Adrien Grousset von Hacride

(04.06.2009, Interview geführt von Reaper)

Dass Frankreich mehr zu bieten hat als Baguette und Wein, das dürfte vielen Metalfans bereits klar geworden sein, nachdem sie Bands wie Gojira oder Heavenly gehört haben. Mit Hacride schicken sich nun die Nächsten aus der Grande Nation an die internationale (Progressive) Metal Landschaft zu bereichern. Squealer-Rocks sprach mit Songwriter Adrien Grousset über Musik zwischen Kunst und Business, aber auch über Religion und die Unzufriedenheit der Menschen.

Squealer-Rocks.de: Salut Adrien! Könntest du zunächst mal dich und deine Band den Leuten, die auf unserem Webzine lesen, vorstellen? Denn ich denke, dass noch nicht so viele von euch gehört haben dürften.

Adrien Grousset: Olivier, unseren Schlagzeuger, kenne ich seit dem Kindergarten oder so, wir fingen gemeinsam an Musik zu machen und zu hören. Ben, unseren Bassisten trafen wir, als wir Teenager waren und in diversen Musikschuppen in Poitiers rumhingen. Er spielte damals in einer Black Metal Band. Dann lernten wir Sam kennen und gründeten die Band so um 2001/2002 herum. Das Line-Up von damals behielten wir bis heute bei. Wir begannen also zusammen zu spielen und irgendwann kam ich mit ein paar Songs und wir nahmen unsere erste Demo "Cyanide Echoes" auf, die wir an ein paar Labels hier und da verschickten. Wir erhielten dann eine Nachricht von Listenable, die ihr Interesse bekundete es zu veröffentlichen. Wir fügten also noch ein paar Lieder hinzu und das Ergebnis war unser erstes Album "Deviant Current Signal", welches wir selbst eher für eine Demo denn ein erstes Album halten und 2005 veröffentlicht wurde. Es folgten einige Tourneen in Frankreich und 2007 das Album "Amoeba", mit welchem im Gepäck wir dann auch damit anfingen außerhalb Frankreichs auf Festivals wie dem Graspop, Summer Breeze, Brutal Assault… zu spielen. Wir tourten auch in Spanien zusammen mit Dying Fetus und waren auf Europa Tournee mit Divine Heresy. Diese Tourneeerfahrungen brachten uns eine Menge und jetzt sind wir zurück mit unserem dritten - zweiten - Album "Lazarus" (lacht).

Squealer-Rocks.de: Lass uns also zunächst mal auf eben jenes zu sprechen kommen, Hacrides aktuelles Album: "Lazarus". Ich hatte einige Schwierigkeiten damit, Worte für euer beeindruckendes Werk zu finden, wie würdest du es daher selbst am liebsten beschreiben? Wäre der Begriff "Progressive Metal" recht oder welche sonstigen Nuancen siehst du?

Adrien Grousset: Ich denke "Progressive Metal" wäre gerade recht, da wir unsere Musik nicht gerne in eine Schublade stecken, insbesondere halte ich das für sehr einengend. Zum Beispiel ist unsere Musik extrem aber eigentlich auch wieder nicht so sehr, so stellt sich die Frage, ob wir den Begriff verwenden sollten oder nicht. Die zwei einzigen Begriffe, die Hacrides Musik im Moment beschreiben, sind "Metal" - mit Sicherheit - und "Progressive", mir ist nicht danach noch etwas hinzuzufügen (schmunzelt).

Squealer-Rocks.de: Für mich persönlich hört es sich wie eine Komposition aus sehr detailierten, technischen Passagen und tiefgründigen, düsteren Melodien an, die den Hörer mit sich zu reißen vermögen unter eine Oberfläche von unbekannter Weite. Aber gerade diese beiden Aspekte machten es anscheinend schwierig die ganze musikalische Landschaft, die ihr in "Lazarus" erschaffen habt, zu ergründen. War es eure Absicht die Hörer mit euren Kompositionen herauszufordern?

