Andreas Libera von Spirit Descent

(30.09.2010, Interview geführt von Reaper)

Mit "Doominion" veröffentlichten Spirit Descent vor Kurzem ihr Debütalbum und legten gleichzeitig eine hervorragende Doom Metal Scheibe hin - hervorragend nicht, weil sie sich selbst in den Vordergrund drängen würde, sondern weil sie schlicht und ergreifend ist.
Grund genug Bandchef Andreas Libera auf die virtuelle Squealer-Rocks Couch einzuladen und ein wenig über nichts Geringeres als das Schicksal der Menschheit zu plaudern.
Macht es euch bequem und lehnt euch zurück.


Squealer-Rocks.de: Hallo Andreas, ich muss sagen, euer Debütalbum "Doominion" gehört mit zu den besten Scheiben, die ich dieses Jahr gehört habe. Gewissermaßen spiegelt sich das, was das Album aus meiner Sicht auszeichnet, bereits im kurzen, prägnanten, aber doch ungemein tiefgründigen Titel wieder. Woher stammt die Idee für die "Herrschaft des Schicksals"?

Andreas Libera: Erstmal vielen Dank für Deine lobenden Worte und für die Möglichkeit eines Interviews, freue mich sehr darüber, vor allem, weil Deine Fragen ziemlich gelungen sind, ich mag es, wenn auch mal neue Aspekte aufgegriffen werden und nicht immer das übliche "Wer ? Wann ? Warum ?"-Schema.
Nicht, dass ich mich beklagen könnte, alle bisher gegebenen Interviews waren eher ungewöhnlich und erfrischend, Deine Fragen werden das Bild perfekt komplettieren!
Habe, bevor ich auf unseren Plattentitel eingehe, noch ein paar Anmerkungen:
Unsere Scheibe ist ja nun ein paar Tage auf dem Markt (17.09. war Release) und ein paar Gestalten hatten nichts besseres zu tun, als unsere Songs über einschlägig bekannte Plattformen zum Download bereitzustellen, den Herrschaften, die augenscheinlich aus dem osteuropäischen Raum stammen, möchte ich nur eines mit auf den Weg geben:
Ihr seid Abschaum, wir jagen Euch, kriegen Euch, foltern und töten Euch, die spanische Inquisition war der reinste Kindergarten gegen das, was Euch blüht, Message angekommen? Den Downloadern möchte ich nur sagen, indem Ihr Musik aus dem Netz saugt, macht Ihr Euch mitschuldig am Untergang der Musikkultur, ich hoffe, dass Eure PCs von Viren lahmgelegt werden, Ihr hättet es verdient..... SO, das musste mal gesagt werden!


Doch zurück zum Thema:
Es ist sehr interessant, dass Du den tieferen Sinn auf Anhieb richtig erkannt hast, hat nicht jeder, unser Coverdesigner Patrick (an dieser Stelle würde ich mich gerne Mal für seine hervorragende Arbeit bedanken, vor allem, weil er bisher auch immer unerwähnt geblieben ist) hat die Begrifflichkeit des Wortspiels "Doominion" ja auch dementsprechend umgesetzt, eine Hand als Symbol für das Schicksals umfasst die Welt, da die Menschheit seit einigen Jahrhunderten fleißig dabei ist, alle Ressourcen der Erde zu schröpfen, die Welt also buchstäblich ausquetscht und damit der Verdammnis preisgibt, ist dieses Motiv sehr gut gewählt. Unsere Songs handeln zudem alle von menschlichen Emotionen, die entweder Zerstörung zur Folge haben oder durch selbige verursacht werden, sei es nun Gier, Hass, Verzweiflung. Es gibt aber auch sehr hoffnungsvolle Momente, da nach einer tiefen Nacht immer wieder ein neuer Morgen folgt.
Der Titel an sich hat sich schon vor Jahren in meinem Kopf festgesetzt, eigentlich hätte ich damals gerne eine Scheibe oder zumindest einen Song meiner ehemaligen Band Cold Embrace so tituliert...
Eine etwas "banalere" Erklärung gibt es aber auch:
Als großer Star Trek-Fan ist mir das "Dominion" natürlich ein Begriff, man kann also durchaus sagen, dass sich im Plattentitel auch eine kleine Huldigung dieser visionären Science-Fiction-Serie verbirgt.

