Chris Lyne von Soul Doctor
(30.01.2006, Interview geführt von Eric)
Mit "For A Fistful Of Dollars" haben Soul Doctor zweifellos ein Hammer-Album abgeliefert. Und trotz einiger Anlaufschwierigkeiten stand uns ein gut gelaunter Chris Lyne, seines Zeichens Gitarrist bei der Band, telefonisch ausführlich Rede und Antwort. Vielen Dank dafür, Chris!
Squealer.net: "For A Fistful Of Dollars" seit ein paar Wochen veröffentlicht, wie zufrieden bist du mit den Reaktionen?
Chris Lyne: Ich bin sehr zufrieden, vor allem deshalb, weil wir damit nicht in der Form gerechnet hatten. Mit der Art von Musik, die wir machen, bist du eigentlich heutzutage eine Art Außenseiter, also waren die durchweg positiven Reaktionen schon erstaunlich. Vielleicht macht sich bezahlt, dass wir in unsere Musik jede Menge Herzblut stecken …
Squealer.net: Kannst Du schon was sagen zu den Verkaufszahlen?
Chris Lyne: Nein, dazu kann ich nichts sagen, es ist auch nicht so interessant. Wir sind eine Live-Band, und Gigs sind für uns wichtiger als Verkaufszahlen. Dort werden wir dann auch CD's mit speziellen Sachen verkaufen, die es nicht im Laden gibt. Die echten Fans triffst du auf den Konzerten, ansonsten steht doch heute alles im Internet zum Download bereit. Was glaubst du, warum David Coverdale noch keine neue Scheibe draußen hat? Er hat mit dem gleichen Problem zu kämpfen.
Squealer.net: Darüber habe ich mich letztens auch mit Thomas Muster von Shakra unterhalten. Er meinte, Rockfans seien treuer als andere …
Chris Lyne: Ich glaube, das ist ein generelles Problem. Okay, die Schlagerszene hat damit vielleicht weniger zu kämpfen, weil die Fans einfach keinen PC haben … ich hab neulich im Internet einen Song aus Heartlyne-Zeiten gefunden, der niemals offiziell erschienen ist, kannst du dir das vorstellen?
Squealer.net: Hast du einen Lieblings-Song auf der neuen Scheibe?
Chris Lyne: Das ist schwierig … jeder Song ist auf seine Art etwas besonderes, und es ist ja nicht so, dass ein Song dam anderen gleicht. Wir gehen ja auch nicht nur mit den Songs an den Start, die auf dem Album landen, da gibt es einige mehr. Vielleicht "She's Mine" oder "Ten Seconds Of Love" …
Squealer.net: Mein persönlicher Favorit ist "The Trigger", geht schön direkt nach vorne …
Chris Lyne: Ja, auch ein geiler Song. Du bist aber der erste Fan, der die Nummer nennt. Ist übrigens auch einer der Favoriten von Tommy, cool!
Squealer.net: Ihr gehört also nicht zu den Bands, die wirklich nur die Nummern schreiben, die dann auch auf dem Album landen?
Chris Lyne: Nein, wir haben jede Menge Songs, und die besten kommen aufs Album. Ich halte auch den Vorwurf für daneben, dass nur 10 Songs auf dem Album gelandet sind. Zunächst mal sind es nicht 10, sondern 11, es gibt einen Hidden Track …
Squealer.net: Ich hab nur die Promo …
Chris Lyne: Da ist der auch drauf.
Squealer.net: Oh ….
Chris Lyne: (lacht) Viel Spaß beim Suchen. Es ist übrigens ein Instrumental-Stück, das auf dem nächsten Album mit Gesang drauf sein wird. Mir ist jedenfalls ein Album lieber mit einer kurzen Spielzeit und geilen Songs drauf. Wenn eine Band Songs auf die Scheibe packt, von denen sie selbst nicht überzeugt ist, nur um die Spielzeit zu strecken, dann ist das nicht unser Ding. Die CDs sind teuer mittlerweile, die Leute bezahlen einen Haufen Geld, und dafür sollte man auch was anständiges bieten.
Squealer.net: Ihr wurdet in Reviews mit allen möglichen Bands verglichen, AC/DC, Krokus, Cinderella, Little Cesar .. spricht das dafür, dass ihr doch einen eigenen Sound gefunden habt, und welcher Vergleich trifft es für Dich am ehesten?
Chris Lyne: Das freut mich natürlich, wenn du das so siehst, und mit Bands wie AC/DC verglichen zu werden ist ja nun wirklich nicht übel. Tommy hat unseren Sound mal "groovigen, gitarrenorientierten Soul Doctor-Rock" genannt, und das trifft es. Mit wem wir denn wirklich vergleichbar sind, darüber sollen sich andere den Kopf zerbrechen. Wir spielen unser Ding, und ich glaube, dass es durchaus eigenständig ist.
