Michi-Q-Quandt von Nuaura

(07.11.2010, Interview geführt von Tina)

Die norddeutsche Fraktion NUAURA erschafft ihre eigene Vision von Rockmusik. Das Thema kratzte mich natürlich und nachdem mich zusätzlich das Debütalbum der Band wirklich begeistert hat, haben sich virtuell die Wege gekreuzt. Der Mann aus der Schießbude, Michi-Q-Quandt, stand meinen Fragen gerne und gut gelaunt Rede und Antwort. Wie schon einige andere, so ist auch dieses ein sehr spannendes Gespräch über die große, weite Musikwelt allgemein und speziell über die Welt der Band NUAURA.


Squealer-Rocks.de: Hi Michi! Da ich ja weiß, dass du grade auf dem Weg zum Konzert von Alter Bridge bist: Danke dir, dass du dir die Zeit für uns nimmst. Viel Spaß und trink bitte ein Bier für mich mit!

Michi: Gerne, wir freuen uns ja auch über das Interview. Den Spaß werde ich haben und ein Bier trink ich gern für dich mit!

Squealer-Rocks.de: Zu dir bzw. zu euch: Euer Debütalbum. Ihr habt meine Kritik gelesen? Es gab ja insgesamt extrem wenig negative Stimmen. Aber die, die negativ waren, haben ja direkt in die Vollen gegriffen, was mich etwas erschreckt hat.

Michi: Ach ja gut, Musik ist und bleibt ja durchaus eine sehr subjektive Geschichte. Es geht ja viel über den persönlichen Geschmack und wenn jemand einen bestimmten Aufhänger hat, der einen stört, dann kann das eben auch mal nach hinten losgehen. Aber ich finde, durch die Bank sind die Kritiken, die negativ behaftet waren, auch durchaus berechtigt. Wir gehen da sehr konstruktiv mit um. Es ist wichtig, dass man feedback bekommt. Ich lese selber genügend Magazine, und ich finde nichts schlimmer, als wenn über Seiten ein Album bzw. die Bands und die einzelnen Tracks lamentiert wird und nichts über die Entwicklung berichtet wird. Also im Grunde genommen alles nur in die Tonne gezogen wird und verglichen wird, was ist gut, was ist schlecht, aber die Substanz völlig außen vor gelassen wird.

Squealer-Rocks.de: Bin ich völlig bei dir. Ich brauche als Schreiberling ja auch eine Art von Story. Wie früher in Aufsätzen: Einleitung – Hauptteil – Schluss. Ich für meinen Teil will wissen, mit wem ich es zu tun habe. Was ich sehr interessant fand war, dass ihr gesagt habt: Wir haben unsere eigene Vision von moderner Rockmusik. Finde ich ziemlich intelligent und genau darüber sollten sich einige Leute durchaus mal Gedanken machen. Es hat eine Menge für sich, dass ihr als Band sagt, hey, wir haben einfach keinen Bock auf die durchgelatschten Wege, die jeder entlang trampelt. Alternative Rock macht ja heutzutage fast jede Band im Mainstream…

Michi: … und genau das ist der Punkt: Wir kommen alle aus total unterschiedlichen Richtungen. Garvin, unser Basser, ist z. B. ein absoluter Black Metal Fan und hat auch professionelle Erfahrungen in einer Black Metal Band gesammelt (Anm. d. R.: Mephistopheles). Hauke, unser Gitarrist, kommt auch eher aus der härteren Metal-Schiene. Ich bin eher der Stoner und Grunger, Generation Nirvana, Foo Fighters, Soundgarden, Alice In Chains, diese ganzen Bands. Tim kommt dann eher aus dem klassischen Rock und Metal, also Alter Bridge, klar, aber auch Machine Head, Megadeth, Metallica, und hat daraus eben viele Einflüsse. Und Lars hat eben die warme Stimme, die alles zusammenhält und zusammenfügt. Für uns haben wir immer gesagt, wir machen Grunge Metal. Das fand ich aber ganz übel. Und deswegen haben wir uns überlegt, wie wir das definieren. Also wie wir uns definieren, damit Leute vielleicht neugierig werden. Ich meine, was ist Alternative Rock? Das wird ja wirklich mehr als genug ausgeschlachtet. Wir sagen: Wir machen alternativen Rock oder Modern Rock oder eben ganz stumpf: Ami Rock. Alice In Chains, Nirvana und Kyuss, das sind so die Dinge, wo ich eben auch vom drumming herkomme. Sehr präzise, straight und auf den Punkt. Ich bin auch kein Metal-Drummer in dem Sinne. Und wenn du alles Vorgenannte zusammenlegst, dann hast du unseren Stil!

