Squealer-Rocks.de CD-Review
Genesis - Nursery Cryme (SACD + DVD Audio)

Genre: Progressive Rock
Review vom: 20.03.2009
Redakteur: maddin
Veröffentlichung: Bereits veröffentlicht
Label: Virgin UK (EMI)



Nach dem überaus geilen und ersten „richtigen“ Genesis Album „Trespass“ verließen Gitarrist Anthony Phillips und Drummer John Mayhew die Band und wurden durch Steve Hackett und Phil Collins ersetzt. Letzterer sollte eigentlich bei YES die Trommelstöcke schwingen und ist nur durch einen Zufall bei Genesis gelandet. Es ist ein abendfüllendes Thema darüber zu diskutieren, ob „Nursery Cryme“ in der alten Besetzung anders geklungen hätte. Doch der hörbare Einfluss der Neuzugänge – Collins beteiligt sich an den Gesangsparts und sein Beckenspiel ist bis heute Bestandteil jedes Lehrbuchs; Hacketts Gitarrenspiel ist wesentlich melodiöser und doch härter und somit prägender als das seines Vorgängers – lässt zumindest die These zu, dass die Band ohne diese beiden niemals das hätte schaffen können, was nun folgen sollte.

„Nursery Cryme“ ist vielleicht in seiner Gesamtheit nicht unbedingt ein Quantensprung gegenüber „Trespass“, aber zumindest der Anfang ist es.
Besser gesagt, der erste Song. Ach, was rede ich!
Das über 10 - minütige„The Musical Box“ mit dem schlichten Wörtchen Song zu titulieren, nee....das geht gar nicht.
Hätte es 1971 schon den CD Player gegeben, hätte außer der Band kein Mensch auf dieser Erde den Rest des Albums jemals gehört. Man hätte das Ding einfach auf „Repeat“ gelassen. Doch in den Zeiten der LP war man halt zu faul, die Nadel jedes Mal wieder zurück zu befördern.
Es ist nahezu unbegreiflich, wie man so viel süchtig machende Melodien und Ideen in so wenigen Minuten unterbringen kann. Wobei: wir sprechen hier bisher nur von der gut 3 - minütigen Einleitung.
Peter Gabriel fungiert als eine Art Märchenerzähler, man wird gefangen von einer harmonischen Umarmung aus akustischer Gitarre, Flöte, leisem Bass und wirkungsvollem Beckenspiel, die dennoch höchst dramatisch, fast bedrohlich wirkt, irgendwie in Erwartung des nun folgenden Infernos.
Die nächsten 7 Minuten sind ein orgiastisches Wechselbad aus (teilweise) hyperschnellen Keyboard / Gitarren - Duellen, eingestreuten Erzähler - Elementen und hymnischen Passagen.
Unbeschreiblich, also versuch ich's auch gar nicht weiter.
Wenn es so etwas wie die perfekte Rock Musik gibt, dann ist es „The Musical Box“!

Natürlich fällt das Album nun ab, natürlich kann man so etwas nicht mal mehr ansatzweise erreichen, natürlich bleiben wir dennoch in der Königsklasse.
Beim harmonischen Kurztrack “For Absent Friends“ gibt Phil Collins sein Debut als Sänger, bevor es mit „The Return of the Giant Hogweed“ höchst episch und leicht vertrackt weiter geht. Das Stück besitzt wieder mal den typischen Rock Oper - Charakter und wird gegen Ende schon brachial hart. Gabriels Gesang ist wie immer toll, der eigentliche Star ist aber das Keyboard / Schlagzeug - Feuerwerk der Herren Banks und Collins. Ein solch grandioses Finale gibt es wahrscheinlich nicht mal in der klassischen Musik.

Über die „Seven Stones“ dagegen decken wir trotz aller Genialität lieber den Mantels des progressiven Schweigens. Ein guter Song, keine Frage. Aber insgesamt klingt diese etwas verzuckerte Nummer ein bisschen wie - SORRY! - Tony Christie auf Prog.
Mit „Harold the Barrel“ folgt dann ein Stück, das wohl getrost als der erste „Pop Song“ der Legende bezeichnet werden darf. Die sehr humorvolle, nervöse 3 - Minuten Nummer ist ein echter Ohrwurm und lockert das Album ungemein auf.
Das ebenfalls kurz gehaltene „Harlequin“ besitzt ebenso wie „For Absent Friends“ eher Intro – Charakter und haut mich nicht gerade vom Hocker.

Das erledigt dann „The Fountain Of Salmacis“. Wie schon auf dem Vorgänger stellen Genesis ihre größten Meisterwerke an den Beginn und das Ende des Albums.
Der Abschlußtrack zieht sich über die ersten 3 Minuten zunächst ein wenig kraftlos dahin, da fehlt noch der Aha – Effekt. Der kommt dann aber doch noch und wird von Kollege Gänsehaut begleitet.
Da sind sie wieder, diese instrumentalen Wutausbrüche, diese epischen Passagen, die heutzutage jede drittklassige Fantasy Metal Band als Innovation verkaufen will. Am Ende ist mir das Lied mit 8 Minuten deutlich zu kurz. Na, ja – so hat jeder sein Kreuz zu tragen...

„Nursery Cryme“ ist der erste echte Meilenstein in der Genesis Historie und enthält zudem einen der besten drei Songs der Band. Bis heute gibt es wohl nur – wenn überhaupt! - sehr, sehr wenige Bands, die ein annähernd gleichwertiges Album eingespielt haben.
Es gibt dementsprechend auch nur eine Truppe, die dieses Kunstwerk noch hätte toppen können.
Richtig, Genesis selber.
Und verdammt noch mal, sie haben es getan! Denn nur ein Jahr später erschien „Foxtrot“ und die Geschichte des Rock musste neu geschrieben werden!

...to be continued...



Tracklist:
1.The Musical Box
2.For Absent Friends
3.The Return of the Giant Hogweed
4.Seven Stones
5.Harold the Barrel
6.Harlequin
7.The Fountain of Salmacs

Line Up:
Tony Banks – Keyboards, Piano
Michael Rutherford – Bass, 12- String Guitar
Peter Gabriel – Lead Voice, Flute
Steve Hackett – Guitars
Phil Collins – Drums, Voices

DISCOGRAPHY:

1969 - From Genesis To Revelation
1970 - Trespass
1971 - Nursery Cryme
1972 - Foxtrot
1973 - Selling England By The Pound
1974 - The Lamb Lies Down On Broadway
1974 - The Lamb Story
1976 - A Trick Of The Tail
1977 - Seconds Out
1977 - Wind And Wuthering
1978 - ... And Then There Were Three ...
1980 - Duke
1981 - Abacab
1982 - Three Sides Live
1983 - Genesis
1986 - Invisible Touch
1991 - We Can't Dance
1997 - Calling All Stations
1999 - Turn It On Again - The Hits
2000 - DVD: The Way We Walk
2001 - DVD: Genesis Songbook
2003 - DVD: Live At Wembley
2004 - DVD: Video Show
2004 - DVD: Inside Genesis 1975-1980
2004 - Platinum Collection
2005 - DVD: Inside Genesis: The Gabriel Years 1970-1975
2005 - DVD: Critical Review: 1970-1980
2007 - Live Over Europe
2007 - Turn It On Again - The Hits (Tour Edition)
2008 - DVD: When In Rome
2008 - Box: 1970 - 1975
2008 - Box: 1976 - 1982
2008 - Box: 1983 - 1998


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Genesis - Genesis: 1970 - 1975 ( Box Set mit 7 CDs + 6 DVDs) (CD-Review)
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