Squealer.net: Ich hab mal gelesen, dass du - wenn überhaupt - mit Bands wie Deep Purple verglichen werden willst …
Chris Lyne: Ja klar, das sind die Wurzeln. Unsere Wurzeln liegen im bluesorientierten Rock, und das geht halt weit zurück. In einem Review wurden wir mal mit Shakra verglichen, in einem anderen mit Gotthard. Sorry, großartige Bands, aber wir klingen wirklich nicht wie Shakra und Gotthard, und die klingen nicht wie wir. Außerdem haben die den Rock auch nicht neu erfunden, auch die wurden von anderen inspiriert.
Squealer.net: In den 80ern zusammen mit Tommy Heart bei Heartlyne. Was hast du anschließend gemacht? Es wurde relativ still um dich …
Chris Lyne: Zuerst hab ich mal eine Auszeit genommen. Ich war 20 Jahre alt damals und ziemlich frustriert. Irgendwann hab ich begonnen, mich nach neuen Leuten für eine Band umzuschauen, aber das ist sehr schwierig. Weißt du, in einem halben Jahr gründet man keine Band und ist mit den Hammer-Songs am Start, um die Welt einzureißen. Dazu brauchst du Leute, die einen Arsch in der Hose haben. Irgendwann hatte ich keinen Bock mehr auf andere Bands, und ich hab begonnen, ein paar Sachen zu produzieren und ein paar Songs für Andere zu schreiben. Ja, irgendwann kam dann Tommy und hatte die Idee, mal wieder ein paar Sachen zusammen zu machen. An eine Band haben wir damals noch gar nicht gedacht, wir haben einfach ein paar Songs zusammen geschrieben.
Squealer.net: Hattet ihr euch aus den Augen verloren in der Zwischenzeit?
Chris Lyne: Nein, Tommy und ich sind Freunde seit 20 Jahren, auch außerhalb der Musik. Auch mit Jogy bin ich bestimmt schon 15 Jahre befreundet.
Squealer.net: Wie ist die Hierarchie in der Band? Gibt es einen "Chef"?
Chris Lyne: Weißt du, als wir das erste Album gemacht haben, wurde alles geteilt, wirklich alles. Die Songs waren zwar schon zu 80 % fertig, als das Lineup stand, aber wir wollten einfach fair sein. Natürlich mussten wir Kompromisse eingehen, klar. Wenn 4 Leute mitreden, brauchst du einfach Kompromisse. Irgendwann sind die Leute, für die du Kompromisse gemacht hast, nicht mehr da, es löst sich einfach alles in Luft auf. Also haben Tommy und ich gesagt: Okay, lass uns unser Ding durchziehen. Wir machen, was wir wollen und lassen uns von niemandem mehr reinreden. Das hat bei "For A Fistful Of Dollars" super funktioniert, die anderen haben es akzeptiert.
Squealer.net: Ihr sagt, es ist nicht einfach, eine Support-Rolle zu bekommen, wenn man zu gut ist, die Top-Acts haben Angst vor guten Bands.
Chris Lyne: Grundsätzlich kosten Tourneen einen Haufen Geld, vor allem in Deutschland und den umliegenden Ländern. Dafür wirst du dann oft behandelt wie das letzte Stück Scheiße. Wenn der Headliner merkt, dass du gut bist, wirst du gedrückt, wo es nur geht. Da wird mit allen Mitteln gearbeitet. Da ist mir eine kleine Club-Tour lieber, wo du nicht beschränkt bist und dein Ding machen kannst.
Squealer.net: Ihr wart aber auf Tour mit den großen, Dio und Alice Cooper, um nur zwei zu nennen. Wie waren die Erfahrungen?
Chris Lyne: Super, bei Dio war alles ganz entspannt. Am Morgen nach dem ersten Gig hat Dio seine Leute zusammengetrommelt und mal richtig zur Sau gemacht, weil wir am Abend davor wirklich gerockt haben. Plötzlich fingen die wieder an, zu proben und Soundcheck zu machen! (lacht) Doug Aldrich hat mit das erzählt, mit dem ich damals sehr guten Kontakt hatte und mit dem ich auch heute noch befreundet bin. Auch Jimmy Bain hat sich damals gewundert: Was, ihr seid eine deutsche Band? Er wollte das nicht glauben … die Tour hat jedenfalls viel Spaß gemacht.
Squealer.net: Haben es die wirklich großen, wie Dio, nicht nötig, Support-Bands zu drücken?
Chris Lyne: Nein, sicher nicht. Grundsätzlich halte ich das ohnehin nicht für sehr geschickt. Was soll es bringen, die Vorband zu drücken? Stell dir mal vor, du hast 3 geile Bands, und alle 3 können voll aufspielen, ohne Beschränkung, volles Licht, voller Sound - dann kämen auch wieder mehr Zuschauer zu den Gigs. Aber wir leben in einer Ellenbogen-Gesellschaft, das ist traurig, aber nicht zu ändern. Wir haben bei unseren Gigs Snipe-CDs verschenkt, wo die neuen Songs so ungefähr 90 Sekunden angespielt wurden. Die Idee wurde super angenommen von den Fans.
