Kornelius und Warpig von The Shanes
(14.04.2009, Interview geführt von maddin)
Selten hat ein Genre untypisches Album so eingeschlagen wie folkige Polka – Abfahrt „The Squandering Youth“ von The Shanes aus Trier. Bundesweit überbieten sich Netz - und Printmedien mit Lobpreisungen, und auch bei Squealer - Rocks wird man die Truppe in den Monatscharts für April ganz oben finden.
Grund genug, mal bei Sänger Kornelius Flowers um ein Interview zu bitten.
Der ist zwar gerade erst aus einem Indien Urlaub zurück, steht jedoch bereitwillig Rede und Antwort. Zur Unterstützung gesellt sich noch Gitarrist Warpig Stoffregen hinzu.
Herausgekommen ist das Bildnis einer Band, die fernab von platten Promo - Sprüchen einfach nur ehrliche Antworten gibt. Danke dafür.
Squealer – Rocks:Was hat es eigentlich mit euren Pseudonymen auf sich?
Kornelius: Wir sind nun mal "Künstler" - mit einem Pseudonym legt man sich sowas
wie 'ne 2. Haut zu und schafft sich eine Brücke zu einer anderen Persönlichkeit, die zwar mit der Eigentlichen verwandt ist, aber noch einen Schritt weiter geht. Allerdings sollte man das nicht wirklich ernst nehmen. Die meisten Pseudonyme sind aus Spitznamen entstanden.
Wir können in solchem Blödsinn sehr kreativ, vor allem aber beharrlich sein...
Warpig: Dem ist nichts hinzuzufügen, nach tieferen Bedeutungen sollte man dabei nicht suchen auch wenn es zu jedem unserer Künstlernamen eine Geschichte gibt.
Squealer - Rocks: Ich habe es ja schon in meinem Review kurz angesprochen:
Mit „Polka“ habe ich bisher immer irgendwelche Baller - Bands aus Skandinavien verbunden, die harte Metal - Klänge mit finnischen Folk – und Saufliedern verbinden, was bei den Kiddies zu wahren Begeisterungsstürmen führt.
Doch ernst nehmen kann ich das nicht, da nur „die Party“ im Vordergrund steht. Wenn die Bands „Hänschen Klein“ zehnmal hintereinander spielen würden, würde das gar keiner
merken. Wie sieht das denn bei euren Konzerten aus? Habt Ihr den Eindruck,
dass viele Leute nur zum feiern da sind, ohne auf die einzelnen
Stücke zu achten?
Kornelius: Ja, das gibt es durchaus. Wir möchten ja letztendlich auch gute Unterhaltung und positive Party - Stimmung vermitteln. Trotzdem ist es schön, wenn man merkt, dass den Leuten der eine oder andere bestimmte Song bzw. Inhalt wichtig ist.
Warpig: Ich finde es natürlich auch schöner, wenn das Publikum die Songs als solche wahrnimmt. Trotzdem ist es O.K., wenn das Publikum einfach Spaß am Sound hat und Feiern möchte. Ärgerlich wird das nur, wenn irgendwelche Idioten die Band als reine Jukebox sehen und penetrant nach "Ballermanstimmungshits" wie "Wild Rover" rufen.
Squealer – Rocks: Für uns als Hardrock / Metal Webzine seid ihr schon so etwas wie „Exoten“. Wie ist denn Eure Meinung / Eure Erfahrung über / mit der Metal – Szene?
Kornelius: Also ich persönlich arbeite in einem Kulturzentrum (www.exhaus.de). Da gibt es eine ganze Menge Metal – Kultur, von Shows bis hin zu Parties aller Metal - Stilrichtungen. Auch wenn ich jetzt selbst kein eingefleischter Metaller bin, so finde ich die Szene aber dennoch
absolut sympathisch. Es gibt bei den Metallern viele positive Seiten, die man bei anderen Szenen vermisst, ohne hier jetzt ins Detail gehen zu wollen.
Warpig: Ich habe eine klassische 80er Jahre Metalsozialisation hinter mir und von daher eine starke nostalgische Bindung an die Metal – Szene, auch wenn sich mein Geschmack schon früh in alle Richtungen (Punk, Hardcore, Folk) erweitert hat. Ich mag die Szene aber nach wie vor, auch wegen ihrer Ernsthaftigkeit, mit der die Musik gewürdigt wird.
Squealer – Rocks: Ich habe bei vielen Kumpels, denen ich das Album vorgespielt habe, gemerkt, dass eure Mucke bei Freunden der harten Musik gut ankommt. Findet man bei euren Konzerten denn auch Metal / Hardrockfans?