Squealer-Rocks.de: Euer ganzes Zusammenspiel empfinde ich als authentisch und individuell, jeder hat Gelegenheit, seine Schokoladenseite zu zeigen.

Michi: Ich denke, das ist der Kern oder besser, das Grundlegende an Musik. Wo wir jammen, Ideen sammeln, drüber reden und die Parts dann natürlich auch aneinander fügen. Den Moment nehmen wir dann und schauen gemeinsam, wo man was verbessern kann. So kann man jedem seinen Atemzug lassen. Dass es nicht überladen wird. Ein bisschen Grundverständnis von Blues oder auch Popmusik: Eine Basis, ein Rhythmus, eine Grundlage, ein Fundament und an bestimmten Stellen eben das I-Tüpfelchen zu setzen – genau dort, wo es eben passt. Und nicht von A-Z einfach durchzuballern und nicht, um dem Hörer zu zeigen, hier sind z. B. fünf supergeile Typen, die alles zeigen wollen, was geht auf 45 Minuten. DAS eben grade nicht.

Squealer-Rocks.de: Wäre auch mit größter Vorsicht zu genießen, will ich meinen. Leider habe ich schon Konzerte erlebt, wo sich jeder selber produziert und dabei das eigentliche total aus den Augen verliert.

Michi: Ist doch der Klassiker: Auf die Plätze – fertig – los. Der Song hat 4:30 Minuten und auf den Punkt ist es fertig. Und jeder gibt alles, ohne Rücksicht auf Verluste. So spielt man nicht miteinander, sondern nebeneinander her. Das ist nicht das, was wir machen und wollen. Deswegen ist es Unterschied, wenn eben das Ding im Studio produziert wird, wo alle Facetten der modernen Technik ausgenutzt werden können. Live ist es immer noch was anders. Da merkst du bei uns, dass es eben handgemachte Musik ist, die definitiv nicht am Reißbrett entstanden ist.

Squealer-Rocks.de: Das Gefühl hatte ich bei eurem Album überhaupt nicht! Da hab ich leider andere Kandidaten, die dermaßen überfrachtet produziert sind, dass die Musik tatsächlich vom Reißbrett ohne Ecken und Kanten zu sein scheint. Bei euch hingegen kommt die Überzeugungstäterschaft echt gut rüber.

Michi: Schon völlig richtig. Der Trend geht ja auch wieder ein bisschen zum Garagenrock. Es gibt ja ein paar Verrückte, die sagen, wir gehen zurück und versuchen, alles live reinzuballern. Wobei das ein Haufen Arbeit ist und unfassbare Disziplin erfordert. Ich denke, dass auf diese Art und Weise genau so ein Effekt entstehen kann. Wenn man sagt, man hat nicht unendlich viel Studiozeit, die ja auch Geld kostet, man kann ja nicht mal eben 20 Takes aufnehmen, und reduziert das dann auf das Wesentliche und die kleinen Raffinessen bleiben auf der Strecke. Das Eine ist genauso gefährlich wie das Andere.

Daher muss man schon in erster Linie sein Ding durchziehen und darauf vertrauen, dass man den richtigen Weg gefunden hat.