Squealer-Rocks.de: Die klassische Science-Fiction wird gerne als Ideen-Literatur bezeichnet. Würdest du euer Debüt als die Essenz einer solchen Idee sehen? Oder ist es doch vielmehr ein Drama, in welchem wir uns, vom Schicksal geführt, wiederfinden?

Andreas Libera: Wie ich ja in der vorangegangenen Frage schon angedeutet hatte, trifft durchaus beides zu. Nun ist es weniger die klassische Literatur, sondern eher die audiovisuelle Umsetzung der literarischen Visionen, die durchaus als Inspirationsquelle gedient haben, andererseits hätten wir das allmächtige Schicksals, welches wir allerdings trotz eines gewissen Determinismus immer noch selber "in der Hand" haben. Letzten Endes führte jedoch auch mein persönliches Schicksal zur Entstehung des Albums, es gab einige Ereignisse der Vergangenheit, die bewältigt werden mussten, mit denen ich mich einfach auseinandersetzen musste und Jan (unserem Sänger) ging es ähnlich, wie man ja auch an seinen Texten erkennen kann."Doominion" ist auf der einen Seite der Abschluss eines Kapitels, zugleich jedoch ein Neuanfang. Wohin unser Weg führt, wird man sehen, ich hege einen fast "undoomigen" Grundoptimismus, da ich denke, dass uns eine großartige Zeit bevorstehen kann.

Squealer-Rocks.de: Was muss man angesichts dessen als Hörer mitbringen, will man "Doominion" in seiner ganzen melancholischen Schönheit begreifen?

Andreas Libera: Du machst mich ganz verlegen... (grinst) Im Ernst, man sollte sich zuerst einmal auf die Musik und vor allem die Texte einlassen können. Wir sind definitiv keine "Fun"-Band, deren Themenkreis sich auf das Verarbeitung des gestrigen Alkoholkonsums beschränkt, wer nicht in der Lage ist, über jenen Tellerrand hinauszuschauen und nur auf der Suche nach kurzweiliger Unterhaltung ist, bzw. zwar über einen scharfen logischen Verstand aber leider über mangelndes musikalisches und lyrisches Einfühlungsvermögen verfügt, sollte um uns auch lieber einen Bogen machen und statt dessen eine Scheibe kaufen, welche ihm eben dieses bietet. "Doominion" ist kein Hitalbum zum Mitgröhlen, glücklicherweise begreifen das die meisten Genrefans auch. Bei unseren Kollegen von Lamp Of Thoth hieß es mal in einem Song "Doom Metal is no laughing matter" (wir hatten darüber gesprochen und die Jungs und Mädels waren recht begeistert von der Idee, diesen Satz zu verewigen), natürlich liegt auch eine gewisse Ironie in diesem Satz, da wir ja schließlich nicht notwendigerweise immer zum Lachen in den Keller gehen, aber auf der anderen Seite drücken diese Worte auch aus, dass Oberflächlichkeiten und die Suche nach dem Kick nicht gerade die passenden Eigenschaften für jemanden sind, welcher sich intensiv mit einer Doom-Scheibe auseinandersetzen möchte.


Squealer-Rocks.de: Die Resonanz in der Presse scheint nicht nur positiv gewesen zu sein. Beruht dies aus deiner Sicht auf einem Missverständnis der Musik oder eher auf einer falschen Haltung der dargebotenen Kunst, denn als solches kann man Musik im Allgemeinen bezeichnen, gegenüber?