Kornelius : Ja! Es fällt uns ganz besonders auf, dass viele Metaller zu unseren
Konzerten kommen und dort ausgelassen feiern. Vielleicht treffen wir aus irgendeinem Grund einen Nerv, den ich zwar nicht benennen kann, was uns aber sehr freut und Spass macht. Wir wollen ja ein breites Publikum erreichen und wenn man es schafft als Folkrock - Band sogar Metal - Fans anzusprechen, dann sind wir darauf echt stolz.
Warpig: Wir haben keine Angst vor großen Gesten und machen glaubwürdige, unangepasste, handgemachte Musik und ich glaube, dass viele Metallern dieses respektieren und würdigen.
Squealer – Rocks: .Auf eurer Homepage habe ich gelesen, dass ihr in Texas auf dem
„Oktoberfest“ gespielt habt. Wie kam es dazu und wie muss man sich das vorstellen? Ihr zwischen bayerischen Blaskapellen? Wie haben die Texaner reagiert? Ihr klingt ja nun nicht gerade "typisch deutsch“.
Kornelius: Diese Einladung kam 1999, nachdem wir in Austin, Texas beim
„South by Southwest - Festival (SXSW)“ aufgetreten sind. Aus irgendeinem Grund dachten die in Houston beim „octoberfest“, es würde gut passen, eine deutsche Band, die sich Polka aufs Banner schreibt, einzuladen. Das Ganze war dann aber schon sehr traditionell und wir waren dort in vielerlei Hinsicht ein Kulturschock.
Squealer – Rocks: Woher kommt eigentlich eure starke Affinität zu osteuropäischen
Klängen / Einflüssen? Ich ordne die "Zigeuner- Romantik" mal ganz einfach in die osteuropäische Region ein.
Kornelius: Ähnlich wie beim Country oder Irish - Folk gibt es auch bei den osteuropäischen traditionellen Sounds tolle Melodien und Harmonien, die wir in unseren Stil einfließen lassen wollten. Das passt ganz einfach wie selbstverständlich zu unseren Songideen und ist nicht irgendwas konstruiertes.
Warpig: The Shanes haben niemals Wert auf Stiltreue gelegt, was so manchen Puristen der jeweiligen Folkrichtungen gegen den Strich gegangen ist und uns nicht nur Applaus eingebracht hat. Das Faszinierende an Folkmusik - da ist Country mit eingeschlossen - sind aber einfach die genialen und simplen Melodien, die ohne Orchester funktionieren und die auch jeder Musiklaie direkt versteht. Wer sich da auf eine Stilrichtung festlegt, hat, glaube ich, nicht verstanden worum es bei dieser Musik geht.
Squealer – Rocks: Ihr seid nun schon eine ganze Weile im Geschäft. Seid ihr mit Eurer Laufbahn zufrieden? Habt ihr noch irgendwelche Ziele vor Augen?
Warpig: Klar, die Träume gab es, letztendlich sind aber die meisten Träume doch in Erfüllung gegangen. Es gab und gibt immer wieder diese magischen Konzerte bei denen man gemeinsam mit dem Publikum eine großartige Party gefeiert wird. Dadurch dass wir 25 und nicht 250 mal im Jahr auf der Bühne stehen sind für uns Konzerte immer noch etwas Besonderes und nicht unserer Alltag
Kornelius: Zufrieden, denke ich, können wir durchaus sein, auch wenn unser Jugendtraum des musikalischen Durchbruchs nie in Erfüllung gegangen ist. Aber die Band The Shanes hat es irgendwie überlebt, keine riesigen Plattenverkäufe zu haben, keine Stadien oder Konzertsäle zu füllen usw..
Doch es gibt uns immer noch, weil die Musik und das Bandgefüge einfach Spaß machen. Unser Ziel ist es, dies noch eine Zeit lang aufrecht zu erhalten und noch mehr Musik und gute Songs zu spielen und aufzunehmen.
Profis sind wir demnach nicht. Wir sind aber auch froh, nicht von der Musik leben zu müssen, sondern einfach nur aus Spaß und Enthusiasmus an die Musik herangehen zu können. Somit müssen wir auch keine zu schlecht bezahlten Gigs spielen und können uns die Konzertdaten einigermaßen auswählen.
Squealer – Rocks: Welche Musik hört ihr selbst am liebsten?
Kornelius: Ich persönlich mag am liebsten gute, ehrliche, halbwegs progressive Trucker - Musik und guten Folk Rock. Folk - Punk eigentlich auch, wobei das meiste nach den Pogues usw. zu sehr kalkuliert klingt.
