Die Apokalyptischen Reiter und Týr (15.09.2006, Karlsruhe, Substage, Jack)
Mit ihrem neuen Album, RIDERS ON THE STORM, sind die Apokalyptischen Reiter so hoch wie nie zuvor in den deutschen Charts eingestiegen. Da musste man nur eins und eins zusammen zählen und konnte davon ausgehen, dass die gut dreiwöchige Tournee durch den deutschsprachigen Raum zu einem ebenso überwältigendem Siegeszug werden würde. SQUEALER.net war im Substage zu Karlsruhe und überzeugte sich selbst.
Müllsäcke, Handtücher, ein Einschussloch im Kopf, ein Best of aller deutschsprachigen Bands (von Böhse Onkelz bis hin zu Rammstein) und eine Brise Hardcore, das sind Hämatom. Nicht zu vergessen: Der „Bi-ba-bu-tze-Mann“, den sie bei jedem ihrer Konzerte spielen müssen. Um ganz ehrlich zu sein: Das braucht kein Mensch und deshalb braucht’s auch keine weiteren Worte über diese Geschmacklosigkeit.
Mittlerweile gibt es, was den Metal betrifft, nicht mehr allzu viele der sogenannten „Exoten-Staaten“. Bands von den Färöer-Inseln, der abgeschnittenen, politisch zu Dänemark gehörenden Inselgruppe zwischen Island und Großbritannien, dürften hierzulande bisweilen noch solch einen Status genießen. Mit Týr macht sich jedoch ein Vertreter auf, um in Resteuropa von sich Reden zu machen. Und wie! Lange wird es nicht mehr dauern, bis sich der mehrstimmige folklore Heavy Metal, welcher zwischen Eingängigkeit, technischer Finesse und Vertracktheit wandert, zu den ersten Headliner-Tourneen aufmacht. Herrschte bei den Eröffnungsklängen des schönen „Regin Smiður“ noch Skepsis innerhalb der Reitergemeinde, so verfliegt diese von Stück zu Stück und der sympathische im Kettenhemd gekleidete Heri Joensen und seine drei Mitstreiter, die weder Geigen noch Keyboards zu Rate ziehen, können viele neue Fans begrüßen. Mit dem atmosphärischen „Dreams“ und der Eigeninterpretation des wohl bekanntesten irischen Liedes, „The Wild Rover“ (ja ja, die „Nordseeküste“), stellt der „schüchterne“ Vierer sein, über Napalm Records wiederveröffentlichtes, Werk ERIC THE RED vor, ehe man mit dem gottgleichen und mitreißenden Instrumental „The Beginning“, dem knackigen „Lord Of Lies“ und dem kriegerischen „Ragnarok“ drei Songs des für den 22. September erwarteten Albums RAGNAROK präsentiert, die alle Stärken dieser einmaligen Band beinhalten. Viking Metal gibt’s auf dem skandinavischen Festland zu genüge. Viking Metal mit richtigen, perfekt vorgetragenen Gesängen blieb einem bislang verwehrt. Thor sei Dank füllen Týr diese Lücke. Da posiert man in bester Kriegermanier und singt ein Loblied auf den Hammer („Hail To The Hammer“) und wünscht sich nach dem finalen, in dänischer Sprache vorgetragenen „Ramund Hin Unge“ gerne noch die eine oder andere Nummer mehr. Týr, das sind die absoluten Gewinner dieser Tournee. Das steht bereits nach einer Woche fest. Die hallenden Zugaberufe und Beifallsbekundungen geben ihnen recht! Bravo!!! Wenn man überhaupt irgendetwas zu kritisieren sucht, ist es allerhöchstens der Sound, der zwar sehr gut abgestimmt ist, jedoch ein bisschen zu leise aus den Boxen ertönt.