Andreas Libera: Um mal den Gedankengang aus der vorangegangenen Frage wieder aufzugreifen: Die weniger positiven Resonanzen bezogen sich ausschließlich auf meine kompositorische Arbeit, rein technisch gesehen konnten die Leute, die was zu meckern hatten, keine greifbaren Punkte aufführen. Hauptvorwurf: Wir wären viel zu sehr von unseren großen Vorbildern beeinflusst und wären eine Kopie der genannten Kapellen (ich spare mir dieses Mal das übliche "Namedropping", da eh jeder weiß, welche Verdächtigen ich meine).... So ein Quatsch, ganz ehrlich, natürlich benutzen wir die gleichen stilistischen Mittel wie unsere Genrekollegen, das gebe ich offen zu, aber erst einmal kopieren wir nicht 1 zu 1, zweitens haben wir zu keiner Zeit behauptet, wir hätten das Doomrad neu erfunden und wären ja ach so originell und revolutionär, sondern ich erwähne ja oft und gerne, dass ich, was Doom und vor allem Metal im Allgemeinen betrifft, ein "konservativer alter Sack" bin. Ja, es ist so, Metalcore, Emozeugs und dieser ganze moderne, bis zum Erbrechen aufpolierte Schrott geht mir komplett am Allerwertesten vorbei, ich höre mir kaum neuere Metal-Platten an, vor allem, weil viele Produktionen heutzutage so klingen, als hätte ein gewisser Herr Dieter B. seine Finger im Spiel gehabt: Hauptsache massenkompatibel, um noch mehr Platten zu verkaufen...das ist widerlich!
Ja, einige der Herrschaften Reviewer sind bei uns entweder zu analytisch vorgegangen, haben die Texte nicht ordentlich gelesen, haben wahrscheinlich nur das Promoblatt studiert, kurz reingehört und auf Grund dessen ihre "qualifizierte" Meinung abgegeben oder die Scheibe ist einfach beim Falschen gelandet. Ich meine, gib mir eine Hip Hop-Scheibe, damit könnte ich nichts anfangen, würde dann aber lieber gar nichts dazu sagen, als mich aufgrund einer Profilneurose unbedingt krampfhaft äußern zu müssen. Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Ich erwarte keinesfalls nur Lobeshymnen, aber Kritik sollte doch konstruktiv sein und vor allem sollte man von einem Journalisten doch erwarten können, dass er/sie sich doch intensiver mit einem Thema beschäftigen kann und falls aus den eben aufgeführten Punkten jemand einfach keinen Zugang zur Scheibe findet, sollte dieser jemand auch dazu stehen und schreiben "Sorry, da bin ich die falsche Person" und zudem von einer krampfhaft erzwungenen Punktewertung, welche eh nichts aussagt, absehen. Nun ja, in Deutschland leiden wir ja eh alle unter Bewertungszwang und ein althergebrachtes Punktesystem scheint ja nahezu essentiell zu sein (bei Euch nicht, was mir im Übrigen sehr zusagt!).
Ich habe übrigens einige Reviews gesehen, die sehr gut geschrieben waren, bei denen ich auch das Gefühl hatte, dass alles verstanden wurde, letzten Endes war als Zahl aber eine "7" drunter..... wie gesagt, auch beim Lesen einer Rezension sollte man sich auf den Text einlassen und nicht nur auf die Zahl darunter starren. Bei einigen dient diese Zahl ja auch als Motivation für "junge" Bands, weiterzumachen und sich zu steigern, nachvollziehbar, aber wir sind ja nun keine Nachwuchsmusiker mehr... (grinst)


Squealer-Rocks.de: Doom Metal haftet ja zumeist das Vorurteil an, sich mit höchstens 60 Schlägen pro Minute vorwärts zu bewegen, was durchaus auf einige Bands zutreffen mag. Was haltest du von Klischees und Kleinstschubladerei? Wirken sie eher hemmend auf Kreativität oder sind sie ein notwendiges Übel, sich im Dschungel der Vielfalt nicht zu verlaufen?