Aber im Bandbus hören wir alles von Techno wie Justice über HipHop - ja auch Bushido, Haha! - Punkrock, Klassik und ganz viel Metal - vor allem alte Sachen von Maiden, Priest und Konsorten.
Warpig: Abgesehen von Crossover und Funk aus den frühen 90ern höre ich eigentlich alles.
Squealer – Rocks: Eure drei Alltime Lieblingsalben?
Warpig: Bestimmte Alben sind für mich mit stark mit Lebensabschnitten und Stimmungen verbunden. Deswegen ist es immer einfacher zu sagen, welche Alben ich im Moment höre. Das ist "Rock Bottom" von Robert Wyatt, die aktuelle CD von "Hail of Bullets" und "Letting go" von Will Oldham.
Kornelius: Ich bin kein wirklicher Album - Typ. Für mich zählen eher bestimmte Songs. Großartige Songwriter - Alben sind für mich Bob Dylans '89er Album "Oh Mercy", "If I Should Fall from Grace with God" von The Pogues und auch vieles von Nick Cave, Bruce Springsteen und den ganz vielen Scheiben von Leuten, die niemand kennt, die es aber irgendwie in mein CD-Regal geschafft haben.
Es gibt auch einige Metalbands, die mir gefallen. Ganz besonders mag ich "3 Inches of Blood", weil sie es schaffen, Classic Metal mit Metalcore unterhaltsam zu verschmelzen, ohne aufgesetzt zu klingen.
Squealer – Rocks: Der Text von „Weight on My Shoulders“ klingt ziemlich persönlich und zeigt eine ernste Seite, die euch unheimlich glaubwürdig macht. Im krassen Gegensatz dazu stehen die „Randale - Lyrics“ von „Lousy Bastards“. Die sind doch hoffentlich nicht autobiographisch....
Kornelius: Beide Songs sind autobiographisch. Während "Weight on My Shoulders" die
familiären und ganz persönlichen Entwicklungsprobleme eines jungen Menschen zum Thema hat, beschreibt "Lousy Bastards" die Kneipenschlägereien und sonstige Unannehmlichkeiten, in denen sich die Band oder zumindest einige von uns des Öfteren wiedererkennen dürften ...
Warpig (protestiert): Also mein Künstlername hat definitiv keinen Ursprung in irgendwelchen "Lousy Bastards" Geschichten...
Kornelius: Hast ja nur Angst, dass dein Arbeitgeber dieses Interview liest!
Squealer – Rocks: Ich kenne nur euer neues Album. Unterscheidet es sich von euren
bisherigen Veröffentlichungen?
Kornelius: Auf jeden Fall. Für mich klingt es erwachsener als die Alben davor. Es gibt ganz viele atmosphärische, balladeske Songs, für die auf den letzten Alben meist sehr wenig Platz war. Das gibt mehr Luft zum atmen und gibt den jeweiligen Songs auch mehr Wirkungskraft.
Zudem ist die Aufnahmequalität um Längen besser als bei den Platten davor, denn wir haben mit dem TritoneStudio in Trier einen wirklich gutes Lager entdeckt.
Warpig: Ergänzend würde ich noch hinzufügen, dass die Band kompakter und ungezwungener klingt als auf vielen alten Alben. Die Live CD war diesbezüglich schon ein wichtiger Schritt. Auf dem letzten Studioalbum "Poelka" wurden viele Songs im Studio in ein Metalkostüm gezwängt, mit viel Double Bass und Bratgitarre, was aber dem Feeling nicht immer gut getan hat. Letztendlich zeigt die bisherigen gute Resonanz auf das neue Album, gerade in der Metal - Presse, dass die Musik am besten verstanden wird, wenn man nicht auf einen bestimmten Effekt hin kalkuliert.
Squealer - Rocks: Wie geht’s weiter bei euch?
Kornelius: Jetzt werden wir erstmal mit der neuen Scheibe auf Tour gehn' und parallel dazu neues Material entwickeln. Außerdem müssen wir für 2010/2011 unser 20jähriges Jubiläum vorbereiten.
Squealer – Rocks: Und sonst?
Kornelius: Sonst? Metal up Your Ass! Or Polka up Your Metal!!!
DISCOGRAPHY:
1992 - Songs from the Urban Country Hell
1993 - Polka Hard
1995 - These Days (EP)
1996 - Budapest Sessions
2000 - The Haunted House of Polka
2005 - Pölka
2007 - Polka over Serbia - Live in Chosebuz
2009 - Squandering Youth
SQUEALER-ROCKS Links:
The Shanes - Squandering Youth (CD-Review)
Kornelius und Warpig von The Shanes (Interview)