Fuchs von Die Apokalyptischen Reiter

(14.09.2006, Interview geführt von Jack)

Wenn man eine Diskussionsrunde über deutschsprachige Rockbands ins Leben ruft, kommt man um die Erwähnung der Apokalyptischen Reiter nicht mehr herum. Zu groß ist der Einfluss, den das Quintett mit seinen letzten Veröffentlichungen SAMURAI und allen voran RIDERS ON THE STORM auf die Szene ausübt. Im Zuge der Deutschlandtour schaute SQUEALER.net Redakteur The Jack bei Frontmann Fuchs vorbei und erfuhr, dass einem nicht immer „die Sonne aus dem Arsch scheint“.

Squealer.net: Grüß dich. Heute führt uns euere Tour ins Substage zu Karlsruhe. Habt ihr hier schon einmal gespielt?

Fuchs: Ja, auf der letzten Tournee

Squealer.net: Und? Gute Erinnerungen daran?

Fuchs: Sehr gute sogar. Es war super damals.

Squealer.net: Reden wir über euere neue Scheibe RIDERS ON THE STORM. Erst einmal Glückwunsch zum Chart-Entry auf Platz 31. Wie gewohnt gibt's von euch von Folk bis Black Metal alles in einem großen Topf. Woher kommt das?

Fuchs: Das ist halt einfach so. Die verschiedenen Einflüsse kommen sicherlich durch die verschiedenen Musiker zustande und einen Einfluss darauf hat auch immer die Art und Weise, wie das Album entstanden ist. Das ist immer ein musikalisches Tagebuch, in das einzelne kleine Geschichten mit einfließen. Jedes Album steht daher unter einem bestimmten Einfluss.

Squealer.net: Trotzdem bewahrt ihr immer die Eingängigkeit.

Fuchs: Wir mögen es eingängig. Es gibt immer mal wieder den einen oder anderen Ausbruch, bei dem wir etwas deftiger zur Sache gehen, jemand sein Solo spielen will und es eben nicht so eingängig ist. Aber im Großen und Ganzen setzen wir schon darauf.

Squealer.net: Wir sprachen gerade von Eingängigkeit und Einflüssen, die auf euer Schaffen einwirken. Wie entsteht daher beispielsweise ein Song wie "Friede Sei Mit Dir"?

Fuchs: Das entsteht zum Beispiel durch Unzufriedenheit und verschiedene andere Begebenheiten. Ich war zum Beispiel viel auf Reisen und wenn du da auf Leute triffst, die sich komplett durchhängen lassen und dir erzählen, dass sie seit unzähligen Jahren arbeitslos sind, aber nicht den Arsch hoch kriegen, was soll man da sagen? Die Leute sollen sich solidarisieren, sie sollen zueinander stehen, sie sollen sich gegenseitig motivieren, sie sollen Zuneigung füreinander entwickeln. Das ist eigentlich damit gemeint. Sie sollen sich gegenseitig unterstützen und das ist das, wo ich sage, dass das irgendwie in der heutigen Gesellschaft fehlt. In dem Lied geht es einfach um Egoismus, auch um Geschwindigkeit und Individualismus. Jeder will oben stehen und einen Gemeinschaftssinn gibt es nicht. Man hat auch eher das Gefühl, dass es diesbezüglich immer kälter wird.

Squealer.net: Eine weitere Konstante eurer Alben ist seit jeher die Mischung aus fröhlichen, spaßigen und sehr ernsten Liedern. Inwieweit kann man das als Tradition sehen?

Fuchs: Was heißt Tradition? Ich denke mal, so ist das Leben. Ich bin nicht den ganzen Tag böse und ich bin nicht den ganzen Tag gut gelaunt. Das Leben ist vielmehr. Ich kann nicht die ganze Zeit rumrennen und sagen "es ist alles voll geil". Freude, Leid und und und. So wie es jedem Menschen geht, jedem gesunden Menschen eben geht.

Squealer.net: In dem Stück "Seemann" von der neuen Platte gibt es den Refrain nicht nur auf deutsch, sondern auch auf englisch und französisch. Welches Ziel hegt ihr damit? Soll es den Fans aus anderen Ländern auch ermöglichen, dass sie Teile der Texte verstehen?

Fuchs: Die Franzosen verstehen es nicht (grinst). Geplant war eigentlich noch japanisch. Das hätte aber den Rahmen gesprengt. Die Übersetzung hatte ich schon. Ich kannte eine japanische Frau, die hat mir das Ganze übersetzt. Nur, wir haben es dann gelassen. Man macht das auch für die Fans, aber in erster Linie ist der "Seemann" ein bewegungsvolles Lied. Es handelt von jemandem, der seine Freundschaften und sein sicheres Heim gegen dieses Leben eintauscht. Und er muss dann immer wieder los. Mein "Seemann" will nicht nur an der Ostsee rumfahren. Er will über all hin. Deswegen haben wir mit der Mehrsprachigkeit dem Ganzen einen internationalen Charakter verpasst.