Squealer.net: Ihr seid ja richtig innovativ …
Chris Lyne: (lacht) Sowieso. Im letzten Metal Hammer stand ein Bericht über uns, und die Überschrift lautete "Die Kampfmaschine". Fand ich super, das trifft es.
Squealer.net: Also keine Support-Rolle für Soul Doctor?
Chris Lyne: Will ich nicht generell ausschließen, wenn es sich ergibt, sind wir dabei. Unser Management arbeitet im Moment daran, aber spruchreif ist noch nichts … außer, dass wir im Sommer ein paar Festivals spielen werden.
Squealer.net: Und eine Club-Tour?
Chris Lyne: Wird es geben, auf jeden Fall. Und das solltet ihr euch nicht entgehen lassen, es wird gerockt wie die Sau, das ist sicher!
Squealer.net: Ich habe gelesen, eure Texte erhalten von Steve Plunkett (Autograph) den letzten Schliff? Auch bei dem aktuellen Album?
Chris Lyne: Nein, das war bei den ersten beiden Alben so. Der Kontakt kam über Jörg, unseren ehemaligen Basser, zustande.
Squealer.net: Du hast es vorhin angesprochen, ihr klingt nicht deutsch. Wäre da nicht Amerika ein lohnendes Ziel? Oder Japan?
Chris Lyne: Japan ist ein gutes Pflaster, da sind wir auch gut mit dabei. Amerika ist da ein ganz anderes Kaliber, das ist eine ganz eigene Szene. Es ist unwahrscheinlich schwer, dort Fuß zu fassen, obwohl wir Kontakte dahin haben.
Squealer.net: Die Konkurrenz ist wohl auch riesig …
Chris Lyne: Noch nicht mal. Ich war ja in den Neunzigern öfter in New York und L.A., und es ist seltsam: Es gibt unglaublich viele gute Musiker, aber nicht so viele geile Bands. Du siehst dort eine Band, und sie sind unglaublich gut, aber sie existieren nur 2 oder 3 Wochen. Jedenfalls ist Amerika weit weg, unsere Scheiben sind dort noch nicht erschienen. Wir achten da nicht drauf, wenn da was läuft, ist es okay, aber wir schauen da nicht hin. Da hat es eine Band wie Rammstein schon wieder einfacher, die sind so typisch Deutsch, dass sie in Amerika gut ankommen.
Squealer.net: Also ist es fast ein Nachteil in der Hinsicht, eben nicht typisch deutsch zu klingen?
Chris Lyne: Ja, genau
Squealer.net: Welches Ziel habt ihr als Band? Wie weit kann man mit ehrlichem, im besten Sinne altmodischen Hard Rock heute kommen?
Chris Lyne: Wir stecken uns keine Ziele, das haben wir uns abgewöhnt. Wir bringen 100 % Enthusiasmus und 200 % Einsatz, wir lieben unsere Musik und geben immer unser Bestes. Mehr können wir nicht tun, Erfolg kannst Du eh nicht erzwingen.
Squealer.net: Reizt es da nicht, mal das Genre zu wechseln?
Chris Lyne: Wir hätten einfacher und mehr Erfolg haben können, wir hätten als Fair Warning-Nachfolger in Asien sicher gute Karten gehabt und dort wieder antreten können. Aber wir sind nicht Fair Warning, auch wenn die geile Musik gemacht haben, wir sind Soul Doctor. Das ist ehrlicher, und dahinter können wir auch voll stehen. Wer würde mir eine andere Sache abnehmen, und vor allem: Würde ich sie mir selbst abnehmen?
Squealer.net: Das klingt sehr zufrieden …
Chris Lyne: Ja, das bin ich. Ich bin zufrieden mit der Band und mit der Musik, die wir machen.
Squealer.net: Zum Abschluss: Was hat sich Chris Lyne zuletzt ins CD-Regal gestellt?
Chris Lyne: Lass mich überlegen … "American Idiot" von Green Day …
Squealer.net: Kennst du die Live-DVD, "Bullet In A Bible"? Hammer!
Chris Lyne: Nein, aber danke für den Tip, werd ich ausprobieren. Dann noch die neue Billy Idol … einige sehr gute Sachen drauf, einige Füller. Ich habe ihn hier in Berlin live gesehen, ein Supermusiker!
Squealer.net: Chris, danke für deine Zeit und das Interview. Ich hoffe, wir sehen uns auf Tour.
Chris Lyne: Auf jeden Fall, bis dahin …
DISCOGRAPHY:
2001 - Soul Doctor
2002 - Systems Go Wild
2005 - For A Fistful Of Dollars
2007 - Blood Runs Cold
2008 - That's Live
2009 - Way Back To The Bone
SQUEALER-ROCKS Links:
Soul Doctor - For A Fistful Of Dollars (CD-Review)
Soul Doctor - Blood Runs Cold (CD-Review)
Soul Doctor - That's Live! (CD-Review)
Soul Doctor - Way Back To The Bone (CD-Review)
Chris Lyne von Soul Doctor (Interview)