Adrien Grousset: Es gibt keine wirkliche Herausforderung, vielmehr unsere eigenen Erkundungsgänge, denke ich. Musik ist eine Kunst, gemacht um Gefühle, Stimmungen zu beschreiben. Leute hören Musik vor allem in Abhängigkeit ihrer Stimmung und ihrer momentanen Gemütslage - Iron Maiden zum Headbangen und Spaß haben, My Dying Bride, wenn man alleine im Dunklen sitzt (das sind Klischees, ich weiß). "Lazarus" ist aus meiner Sicht ein Album, wie jedes andere auch, eine musikalische Beschreibung eines Moments im Leben seines Komponisten. Beim Komponieren dieses Albums war es zwischen vier und zehn Uhr morgens, wohingegen "Amoeba" in der Nacht komponiert wurde. Ich glaube, das ist der Grund, weswegen du diese besondere Atmosphäre spürst, vier Uhr morgens ist eine Zeit, zu der jeder schläft, genau zwischen zwei Welten. Die Partygänger gehen schlafen und die Leute, die zur Frühschicht müssen, werden gerade langsam wach. In solch einer Stunde spürt man die Last des alltäglichen Lebens, Emotionen und Einsamkeit, wie soll ich sagen, du bist dir der Welt um dich herum sehr viel stärker bewusst. Die Hörer sind wichtig, da wir wollen, dass die Leute unsere Musik verstehen. Kunst ist im Allgemeinen wertlos, wenn sie nicht geteilt wird. Aber zunächst komponiert man, um sich selbst auszudrücken, man kann sich keine Gedanken darüber machen, was andere wohl davon halten mögen, einfach nur darüber seine Gefühle Musik werden zu lassen

Squealer-Rocks.de: Bereits vor dem ersten Durchlauf war ich überrascht vom Titel des Albums selbst. Lazarus, ein Mann, der durch Jesus von den Toden wiedererweckt wurde - wie viel Einfluss übt diese spezielle Geschichte auf euer lyrisches Konzept aus?

Adrien Grousset: Die Texte schrieb unser Sänger, Samuel Bourreau. Da ich die Musik wie einen Filmsoundtrack geschrieben habe, verfasste er seine Lyrics wie ein Buch. Jeder Song stellt ein Kapitel in der Geschichte der Hauptperson dar. Der Titel bezieht sich nicht direkt auf die Bibel, vielmehr auf das Lazarus Phänomen, welches eine Krankheit ist, die Leute nach einer NDE (Nah-Tod-Erfahrung) befällt, diese Leute sind für einen kurzen Moment tot, bevor sie wieder zurück ins Leben kommen. Nach diesem klinischen Tod scheinen sie sehr viel sensibler auf die Welt um sie herum zu reagieren, sie sehen die Welt auf eine andere Art. Die Texte drehen sich um eine Person, es könnte jeder sein, er ist nicht irre, verrückt oder so, aber er bekommt diese plötzliche, besondere Sensibilität, die ihn die Welt bewusster erleben, sich selbst in Frage stellen lässt. Es ist eine Reise in seinen Verstand, er hat die Regeln der Gesellschaft und die Ungerechtigkeit satt. Ich wiederhole mich zu sagen, dass es kein Verrückter ist, es könnte jeder sein und ich denke, dass jeder schon einmal an irgendeinem Punkt in seinem Leben dieses Gefühl hatte.

Squealer-Rocks.de: In Anbetracht dessen, auch wenn es eine etwas knifflige Frage sein dürfte - wie wichtig ist Religion heutzutage deiner Meinung nach?

Adrien Grousset: Ich persönlich glaube nicht an Gott, aber ich denke, dass Religion in der heutigen Gesellschaft sehr wichtig ist, sogar noch mehr als es vor einigen Jahren der Fall war. Wenn ich George W. Bush sagen höre, er ginge auf einen Kreuzzug, oder die Muslime den Heiligen Krieg proklamieren, macht mir das irgendwie Angst. Es klingt, als hätte die Kultur des Okzidents einen Schritt zurück gemacht. Wir alle reden über die Krise, aber ich glaube, dass manche Menschen in den schlimmsten Momenten ihres Lebens Religion brauchen, um sich an etwas festhalten zu können, sie gibt ihnen die Stärke weiter zu machen. Vielleicht könnte man dies als die gute Seite von Religion bezeichnen, manche Leute brauchen sie noch um den Glauben nicht zu verlieren und am Leben zu bleiben, aber sie kann auch sehr enttäuschend sein. Was kann man von jemandem erwarten, von dem man noch nie etwas gehört hat? Jede fanatische Person kann so tun als ob Gott dies oder jenes gesagt hätte und sie werden immer ein Publikum finden, welches ihnen Glauben schenkt. Menschen, die an Gott glauben, führen Kriege für ihre Ideen, wohingegen Gott anscheinend Frieden will, wie dumm ist das denn? Also, ja, Religion ist heutzutage sehr wichtig, auch wenn mehr und mehr Leute so tun als ob sie nicht daran glauben würden.

Squealer-Rocks.de: Um auf Metal zurück zu kommen. Es gibt nicht so viele international bekannte französische Metal Bands, abgesehen von Gojira (Progressive Metal) und Heavenly (Power Metal) oder Blut Aus Nord (Black Metal) fällt mir gerade keine andere ein (abgesehen von ein paar wirklich unbekannten ;-)). Es gibt womöglich eine französische Metal Szene, aber anscheinend haben sich ihre Bands dem Rest der Welt noch nicht gezeigt. Wo denkst du, liegt das Problem?