Squealer.net: "Mmmh"... nein, ich denke jetzt nicht nach. Der letzte Track von RIDERS ON THE STORM. Wusstet ihr nicht, wie man das Ding nennen soll oder was hat es mit dem Titel auf sich?

Fuchs: Nein, eigentlich nicht. Der Song ist in Nordspanien entstanden, ist auch schon ein etwas älterer Song (etwa vier Jahre alt). Da fing es an. Ich lag am Strand und fing an über das Thema Ewigkeit nachzudenken und ich finde, dass es das "Mmmh" sehr gut rüber bringt. Ich hätte mir auch irgendetwas mit mehr Pathos einfallen lassen können, aber so ein kleines "Mmmh" in diesem netten Song, das passt schon. Das "Ohm" bei den Hindus soll auch die Ewigkeit beschreiben und daher denke ich, dass "Mmmh" auch gut passt.

Squealer.net: Das deutsche "Ohm" quasi. Gibt's für dich einen Lieblingssong auf der neuen Platte?

Fuchs: Eigentlich nicht. Es sind alles irgendwie unsere Babys. An den Songs, die mehr Tiefgang haben, hängt man vielleicht länger dran. Wenn man sich genau überlegt hat, wie man die Worte wählt, das macht ja auch mehr Arbeit und man denkt, dass man mit diesen Songs mehr bewegen kann. Bei einem Lied wie "Schenk Mir Heut Nacht" ist mir der Text zum Beispiel nicht so wichtig.

Squealer.net: "Alles Babys". Wenn du ein bisschen in die Vergangenheit zurückblickst, gibt's da Sachen, die du nicht mehr als "dein Baby" bezeichnen würdest?

Fuchs: Es ist so, wie ich es gesagt habe. Du machst eine Art Zeitreise oder beschreibst einen Abschnitt im Leben wie in einem Tagebuch. Die Songs stehen natürlich für ganz bestimmte Geschichten. Klar gibt es aus Songs, wo du denkst, "das hätte man besser machen können". Bei mir ist das Gefühl, das mich mit dem Stück verbindet, von primärer Bedeutung.

Squealer.net: Für die Zeit, in der es entstanden ist, war es das richtige.

Fuchs: Genau!

Squealer.net: Wenn du jetzt hier so sitzt: Hättest du je gedacht, dass die Apokalyptischen Reiter mal Erfolg haben werden?

Fuchs: Ich glaube, das weiß man nie. Man hofft es inständig. Und wenn man dann mal die Grundlage hat. Ja. Wobei, das Komische ist, obwohl wir mittlerweile von der Musik leben können, fühlt man sich immer noch so, als würde man am Anfang stehen. Wenn ich wirklich darüber nachdenke, dass zehn Jahre bereits um sind, dann frage ich mich: Wo sind denn diese zehn Jahre hin? Wir haben doch gerade erst angefangen.

Squealer.net: Der Stil der Reiter ist ja ein ganz spezieller. Man hört sich eine Platte von euch an und weiß, dass ihr es seid. Lauft ihr dabei nicht irgendwann Gefahr, dass eines Tages alles gesagt ist?

Fuchs: Das weiß ich nicht. Ich meine, viele Leute haben zehn Jahre gebraucht, um überhaupt zu kapieren, was wir machen. Und jetzt machen wir eine weitere Platte und es soll plötzlich ausgelutscht sein? Komisch.

Squealer.net: Und wenn du den Gedanken ein bisschen weiter in die Zukunft spinnst?

Fuchs: Ich sag mal so: Ich habe noch genug verrückte Ideen im Kopf. Wenn einem die Ideen ausgehen, dann muss man losziehen und sich die Ideen irgendwie holen und die Inspiration suchen.

Squealer.net: Ihr seid jetzt auf eurer Headliner-Tour durch unsere Herrenländer. Was kannst du als bisheriges Fazit für die erste Woche ziehen?

Fuchs: Als Fazit... super... die Reaktionen sind wahnsinnig. Sie sind überschwänglich bis euphorisch. Das geht mit dem ersten Ton los... Solche Reaktionen hatten wir noch nie.

Squealer.net: Eine eurer Vorbands: Týr von den Färöer-Inseln. So unbedingt passt deren Musik nicht zu der der Reiter. Was hältst du selbst davon?

Fuchs: Týr... Tür... The Doors... Ich finde, dass es eine verdammt gute Band ist. Ich schaue sie mir eigentlich fast jeden Abend an. Die Musik ist manchmal ziemlich vertrackt und anderes mal auch sehr eingängig und mit schönen Melodien versehen. Und wenn man sie kennen lernt und etwas über die Lebensumstände in Erfahrung bringt, versteht man das auch besser. Die sind sehr, sehr abgeschnitten da...

Squealer.net: Euer heutiges Set wie viel neues Material wird es für die Fans in Karlsruhe geben? Wie sieht es mit Variationen aus und spielt ihr einen meiner Faves vom neuen Album, "Der Adler"?

Fuchs: Wir spielen sehr viel Neues. Unser Fokus liegt definitiv auf der neuen Platte. "Der Adler" werden wir gerade heute nicht spielen. Ich denke, dass wir ihn im Laufe der Tour irgendwann spielen werden.