Andreas Libera: Nein, als "Übel" würde ich diese gewisse konservative Grundhaltung nicht bezeichnen, denn, wie heißt es so schön: "Zu viele Köche verderben den Brei."
Wenn man krampfhaft mit der Vorstellung, unbedingt etwas bahnbrechend Neues erschaffen zu wollen, an die Komposition einer Doom-Scheibe rangeht, wird das meistens nichts. Im Grunde sollte man nur auf die eigenen Emotionen hören... "Kopf aus, Bauch an", nichts ist wichtiger, allerdings möchte ich diese Aussage nicht nur auf die "Doom-Schublade" anwenden, sondern generell auf alle Musik-Sparten. Ich denke, man sollte es einem Song auch anmerken, dass er aus einem Gefühl heraus entstanden ist und nicht per Click and Drop-Verfahren am Reisbrett.
Tempo 60...viel zu schnell.. hehehe.... Im Ernst, ich möchte an dieser Stelle eher den Umkehrschluss verwenden, ein Doom-Song definiert sich nicht ausschließlich über Langsamkeit, sondern es ist wiederum das Gefühl, was entscheidet, es ist ja auch nicht wichtig, WAS Du spielst, sondern WIE Du es spielst. Mein ehemaliger Bankkumpane von Cold Embrace, Michael Hahn, sagte vor über 10 Jahren mal zu mir, dass es nicht die Riffs an sich wären, die ihn dazu bewogen hätten, in die Band einzusteigen, sondern die Art und Weise, wie sie gespielt wurden, ich hatte quasi die Saiten instinktiv im richtigen Moment gedehnt, rein nach Gefühl, nicht aufgrund einer Berechnung.
Es gibt leider einige Scheiben im Metal-Sektor, die einer sehr glattgebügelten, modernen Produktion zum Opfer gefallen sind, das Gefühl wurde dort einfach wegrasiert, wenn eine dieser Scheiben konstant auf Tempo 60 oder darunter laufen würde, es wäre trotzdem noch keine Doom-Scheibe, da Glätte und technische Perfektion im Gegensatz zur erdigen, ursprünglichen Philosophie im Doom stehen.


Squealer-Rocks.de: Beim Hören von "Land Of Tears" setzt sich besonders die Textzeile "If time is a healer, he has forgotten me. […]" im Gedächtnis fest. Sie wirkt wie die Kanalisierung eines großen Schmerzes. Worum geht es, in deinen Worten, in diesem Stück? Und an wen richtet es sich?

Andreas Libera: "Land Of Tears" scheint der Song zu sein, der definitiv am meisten Aufmerksamkeit erregt hat, nun, dieses Stück befand sich ja auch bereits auf unserem Demo "A New Doom Is Rising" und war deshalb einigen auch schon im Vorfeld bekannt. Die Botschaft des Songs wird auch größtenteils richtig verstanden, Jan hat es auf wunderbar melancholische Art und Weise geschafft, eine sehr traurige aber auch mahnende Geschichte zu erzählen, welche sich nahtlos in die Melodien einfügt. Die in der ersten Person erzählte Geschichte handelt von einem Soldaten, welcher mit Orden dekoriert aus einem Krieg zurückgekehrt ist, ein bestimmtes Erlebnis aber nicht vergessen kann. Er hat wie so viele andere "nur Befehle befolgt" und dadurch den Tod eines Kindes verursacht, ein Anblick, welcher sich in seiner Seele festgefressen hat, ein Anblick, der ihn nicht mehr loslässt und ihn immer wieder in das Land der Tränen stürzt. Die Zeit mag zwar alle körperlichen Wunden heilen, ebenfalls so manche seelische, aber in diesem Falle trifft es nicht zu, was Jan mit dem erwähnten Satz auf eindrückliche Art und Weise metaphorisch ausgedrückt hat.
Diese Geschichte ist allerdings keinesfalls wertend oder politisch brisant, deshalb ja auch die Erzählung in der ersten Person, es geht nur um die persönlichen Erlebnisse und Gefühle des Protagonisten. Ich weiß nicht genau, was Jan zu dieser Erzählung inspiriert hat, ich nehme allerdings an, dass er mit offenen Augen die zeitgeschichtlichen Ereignisse beobachtet hat, meiner Ansicht nach ist die Geschichte der Welt, sei es nun die aktuelle oder bereits vergangene, sowieso die beste Quelle für Inspiration und daraus resultierende Erzählungen.