Setliste (Týr):
Regin Smiður
Dreams
The Wild Rover
The Beginning
Lord Of Lies
Hail To The Hammer
Ragnarok
Ramund Hin Unge
Fuchs, Dr. Pest, Pitrone, Volk-Man und Sir G. können seit geraumer Zeit auf ihr immer größer werdendes Reitervolk zählen. Und so wird der etwa 90-minütige Auftritt der Thüringer nicht nur vom klassischen Intro, sondern auch von lautstarken „Reiter, Reiter“-Rufen und Klatschorgien eingeleitet. Die Apokalyptischen Reiter um ihre Frontsau Fuchs, der wie ein Wiesel die Bühne abrennt und wie ein Känguru rumhüpft und sich dabei fast die Glatze an der tiefen Substage-Decke aufschlägt, lassen sich nicht lumpen und starten mit ihren beiden neuen Smashern „Friede Sei Mit Dir“ und „Riders On The Storm“ wie es sich gehört, phänomenal! Wie üblich sitzt der Doktor an den Keyboards in seinem Käfig, in dem er im Laufe des Gigs zwei Gespielinnen aus dem Publikum fesselt, was ihm den Neid seines Sängers einbringt: „Ich weiß nicht, was er richtig macht!“ Richtig machen die Reiter eigentlich alles: Der Sound knallt, die Jungs versetzen das Rund vor der Bühne mit Klassikern der Marke „Barmherzigkeit“ oder „Sehnsucht“ weiter in Ekstase und streuen immer wieder einen ihrer Quantensprünge des RIDERS ON THE STORM Albums, dem ohne Zweifel bisher besten der Karriere, wie das stimmige „Revolution“, „Soldaten Dieser Erde“, das stürmische „Wenn Ich Träume“, das sphärische „Mmmh“ oder den bewegenden „Seemann“ ein. Wer hier still auf seinem Fleck steht, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Bei dieser Fülle an nach vorne peitschenden Songs und dem tobenden Mob muss so manch einer bereits vor dem Grande Finale kapitulieren. Dieses leitet standesgemäß das allseits bekannte „Ghostrider In The Sky“ ein, bei dem man noch mal an die Grenzen seiner Stimmbänder und Kondition geht. Mit dem durchweg Vollgas gebenden „Instinkt“ (Black Metal in der Reitermanier) wird dann schließlich kurz vor Mitternacht das letzte bisschen Gehirn weggebangt, so dass einem „Dschinghis Khan“ den finalen Kopfschuss verpassen kann. Es gibt viele Bands, die über tolle Songs verfügen... nur die Reiter wissen wie man sie live perfekt und mit einer überragenden Show umsetzt. „I see the riders coming!“...
Fazit: Waren es bei der SAMURAI-Tour die finnischen Humppa-Metaller Turisas, so sind es auf der RIDERS ON THE STORM-Tour die Insulaner von Týr, die sich ein Kopf an Kopf Rennen mit den Reitern liefern. Wer das bessere Ende für sich hat, ist schwer zu sagen. Auf jeden Fall können wir festhalten, dass Týr selbst mit ihren komplexen Songstrukturen das Publikum erreichen und dass sich die Apokalyptischen Reiter, kaum zu glauben, aber wahr, alle Jahre erneut toppen. Wo soll das noch alles hinführen? Ich sattle schon einmal mein Pferd...
The Reaper: Die Reiter bewiesen eindrucksvoll, dass man sie sicherlich zu den ganz großen Bands in der deutschen Musiklandschaft zählen kann und so werden sie in vollem Galopp auch weiter die Spitze stürmen. Týr hingegen setzten ihre Segel, um die Tür nach Kontinentaleuropa weit aufzustoßen. Sympathisch waren Heri, Kári, Terij und Gunnar von der ersten Minute an und mit ihrer einzigartigen Musikmischung, die wohl kaum Vergleiche mit anderen Bands zulässt, sollten sie die anstehenden Schlachten für sich entscheiden können – Týr sei mit ihnen.
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