Squealer.net: Viele Day-Offs gibt's auf euerer Tournee ja nicht. Soweit ich weiß sind es zwei Stück. Helfen diese, um die Batterien wieder neu aufzuladen oder kann man da kaum entspannen?

Fuchs: Mittlerweile sind es drei Day-Offs, da eine Show gecancelt wurde. Aber sie helfen schon, damit man ein bisschen relaxen und jeder seine eigenen Wege gehen kann. Am Steinhuder Meer bei Bochum waren wir zum Beispiel. Nein, nicht bei Bochum. Wo war das?

Pitrone: Bei Hannover?

Fuchs: Ja, genau. Dem größten Flachsee Niedersachsens. Der See ist nie tiefer als drei Meter. Das war richtig cool. Alle sitzen am Strand beim Baden und dann werden die Akustikklampfen geschwungen. Das hat Spaß gemacht.

Squealer.net: Auf das in letzter Zeit oft diskutierte Thema der Voice-Over Promos muss ich auch noch zu sprechen kommen. Generell bin ich nicht der, der sagt: "Pah, das stelle ich nicht vor!" Nur bei euch fand ich das Ganze schon ziemlich heftig. Euere Voice-Overs haben, ich denke, jeden Rezensenten beim Anhören der CD genervt.

Fuchs: Das sollten sie auch. Für den Journalisten ist es natürlich schwer, sich eine Meinung darüber zu bilden, weil er emotional immer rausgerissen wird - das verstehe ich. Andererseits: Die Promo war kaum draußen, stand sie schon im Netz. Und gerade deshalb sind wir in die Charts gekommen. Die Leute haben sich das Zeugs runtergeladen, konnten sich ein Bild machen, aber konnten es nicht genießen. Und ansonsten: Ich muss davon leben. Nur weil sich einige Journalisten angekotzt fühlen und meinen, sie müssen drei Punkte weniger vergeben... da scheiß ich drauf. Im Endeffekt kauft sich die Platte der Fan und nicht der Journalist und wenn das einer boykottieren will, dann scheiß ich eben drauf. Es gibt mittlerweile Bands wie System of a Down, die stellen gar keine Promos mehr. Das läuft alles über Werbung und das Teil kommt dann in die Läden. Das sind größtenteils die "großen" Bands. Ich habe keine Ahnung, wie wir das in Zukunft handhaben werden, aber ich denke, dass es, so wie wir es gemacht haben, gut war.

Squealer.net: Insgesamt geht die Tour 3,5 Wochen. Was ist danach geplant. Veröffentlichungen? Festivals?

Fuchs: Das geht jetzt gerade los. Ein paar kleinere Sachen sind in der Planung. Nach der Tour heißt es erst einmal Urlaub und danach geht es weiter mit einer kleineren Tour. Innerhalb der Band reden wir gerade darüber, ob wir eine DVD herausbringen sollen. Das soll so eine Art "History" werden und dazu könnte sie die Show in Wacken beinhalten. Oder wir lassen eine weitere Show in einem schönen Club mit wenig Eintritt mitfilmen. Mal schauen.

Squealer.net: Das Thema: Der Metal und seine Szene. Ist er wirklich so, wie viele ihn nach außen hin verkörpern? Deine Meinung?

Fuchs: Ich denke schon, dass der Metal gut funktioniert. Wenn ich einen Vergleich zur Hip Hop Szene ziehe, wo jeder der Größte ist oder sein will, dann ist das in der Metalszene nicht ganz so und wird auch nicht ernst genommen. Metal ist eine unpolitische Sache, es tummeln sich viele Menschen aus aller Couleur darunter und trotzdem wird es toleriert. Metal ist einerseits sehr tolerant, aber andererseits überhaupt nicht tolerant. Wenn man in einer Black Metal Band spielt, muss man eben total "true" sein, sonst wird man nicht akzeptiert. Genauso ist das mit allen anderen Spielarten. Der Death Metaller kann den Black Metaller nicht leiden und umgedreht... für mich ist das alles Quatsch.

Squealer.net: Ihr schlägt sozusagen die Brücke mit den Apokalyptischen Reitern.

Fuchs: Ja, genau. Aber ansonsten denke ich, dass die Szene gesund ist und gut funktioniert.

Squealer.net: Gut, dann bedanke ich mich für das Interview.

Fuchs: Ebenfalls.


DISCOGRAPHY:

1996 – Firestorm (Demo)
1997 – Soft & Stronger
1998 – Dschinghis Khan (EP)
1999 – Allegro Barbaro
2000 – All You Need Is Love
2003 – Have A Nice Trip
2004 – Samurai
2006 – Friede Sei Mit Dir (EP+DVD)
2006 – Riders On The Storm

SQUEALER-ROCKS Links:

Die Apokalyptischen Reiter - Riders On The Storm (CD-Review)
Die Apokalyptischen Reiter - Karlsruhe, Substage (Live-Review)
Fuchs von Die Apokalyptischen Reiter (Interview)


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