Squealer-Rocks.de: In diesem Zusammenhang fällt mir ein Zitat aus dem Buch "Mordaffäre Molitor" von Rolf Avena ein, die da lautet: "Tränen braucht man nicht zu kaufen."
Es bezieht sich darauf, dass man lieber Elend und Leid in Form eines Filmes oder (im Falle der Geschichte des Buches) Theaterstückes ansieht, anstatt einfach in die Welt hinaus zu blicken und jene dort zu suchen. Was meinst du?


Andreas Libera: Nun, erst einmal muss ich gestehen, dass ich selbiges Buch bisher noch nicht gelesen habe, werte Deine Erwähnung jetzt aber mal als Tipp und werde mein Versäumnis demnächst nachholen. Womit wir auch beim Thema wären, denn sicherlich können auch Bücher, Filme oder Theaterstücke sehr inspirierend wirken, allerdings nur, wenn man in der Lage ist, Verknüpfungen zu ziehen. Wer mit offenen Augen die Welt betrachtet und über eigene Erfahrungen verfügt, muss sich über Inspiration keine Gedanken machen, ein solcher Mensch hat die Emotionen, welche er ausdrücken möchte in seiner Seele verankert, er braucht dafür keine multimediale Beeinflussung, sondern kann aus seinem Inneren schöpfen. Es ist sehr bedauerlich, dass ein Großteil der Menschen nur auf reine Unterhaltung oder Berieselung aus ist, was natürlich dazu führt, dass der Kunst-, Literatur-, Film- und leider auch Musikmarkt mit Oberflächlichkeiten überflutet wird. Die moderne Zeit begünstigt diese Entwicklung auch noch in einem inzwischen sehr beängstigenden Maße. Im Mittelalter wurden die Bauern auf einem niedrigen Bildungsniveau gehalten, damit Staat und Kirche es einfacher hatten, Kontrolle auszuüben, so ist das berühmte "Hokus Pokus" ja nichts weiter als ein falsch verstandenes "Hoc est corpus (Christi)". Heute, wo eine zumindest grundlegend ausgeprägte Allgemeinbildung vorhanden ist, wird man eher mit Reizüberflutung zum Schweigen gebracht. Auch heute ist jemand, der zu viele Ereignisse hinterfragt, nicht sonderlich beliebt in den Kreisen, welche gerne die Kontrolle ausüben. Wenn jemand zum Beispiel von einschlägigen Presseorganen als schuldig eingestuft wird, gilt er automatisch in der Masse der Bevölkerung als eben genau dieses, weil "der Pöbel" nicht hinterfragt und es auch nicht kann, da ihm aufgrund erwähnter Massenbeeinflussung die nötige Zeit und der Wille fehlt. Als Künstler ist es allerdings unsere Aufgabe, kritisch zu beobachten, zu hinterfragen und die gezogenen Schlüsse auch mitzuteilen, ob nun direkt oder metaphorisch, aus eigener Perspektive oder als Zitat spielt keine Rolle. Wer in seinen Texten lieber den Alkoholkonsum oder Drogenexzess sowie andere Ausschweifungen der letzten Nacht verarbeitet, kann dieses gerne tun, sorgt damit wohl auch für allgemeine Aufmerksamkeit, weil derjenige natürlich ein gefundenes Fressen für die "Masse" ist. Tragisch dabei ist nur, dass die Person, der Mensch hinter diesem Text nur von sehr wenigen erkannt wird, vor allem, wenn das Geschriebene authentisch ist und nicht nur aus einer Laune heraus entstanden.


