Olav Kristiseter von Manngard
(10.09.2007, Interview geführt von Reaper)
Mit einem Extrem Metal Album, namentlich EUROPEAN COWARDS, das auf dem schmalen Grat zwischen Genialität und Wahnsinn wandert, bläst das in Norwegen beheimatete Quartett von Manngard zum Angriff auf all die engstirnigen Menschen, die alleine in Schwarz und Weiß denken können. Squealer-Rocks.de Redakteurin Reaper sprach mit dem Gitarristen und Novellisten Olav Kristiseter.Squealer-Rocks.de: Hallo Olav, zunächst einmal will ich dir zu eurem faszinierenden, neuen Album EUROPEAN COWARDS gratulieren. Es ist schon erstaunlich wie viele unterschiedliche Elemente ihr in gerade mal einem Lied verwendet, um einen brutalen, stampfenden Metal Sound zu generieren, der meiner Meinung nach einige Hörer überfordern könnte. Also, wie würdest du den Interessenten den Klang deiner Band beschreiben?
Olav Kristiseter: Danke. Es ist schon großartig das Album endlich draußen zu haben!
Ja, es stimmt, dass wir viele unterschiedliche Elemente verwenden. Das Fundament bildet der old-school Thrash Metal, aber wir haben ein paar typische Black Metal Riffs und auch progressive aus dem Takt laufende Rhythmen, was gewissermaßen all das wiedergibt, was wir hören. Unsere Lieblingsband ist im Moment, wie seit jeher, Slayer und ich wette, dass man das dem Album anhört. Aber wir stehen auch auf Prog Rock der Marke King Crimson und die rohe Kraft der ersten Morbid Angel Alben, besonders CONVENANT verkörpert die reine Virtuosität gleichsam beschwört es das Böse herauf, merkwürdige Groteske…
Wir spielen geschwärzten, energiereichen Thrash Metal.
Ach ja, der am Rücken entlanglaufende, frösteln lassende Mystizismus von Celtic Frost hat uns auch seinen Stempel aufgedrückt.
Squealer-Rocks.de: Wenn wir gerade über die gewissermaßen komplexe Vielfalt in all euren Liedern sprechen, die ein bisschen Black/Death Metal hier und ein bisschen Crossover und Thrash Metal da enthalten, da stellt sich mir unausweichlich die Frage, ob es schon von Anfang an eure Absicht war EUROPEAN COWARDS genau so klingen zu lassen, oder ob es langsam, Stück für Stück, während des Schreibprozesses gewachsen ist?
Olav Kristiseter: Es ist tatsächlich ganz von alleine im Studio gewachsen, wirklich. Auf unserem Debüt Album (CIRCLING BUZZARDS erschienen 2006 Anm.d.Red) waren alle Songs sozusagen bereits fertig und geprobt, also versuchten wir sie einfach im bestmöglichsten Sound festzuhalten. Dieses Mal haben wir mehr experimentiert, manchmal auch einfach Sachen umarrangiert, weil einer eine Idee hatte. Ganz am Anfang der Aufnahmen hatten wir das Studio für uns alleine, mit dem Drummer, Iver (Sandoey Anm.d.Red.), der den Toningenieur spielte, und dies in Kombination mit den riesigen Mengen an Bier löste in uns das Verlangen aus, zu unseren Thrash Wurzeln zurück zu kehren, diese natürlich auch mit anderen Elementen zu verweben, aber alles im lebendigen Sound jener Tage. Wir alle hassen das Spielen auf Klick und offenkundig "glatt" gebügelte, platte Produktionen. Wir sind stolz auf unseren ursprünglichen Sound und diese Herangehensweise. Bevor wir die fertigen Stücke freigegeben haben, mussten sie noch durch den "Headbanger-Mosh-Pit" Test, falls sie es nicht schaffen sollten dir den Schädel zu spalten oder den Bierdurst in dir zu wecken, müssten wir noch mal zurück ins Studio und daran arbeiten…
Squealer-Rocks.de: Im Übrigen muss ich sagen, dass Sänger Olav Iversen eine fantastische Arbeit abgeliefert hat. Ich denke, dass es nicht so viele gibt, die dazu in der Lage sind, all diese unterschiedlichen Gesangsstile durchzustehen, um das monumentale, da überwältigende, instrumentale Gerüst auszufüllen, das ihr kreiert habt. Was meinst du?
