt im Kreis…

Die Stimmung am Höhepunkt und dann eine Umbaupause… schnell mal ein Bierchen und rechtzeitig zu My Elegy wieder vor der Bühne. Konnten die Pirmasenser von Enraged By Beauty zuvor noch auf allen Ebenen punkten, so verspielen die Jungs aus Bruchsal schnell die durchaus durch das Heimpublikum gegebenen Bonuspunkte. An der instrumententechnischen Ausführung des stark an Killswitch Engage angelehnten Metalcores gibt es wenig zu mäkeln, auch nicht am überaus genialen Sound (schon mal ein fettes Danke! an den Menschen an den Reglern, der seinen Job perfekt gemacht hat), doch wenn es der Band an etwas fehlt, dann an der nötigen Unverkrampftheit ihrer Vorgänger. Besonders der „Sänger“, Christoph Spranz, wirkt etwas desorientiert und viel zu schüchtern auf der Bühne, als dass er die Power der restlichen Band mitgehen könnte und so wie ein Bremsklotz am Bein wirkt. Diese Meinung teilt auch ein Großteil des Publikums und so fiebern alle dem nächsten Act entgegen.

Die Arme hoch, die Reihen dicht geschlossen… so drängt sich das Publikum bei Deadlock zusammen. Mit einem sympathischen Lächeln betritt Sängerin Sabine Weniger die Bühne und wird augenblicklich lautstark begrüßt – da sag noch mal einer, dass man keine Frauen im Metal gebrauchen kann. Glaubte man die Stimmung endgültig gestorben, so kocht sie schneller als mit einem Heizsieder wieder auf und keiner kann sich mehr vor den losbrechenden Moshpits retten. Wild posierend und gewohnt spielstark präsentieren sich die Fünf auch heute Abend in der Stadtmitte, wenngleich das Publikum auch ohne die „Hey, hey!“ Aufforderungen von Johannes Prem nicht mehr zu bremsen ist und sich als überaus textsicher erweist. Was war doch gleich das Besondere an dem letzten Deadlock Werk Wolves? Ach ja, der Technopart in „The End Begins“, welches natürlich zum Abschluss eines den Atem raubenden Konzerts nicht fehlen darf. Hier wächst wirklich etwas ganz Großes.

Wer noch Luft hat und stehen kann, der drängt sich beim nun folgenden Headliner, der mit dem Album Armamentarium im Gepäck anrückt, vor der Bühne zusammen, denn wenn sie losgelassen, dann stoppt die wilde Moshhorde heute Abend nichts mehr so schnell. Als besonders gütiger Zeremonienmeister erweisen sich die Headliner des Abends,Neaera, und lassen die Leinen schon mit den ersten Klängen los. Are you ready to rumble?! Was für eine Frage! Um auf die anfängliche Beschreibung der Indoorgigs zurückzukommen – heute werden neue Maßstäbe in Intensität, Hitze und was sonst noch dazugehört, gesetzt. Denn so atemberaubend, im wahrsten Sinne des Wortes, war schon lange kein Konzert mehr. Der Schweiß rinnt in Strömen, während sich Sänger Benny die Seele aus dem Leib schreit und das Publikum wie eine amorphe Masse vor, zurück und seitwärts wabert. Gab es bei Deadlock schon wenig Raum zum Atmen, so bekommt man nun leicht das Gefühl ein Wassermolekül unter immer stärker werdendem Druck zu sein, so wundert es wenig, dass „Wasser!“ Rufe laut und diese dann auch prompt beantwortet werden, in dem sich die eine oder andere Wasserflasche über den ersten Reihen ergießt und später Reihum geht. Ihr habt noch etwas vermisst, was zu jedem richtigen Metalcore Konzert gehört? – Obwohl der Raum klein und schmal und gerammelt voll ist, gab es sie, die berüchtigte W-A-L-L O-F D-E-A-T-H.

Wer in den nächsten Wochen nichts vorhat, der sollte unbedingt ein Tourkonzert von Neaera und Deadlock besuchen, es lohnt sich garantiert.