Squealer-Rocks.de: Das Internet hat die Medienlandschaft in den vergangenen Jahren stark verändert. Als Musiker hat man die Möglichkeit schneller ein breites Publikum zu erreichen, andererseits verlor die Deutungshoheit der klassischen Musikredakteure an Bedeutung und aus Sicht der Plattenfirmen führte es zum Wegbrechen der Einkünfte aus Plattenverkäufen (oder generell physikalischer Datenträger). Wie stehst du diesem Medium gegenüber, mittels dessen wir gerade kommunizieren?

Andreas Libera: Ich habe mich am Anfang dieses Interviews ja bereits sehr klar und unmissverständlich ausgedrückt, was ich von einigen der Errungenschaften des weltweiten Netzwerks halte, der Zusammenbruch des Musikmarkts ist ganz klar eine Folge dessen, dass es für jeden überall und jederzeit möglich ist, an gewünschte Informationen ranzukommen. Viele Hörer, oder sagen wir in diesem Falle besser "Konsumenten", sind inzwischen sehr träge geworden und denken sich: "Wozu sollte ich Geld für etwas ausgeben, was ich auch umsonst bekommen kann?". Dass die Qualität natürlich darunter leidet, dass Existenzen unter Umständen ruiniert oder zumindest beeinträchtigt werden, interessiert Frau und Herrn Musikdownloader in diesem Augenblick weniger, denn "was macht es denn schon aus, wenn ich mir was runterlade, es wird ja trotzdem Käufer geben"....
Ein Rechenbeispiel: Eine Band hat ca. 5000 Euro für die Produktion einer Scheibe ausgegeben, bekommt von der Plattenfirma den obligatorischen Euro pro Platte. In den 90gern war es noch so, dass sich tatsächlich von den, sagen wir 10000 gepressten Alben (inkl. Nachpressungen) 9150 verkauft haben (der Rest war für Promozwecke etc.), was damals noch als niedrige Verkaufsrate galt. Die Band ist trotzdem im Plus und hat ausreichende Mittel in der Bandkasse, um alle Kosten zu decken. Ganz abgesehen davon, dass Produktionen damals (zu seligen DM-Zeiten) bei ca. 20000 lagen..... aber das steht auf einem anderen Blatt. Nehmen wir nun einmal an, dass von den 9150 Käufern 50% die Scheibe nicht kaufen, sondern runterladen, da bleiben nur noch 4575 Euro in der Kasse....und schon ist die Band in den Miesen....vielen Dank, liebe Downloader, schön, dass ihr uns unterstützt!!!
Ja, Lars Ulrich hatte damals Recht, Napster zu verklagen! Mir ist klar, eine Band wie Metallica schwimmt im Geld, ob nun 40 oder nur 20 Millionen in der Bandkasse, who cares? ABER, Undergroundbands sind letzten Endes die Dummen, zeitgleich drückt die Mentalität der Downloader und vor allem der Uploader um ein paar Ecken gedacht die Produktionskosten, gute Studios müssen ihre Pforten schließen, weil niemand mehr guten Sound bezahlen kann, die generelle Qualität wird immer schlechter.... und, und, und.... mir wird speiübel, wenn ich daran denke!
Auf der anderen Seite hat das Internet auch Vorteile: Früher hat man seine Demotapes an Freunde und Bekannte verschickt, die eventuell jemanden kannten, der wiederum jemanden kannte, dessen Bruder z.B. beim Rock Hard als Kolumnist tätig war, damit war schon mal die erste Quelle für Promotion gesichert. Man war aber auf Gedeih und Verderb dem guten Willen der Presse ausgeliefert und für Bands, die nicht die Möglichkeit hatten, immer und überall livehaftig in Erscheinung zu treten, war quantitativ schlechte Presse somit nicht so einfach zu verkraften. Da bietet das Internet schon weitaus bessere Möglichkeiten, sich als Band darzustellen, eine Myspace-Seite ersetzt heutzutage das gute alte Demotape und die Möglichkeit, Leute zu erreichen, die man früher wahrscheinlich niemals erreicht hätte, sind plötzlich greifbarer geworden.
Jeder hat somit die Chancen, seine Visionen umzusetzen und zu verbreiten, man muss natürlich sehr kritisch sein, weil auch tatsächlich jeder, der weiß, wie man eine Gitarre hält, vom Größenwahn besessen seine musikalischen Ergüsse in die Welt hinausposaunt.... da haben wir wieder das Thema der Reizüberflutung.
Wichtig ist zudem, dass man nicht zum Sklaven der Technik wird, nicht das Internet, bzw. der Rechner sagt mir, was geht und was nicht, sondern ich beherrsche die Technik! Ob jemand vorher unbekannte kriminelle Gedanken entwickelt, welche sich mittels Internet natürlich hervorragend umsetzen lassen, bleibt jedem selbst überlassen, die Downloaderei zähle ich jetzt mal mit dazu....
Nun habe ich mich diesbezüglich die ganze Zeit aus der Sicht eines Musikers geäußert, als Privatmensch muss ich hinzufügen, dass ich inzwischen aus beruflichen Gründen mit dem Internet arbeiten muss, da ich mich als Film- und Video-Cutter selbständig gemacht habe und deshalb nach Möglichkeit immer auf dem Laufenden sein muss, was aktuelle Entwicklungen in dieser Branche betrifft.