Squealer-Rocks.de: Stimmt auffallend. Mich interessiert, was ihr tut und zu sagen habt.

Michi: Find ich gut! Wir sind ja keine Rockstars durch und durch und betreiben dass ja auch nicht so, wie es für andere vielleicht üblich ist. Also alles aufgeben, nur noch Musik machen und rumtingeln. Wir haben eben den Luxus, dass wir alle berufstätig sind. Garvin ist grade mit seinem Studium fertig, ein anderer studiert noch. Wir planen anders. Natürlich ist die Band ganz vorne, aber wir müssen eben Touren anders planen, im Urlaub oder an den Wochenenden zu spielen, auf der anderen Seite aber den Vorteil haben, dass wir unabhängig sind.

Squealer-Rocks.de: Heißt, euer Lebensmittelpunkt ist nicht nur die Musik, sondern euer regulärer Broterwerb, also euer Leben mit dem ganzen Drumherum?

Michi: Ja. Du musst das aber auch so sehen: Durch diesen Broterwerb haben wir eben die Möglichkeit, so ein Album produzieren zu können. Dafür geht man eben arbeiten, dafür hockt man jedes Wochenende im Proberaum und sammelt die Ideen.

Squealer-Rocks.de: Ist das eure Vision der modernen Rockmusik, mal unabhängig von der musikalischen Umsetzung?

Michi: Die Problematik ist ja bekannt und die Frage ist ja, was ist Kunst, was ist Musik, wie willst du damit Geld verdienen. Ich hör schon ewig lange Musik und habe damals mitbekommen, wie die Bands in den 80er und 90er Jahren Millionen gescheffelt haben. Die Zeiten haben sich durch das Internet radikal geändert. Willst du die Leute unterhalten, also ist es für dich wirklich Kunst oder ist es für dich ein Job, als wenn du morgens deine Brötchen backst, die im Laden verkaufst um Geld damit zu verdienen? Natürlich will man das irgendwo honoriert haben. Nur was ist eine Honorierung? Hab ich 500.000 Alben verkauft und steh in den Charts und mach Musik, die ich selber vielleicht auch nicht mehr selber bestimmen da Labels bzw. Plattenfirmenbestimmte Dinge fordern oder habe ich eben eine Fanbase , die mir treu bleibt, über Jahre und viele Alben, wo ich nicht in 2 Jahren vergessen bin? Verdiene zwar nicht so viel Geld, sehe das dann aber eher unter dem künstlerischen Aspekt?

Squealer-Rocks.de: Wobei ich durchaus noch versuche zu differenzieren, zwischen Leuten wie euch, die ein normales Leben führen und denen, die nie etwas anders außer Musik gemacht oder gelernt haben. Denen einfach nichts anderes übrig bleibt und auf die Musik angewiesen sind?

Michi: Ich kenne Leute, die eine Ausbildung gemacht haben und sich danach irgendeiner Akademie eingeschrieben haben, einen Haufen Geld für nebenberufliche Studien gelassen haben und jetzt fünfmal die Woche mit einer Coverband durch dubiose Clubs tingeln. Wo sie spielen müssen, vor Publikum, was sie nicht mögen und es machen, um eben ihr Geld zu verdienen. Genau wie du sagst. Und damit sind die Leute auch unzufrieden. Weil sie sich nie wirklich selbst verwirklichen können. Wir haben unsere Mukke, haben da Bock drauf und vor allem Riesenspaß dran. Als fünf Freunde, wir kennen uns ja schon deutlich länger, als es uns gibt. Sessions gab es schon früher in anderen Besetzungen. Dann haben wir uns zu Nuaura entschieden, bringen das Baby jetzt ins Rollen und gucken mal, was dabei rumkommt.

Squealer-Rocks.de: Ist es für euch wichtig, nicht die Bodenhaftung verlieren?

