Squealer-Rocks.de CD-Review
Kaipa - In the Wake of Evolution

Genre: Progressive Rock
Review vom: 11.03.2010
Redakteur: maddin
Veröffentlichung: 15.03.2010
Label: Inside Out



Das zweite Kaipa Album nach dem Weggang von Ur – Mitglied Roine Stolt ist die logische, von vielen befürchtete und von mindestens genauso vielen erhoffte, Konsequenz des wunderbaren Vorgängers „Angling Feelings“. Der Sound der Truppe um Hans Lundin ist noch einen ganzen Schritt direkter geworden, es gibt noch mehr Folk Einflüsse und auch der Eingängigkeitsfaktor hat sich erneut potenziert. So sehr, dass ein Teil der Hardcore – Fraktion der Proggies nun bittere Krokodilstränen weint und sogar von „Pop“ spricht. Nun, ja – eine sehr eigene Definition der Herren Notenzähler, denn wer Progressive Rock der alten Schule nicht mag, der wird an Kaipa nach wie vor keine Freude haben. Allerdings könnte „In the Wake of Evolution“ tatsächlich neue Hörerschichten erschließen. Was der Band zu wünschen wäre.

Dem Rezensent wird es heute recht einfach gemacht, denn Hans Lundin kommentiert sein Werk so schön treffend, dass ich den Schöpfer dieses fantastischen Werks schlicht zitieren möchte:
„Ich würde meine Musik als Progressive – Folk – Fusion – Rock bezeichnen. Die Folk – Einflüsse sind bereits seit unseren Anfangstagen im Jahr 1974 Teil der Musik, damals allerdings noch als eine Art sporadischer Freund, der gelegentlich auftaucht, um Hallo zu sagen. Heutzutage sind sie mehr als je zuvor ein gewichtiger Bestandteil unserer Kompositionen.“
Wahr gesprochen. Neben dem kurzen Folk – Instrumental „Folkia's First Decision“ gibt es an allen Ecken und Enden meist fröhlich anmutende Flöten - Violinen – Keyboard - Gitarrenklänge, die von Hauptsänger Patrik Lundström wie immer erstklassig intoniert werden und sich somit ein Vergleich mit seiner Hauptband Ritual absolut aufdrängt. Das 9 – minütige „Smoke From a Secret Source“ ist das beste Beispiel dafür, wie man Folk mit Prog perfekt und höchst unterhaltsam verbindet.

Natürlich wäre es vermessen, Kaipa auf dieses Element zu beschränken. Zur neuen Ausrichtung gehört auch ein gesteigertes Maß an Bombast, das nicht nur durch die Nähe von Lundströms Stimme zu Freddie Mercury gerne mal an frühe Queen denken lässt. Das unbeschreiblich geniale „Arcs of Sound“ ist die perfekte Referenz. Dramatik pur, gepaart mit höchst eingängigen Chören, dazwischen verstreute, dezent progressive Parts. Ein echtes Highlight, gute 8 Minuten lang.
Der zweite Höhepunkt ist das finale „The Seven Oceans of Our Mind“, das mir endlich wieder Gelegenheit gibt, die grandiose Aleena Gibson zu würdigen. Ohne ihre fantastische Performance, die ständig zwischen kindlich / naiv und rockig / bluesig wechselt, wären Kaipa lange nicht das, was sie sind.
Die Mini – Oper beginnt mit einem harmonischen Folk Part, ein bisschen melancholisch, leicht verträumt und der Inbegriff von Schönheit. Wie es sich für eine (Mini) - Oper gehört, schlägt die Stimmung dann um. Es wird bedrohlich, beängstigend, dramatisch. Schließlich mündet das Ganze in einem hymnischen Finale und man fühlt ein bisschen wie in einem Zeitloch: „Das sollen 10 Minuten gewesen sein? Wow, schnell mal die Repeat Taste gedrückt“.
Highlight Numero drei ist das knapp 11- minütige Titelstück, das alle Tugenden dieser tollen Mannschaft zusammenfasst und als Opener wunderbar, weil repräsentativ, gewählt ist.

Ausgerechnet der längste Track des Albums, „Electric Power Water Notes“, wirkt mit seinen 17 Minuten etwas zu konstruiert und konfus. Der Song an sich ist eine Wucht. Wunderschöne Melodie, tolle Atmosphäre, da passt alles. Leider bricht Lundin hier mit einer alten „Prog – Regel“, nämlich lange und ausufernde Instrumental – Parts in die Mitte des Songs zu stellen. So folgt nach jeder Strophe und jedem Refrain ein langer, improvisiert klingender Jam - Teil, der zweifellos den roten Faden der eigentlichen Komposition zerstört. Schade, da geht echt viel Spirit verloren.

Die Magie des Albums leidet aufgrund dieses Mini - Minuspunkts dennoch nicht. „Angling Feelings“ war toll, „In the Wake of Evolution“ aber ist nahezu perfekt!
Es enttäuscht keine (echten) Fans der ersten Stunde, da es immer noch genügend Anleihen bei Genesis und Yes bietet. Es hat aber auch das Zeug dazu, neue Freunde zu gewinnen, denen die bisherigen Sachen zu „alt“, zu antiquiert waren. Die neuen Kaipa sind einzigartig. Wer auf Queen, Genesis, Marillion und hochwertigen Folk steht, der muss hier reinhören.
Herr Lundin, ich gratuliere! Besser geht’s nicht!

Tracklist:
1. In The Wake Of Evolution
2. In The Heart Of Her Own Magic Field
3. Electric Power Water Notes
4. Folkia´s First Decision
5. The Words Are Like Leaves
6. Arcs Of Sound
7. Smoke From A Secret Source
8. The Seven Oceans Of Our Mind

Line Up:
Hans Lundin - Keyboards and Vocals
Per Nilsson - Guitars
Morgan Agren - Drums
Jonas Reingold - Bass
Patrik Lundsröm - Vocals
Aleena Gibson - Vocals


DISCOGRAPHY:

1975 - Kaipa
1976 - Inget nytt under solen
1978 - Solo
1980 - Händer
1982 - Nattdjurstid
2002 - Notes from the Past
2003 - Keyholder
2005 - Mindrevolutions
2007 - Angling Feelings
2010 - In the Wake of Evolution
2012 - Vittjar
2014 - Sattyg

SQUEALER-ROCKS Links:

Kaipa - Mindrevolutions (CD-Review)
Kaipa - Angling Feelings (CD-Review)
Kaipa - In the Wake of Evolution (CD-Review)
Kaipa - Vittjar (CD-Review)
Kaipa - Sattyg (CD-Review)

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