Squealer-Rocks.de: George Orwell beschrieb ja in seiner berühmten Novelle "1984" unteranderem eine Gesellschaft, die sich dem Diktat einer omnipräsenten und doch unsichtbaren Macht ("Big Brother") gebeugt hat. Wie nahe sind wir mittlerweile dieser Utopie gekommen?

Andreas Libera: "Big brother is watching you....", es ist schauderhaft, wie nahe wir dieser Utopie inzwischen gekommen sind, gerade im eben so ausführlich beschriebenen weltweiten Netzwerk lauert hinter jedem Mausklick eine versteckte Beobachtung. Nun gut, für die Verbrechensprävention und zum Schutz unserer Kinder sind einige Beobachtungen sicherlich notwendig, doch ist die generelle Ausrichtung komplett falsch. Nicht der langhaarige Metaller, der ab und an sicherlich gern das ein oder andere Bierchen schlürft und sich auch mal laut in der Öffentlichkeit äußert ist ein potentieller Amokläufer oder Kinderschänder, sondern der liebe, nette Nachbar, hinter dessen glatter, unauffälliger Fassade sich ein wahrhaft schauderhaftes Monster verbirgt. Statt die Wurzeln solchen Übels in der realen Welt zu bekämpfen, werden sogenannte "Killerspiele" verboten und unserem Nachwuchs wird mit nahezu an ideologischer Verblendung grenzendem Nachdruck immer wieder eingeschärft, dass man sich doch bitte "normal" und massenkonform verhalten sollte. Individualität und freies Denken sind hierzulande nicht gern gesehen, wer die oftmals unbequeme Wahrheit sagt, muss draußen bleiben.
In der DDR gab es damals die wirklich omnipräsente Stasi, die "men in grey", die alles und jeden überwacht haben, allerdings so offensichtlich und plump, dass man schon genau wusste oder zumindest erahnen konnte, wer seine schmutzigen Finger im Spiel hatte. In der sogenannten "freien Welt", der "Demokratie", ist die Überwachung subtiler, nahezu unsichtbar. Kreditkartennummern, Ausweisdaten, Online-Transaktionen usw..... alle Spuren, die ein Mensch in seinem geschäftlichen wie privaten Leben hinterlässt, werden irgendwo gespeichert und können bei Bedarf natürlich von jedem, der an den entsprechenden Schaltstellen sitzt, abgerufen und auch gegen den Betroffenen verwendet werden. Wahrscheinlich wird auch dieser Text mitgelesen und den gewissen Leuten wird auffallen, dass ich mich schon die ganze Zeit über nicht politisch korrekt ausdrücke, da ich geschlechtsspezifische Formulierungen nicht neutralisiere bzw. aus Bequemlichkeitsgründen nicht weiter ausführe, PFUI, Herr Libera, das gibt Punkte!!! Im Ernst.... es dauert nicht mehr lange, und wir leben tatsächlich in einer "schönen neuen Welt" (Huxley), alles wird kontrolliert und die zunehmende Technisierung ist der Schlüssel dazu. Wie schön wäre doch mal zur Abwechslung ein Zusammenbruch des globalen Stromnetzes, wenn auch nur für ein paar Tage, back to the roots.... (Nein, liebe Antiterrorspezialisten, ich bin KEIN potentieller Attentäter, habe auch keine Privatarmee um mich gescharrt, um die Weltherrschaft zu übernehmen, da mir, wie ihr ja meinen Daten entnehmen könnt, die entsprechenden finanziellen Mittel nicht zur Verfügung stehen... (grinst)).