Michi: Ja. Das versuchen wir, auch auf der Bühne rüberzubringen. Merkt man vielleicht auch manchmal daran, wenn ein Stück auch mal 1 ½ Mal so schnell gespielt wird, weil wir aufgeregt sind. Da ist nichts eingependelt oder einstudiert. So passieren Sachen, wie beispielsweise während eines Konzertes, als Lars auf der Bühne rumrannte, sich die Seele aus dem Leib shoutete und beim rumrennen Tim auf das Clean Pedal gelatscht ist. Bis Tim das merkte, was das Stück schon fast durch *lacht*

Dann passiert neben der ‚normalen‘ Show auch mal was! So soll das nach Möglichkeit in jeglicher Hinsicht sein. Wir haben diese Songs geschrieben. Viele Ideen sind auch während des abmischen oder nach drum-recording entstanden. „Trust“ haben Tim und ich komplett akustisch während rumklimpern und rumtrommeln im Studio geschrieben.

Squealer-Rocks.de: Macht ihr das alles zusammen, Songwriting, Kompositionen, und so weiter?

Michi: Teils-teils, wie es grade passt. Wir kommen ja alle aus verschiedenen Himmelsrichtungen, dazu kommt noch das erwähnte Leben nebenher. Geprobt wird dann mal zu dritt oder zu viert, kommt auch immer auf die Zeit, die jeder von uns hat, an. Neue Medien werden dem entsprechend auch viel genutzt, völlig frei ohne Zwang, da kann jeder zugreifen. Gemeinsam wird dann 6-7 Stunden geprobt, wir feiern das dann für uns.

Squealer-Rocks.de: Motivatoren gibt es viele - bei euch eben weil ihr gerne tut, was ihr tut?

Michi: Wir haben richtig Bock drauf. Manchmal machen wir auch Akustiksessions. Wir lieben Musik! Es ist so, dass wir uns am Telefon auch austauschen, wenn einer von uns unterwegs ist – aufgeregt wie kleine Kinder, wenn jemand was Neues geschickt hat. Das macht einfach totalen Spaß, sich darüber auszutauschen und stundenlang drüber zu diskutieren. Man freut sich einfach drüber. Vielleicht ist das, neben dem beruflichen Leben, der Schalter, den man umlegt und sich total fallen lassen kann in dem Wissen, dass dort jemand ist, der dich garantiert auffängt und der weiß, warum.

Das ist das, was die Band auch letztlich ausmacht, da kann kommen was will. Wenn jetzt jemand sagen würde, es geht so nicht mehr, dann müssen wir uns zusammensetzen und drüber reden. Da sind wir auf jeden Fall dabei. Meine erste Frage ist nicht das Geld, auch wenn sich leider viel darum dreht, da alles vernünftig geregelt sein muss. Einen Großteil haben wir wirklich aus eigener Tasche finanziert.

Squealer-Rocks.de: Finde ich gut, wirklich Respekt. Zum Thema Release-Party: Ist was geplant?

Michi: Am 20.11 spielen wir in Bremervörde in einer alteingesessenen Kneipe, in der ich als Jugendlicher schon war. Das ist mehr oder weniger der inoffizielle Release, gemeinsam mit einer anderen Band. Am 03.12 spielen wir in Berlin und versuchen, im nächsten Jahr alles nachzuholen, was wir dieses Jahr nicht geschafft haben. Es wird auf jeden Fall Konzerte geben!

Squealer-Rocks.de: Berühmte letzte Worte?

Michi: Von mir? Oh je… die fehlen mir grade, gibt’s nicht! Was ich jedem mit auf dem Weg geben würde ist, sich selber treu zu bleiben. Alles andere ist Fassade und Maske!

Squealer-Rocks.de: Ich danke dir für deine Zeit und freu mich drauf, ganz bald wieder von euch zu h ören!

Photos: Copyright by Maria Oldenburg – vielen Dank dafür!


DISCOGRAPHY:

2010 – Bleeding

SQUEALER-ROCKS Links:

Nuaura - Bleeding (CD-Review)
Michi-Q-Quandt von Nuaura (Interview)


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