Adrien Grousset: Es war schon immer schwierig für französische Bands im Ausland, aber ich denke, dass sich die Szene gerade verändert und wir können das Ergebnis langsam aber sicher sehen. Die einzigen Bands in den alten Tagen, die ihre kleinen Erfolge verbuchen konnten, waren Trust, Loudblast und Massacra (sehr viel kleiner, aber trotzdem). Es gab damals nicht so viele Bands, aber ich glaube, Frankreich ist im Allgemeinen auch kein "Rock'n'Roll" Land. Wir haben vor allem den "Chanson Française", ein wenig jazzige, französische Suppe und Pop Musik. Metal war schon immer ziemlicher Underground hier, in letzter Zeit aber sieht man mehr und mehr Gigs und besonders mehr Metal Bands aus Frankreich. Es gab natürlich auch früher Bands, aber sie blieben in ihren Garagen. Jetzt beginnen viele neue, französische Bands damit durch Frankreich zu touren, sie haben eine sehr viel professionellere Einstellung als zuvor, aber das ist was ziemlich Neues. Es ist schön zu sehen, welchen Erfolgt Gojira haben können, und falls sie dabei etwas revolutioniert haben sollten, ist dies ihr Zugang zum Musikbusiness. Ich denke, sie waren die ersten, die wirklich daran glaubten, dass sie etwas mit ihrer Musik erreichen könnten, und sie taten es.

Squealer-Rocks.de: Die vorherige Frage führt mich auch gleich zur nächsten, wann und wo werden wir Hacride live auf der Bühne zu sehen bekommen?

Adrien Grousset: (lacht) Schön, dass du frägst, ich beantworte dein Interview im Van und wir sind gerade über die deutsche Grenze gefahren (schmunzelt). Wir werden drei Gigs spielen, den ersten morgen auf dem Legacy Festival, tags darauf in Leipzig und in Köln auf dem Heimweg. Aber Deutschland ist ein großes Land, in das wir so oder so noch mal zurück kommen werden, wir müssen nur Leute finden, die uns spielen lassen wollen und dann sind wir zurück (schmunzelt).
Es gibt da eine lustige Geschichte in Bezug auf den Gig in Leipzig: Unsere Managerin erzählte uns sie hätte eine Nachricht von einem Typ in Leipzig erhalten, der zusammen mit seinem besten Freund extra nach Frankreich und Berlin gekommen war, um uns zu sehen. Dieser beste Freund heiratet am Tag des Leipzig-Gigs, deswegen fragte er, ob wir nicht vorbei kommen könnten, um Hi zu sagen. Tatsächlich haben wir vor hin zu gehen und mit ihnen zu trinken, wenn sie hunderte von Kilometern gefahren sind, können wir auch die zwei Kilometer zur Hochzeit fahren (schmunzelt). Nichtsdestotrotz, was die Daten angeht, schau einfach auf unserer MySpace-Seite nach, wir updaten sie für gewöhnlich jeden Tag.

Squealer-Rocks.de: Hast du in Anbetracht der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise bereits Auswirkungen auf dein eigenes Leben zu spüren bekommen?

Adrien Grousset: Ich persönlich sehe keine größeren Auswirkungen als zuvor, es ist schon seit einiger Zeit hart. Ich bin ein Musiker und gebe Musikstunden in einer Musikschule, da hat man immer schon wenig verdient. Unser Lichttechniker unterbricht uns gerade und meint, dass die Krise schon fünf Jahren lange spürbar ist (wie ich dir schon sagte, ich bin im Van). Ich muss ihm da beipflichten. Wirtschaftskrisen werden ja gefolgt von Wachstum, deswegen hoffe ich, dass dies bald geschieht, denn den einzigen Effekt, denn ich sehe, ist Frustration. Die Leute müssen darüber nachdenken, ob sie zu einem Konzert gehen oder ein Bier trinken können wegen des Geldes und das ist traurig.

Squealer-Rocks.de: Vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast meine Fragen zu beantworten. Die letzten Worte gehören dir!

Adrien Grousset: Das ist eine schreckliche Frage, die letzten Worte könnten eine Millionen Dinge sein, das ist das Problem der Meinungsfreiheit in diesem Fall (schmunzelt). Also lass es uns ganz traditionell machen: Danke für das Interview, mir gefielen die Fragen über Religion und Wirtschaft, denn solche sind immer interessant zu beantworten. Ich hoffe wir sehen uns auf Tour und kann deine Meinung zur Show hören.

Nochmal Danke!


DISCOGRAPHY:

2002 – Cyanide Echoes (Demo)
2005 – Deviant Current Signal
2007 – Amoeba
2009 – Lazarus

SQUEALER-ROCKS Links:

Hacride - Lazarus (CD-Review)
Adrien Grousset von Hacride (Interview)


BANDHOMEPAGE