Squealer-Rocks.de: Zurück zu Spirit Descent. Wird man euch demnächst irgendwo live-haftig zu Gesicht bekommen?

Andreas Libera: Das hoffen wir, auf Grund der Tatsache, dass wir fast alle an unterschiedlichen Orten leben, unser Basser Andreas 600 km weiter südlich, Andy (ebenfalls Lamp Of Thoth-Gitarrist) in England, Sänger Jan in Pinneberg, Drummer Guido in Neustadt/Holstein und ich in Lübeck, ist gemeinsames, vollzähliges Proben schon ein denkwürdiges Ereignis. Da aber jeder der Herrschaften für sich ein ausgezeichneter Musiker ist und zudem ein Gespür für die Essenz unserer Musik mit sich bringt, mache ich mir keine Sorgen.... Üben kann jeder zuhause für sich, beim Proben werden die Songs gespielt und wir wollen natürlich als Band zusammenwachsen. Wir wollen definitiv auf die Bühnen der Welt, nun ja, zumindest auf die Doom-kompatiblen Bühnen. Das Doom Shall Rise 2012 (2011 fällt ja aus...) ist anvisiert, Hammer Of Doom VI oder VII wäre schön, kleinere Gigs im Norden (aber NICHT in Lübeck, da der Prophet ja im eigenen Lande nichts zu melden hat, können wir darauf auch gerne verzichten....) und/oder ein paar Gigs im Osten oder Süden sind die nächsten Ziele, aber vor Mitte 2011 wird man sich wohl erst einmal mit "Doominion" (ab Anfang 2011 auch auf Vinyl!!!) und der bis dahin wohl schon erschienenen Split mit Wheel zufrieden geben müssen. Spirit Descent sind KEIN Projekt, wir wollen raus.... mehr kann ich dazu momentan noch nicht sagen.


Squealer-Rocks.de: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, diese Fragen zu beantworten. Falls dir noch etwas auf dem Herzen liegt, kannst du es jetzt loswerden. Möge das Schicksal euch immer hold sein!

Andreas Libera: Ich habe zu danken.... für Deine Fragen, mir hat es gefallen, dass sie alle zusammen einen roten Faden bilden, der sich durch das komplette Interview zieht.
Es freut mich sehr, dass Dir "Doominion" so gut gefallen hat und hoffe wirklich sehr, dass wir es ab 2011 auf die Bühnen schaffen.
FOLLOW THE PATH OF DOOM AND NEVER SURRENDER !


DISCOGRAPHY:

2009 - A New Doom Is Rising (Demo)
2010 - Doominion

SQUEALER-ROCKS Links:

Spirit Descent - Doominion (CD-Review)
Andreas Libera von Spirit Descent (Interview)


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