Olav Kristiseter: Ja, danke! Wir sind mehr als nur zufrieden mit seinem "Organ", wie es ein deutsches Webzine genannt hat! Er verfügt über drei getrennte Parameter: ganz hohes Schreien, eine Stimmlage in der Mitte - beide Techniken wurden erfolgreich von Tom Araya verwendet - und eine tiefe, growlende. Es hat einige Zeit und Übung in Anspruch genommen dies zu erreichen, jetzt funktioniert aber alles gleichzeitig. Der Grund hierfür liegt darin, die getrennten Teile hervor zu heben. Unsere Musik setzt sich aus unterschiedlichen Elementen zusammen und glücklicherweise verfügt er über die Stimme, die allen gerecht wird. Wir wären mit einem reinen Death oder Black Metal Sänger nicht glücklich, das würde es einfach nicht bringen.
Squealer-Rocks.de: Ich hab mir gerade den Text zu "European Cowards" durchgelesen und er klingt für mich wie ein Weckruf an alle Europäer, die sich nicht erst seit dem 11. September 2001 hinter dem breite Rücken Amerikas verstecken. War das eure Intension?
Olav Kristiseter: Der Hintergrund für diesen Text war der Folgende: Seit einigen Jahren schon wächst in Norwegen die Ablehnung gegen Amerika im Allgemeinen, nicht alleine gegen die politische Führung, sondern gegen alle Dinge, die amerikanisch sind, und gegen die Amerikaner selbst. Ich hatte ab einem gewissen Punkt das Gefühl, dass sich diese Ablehnung bereits in Rassismus verwandelte, und das hat mich wirklich erzürnt. Ich unterstütze nicht den aktuellen amerikanischen Präsidenten und seine fehlgeschlagene Außenpolitik, aber man KANN NICHT ein ganzes Land nur auf Basis dessen verurteilen. Die Europäer scheinen nach Fehlern auf der anderen Seite des Atlantic zu suchen, anstatt sich ihren eigenen Problemen Zuhause zu stellen. Und die europäische, kulturelle "Elite" verspottet die USA dafür eine junge Nation zu sein und das Welterbe zu ignorieren, und stattdessen von Oberflächlichkeit und von McDonalds propagierter Verbrauchermentalität erfüllt zu sein. Das ist einfach Bullshit. Die USA haben einige der stärksten und originellsten musikalischen Stile des 20sten Jahrhunderts hervorgebracht und sie sind unangefochten, was die modernen Novellen betrifft (Thomas Pynchon, Paul Auster, Cormac McCarthy - alles brillante, mächtige Köpfe). Auch im historischen Sinne, der 2. Weltkrieg ist noch nicht solange vorbei. Die amerikanischen Bemühungen scheinen ein bisschen zu schnell vergessen worden zu sein. Um die eröffnende Zeile des Liedes zu zitieren: "Who saved your ass from Adolf, made him blow his brains out?"…
Squealer-Rocks.de: Um bei europäischer Politik zu bleiben. Was bedeutet die Europäische Union für dich als Norweger?
Olav Kristiseter: Um es so zu sagen: Für einige der neueren Länder wie Polen, Ungarn und gerade Bulgarien ist die Mitgliedschaft ein Segen. Die Wirtschaft holt mit schnellen Schritten auf und die Beschäftigtenraten ebenso. Und die Türkei, die gerade mal eine kleine Beitrittschance besitzt, hat bereits ihr miserables Gesetz- und Rechtssystem verbessert. Auf der anderen Seite gilt dies nicht für Norwegen. Das Klima, die Umwelt und die Agrastruktur machen es unmöglich. Eine Mitgliedschaft Norwegens würde den Tod für große Teile des Landes bedeuten. Die Einzigen, die davon profitieren würden, wären die wohl betuchten Leute in den größten Städten. Die Union unterstützt das System Norwegens zur Unterstützung seiner Bauern und der Menschen in den ländlichen Gebieten nicht.
Squealer-Rocks.de: Soweit ich weiß kam deine erste Novelle "Blodlenka" (norw. Blutsbande) letztes Jahr raus. Da ich des Norwegischen nicht mächtig bin, würde ich dich gerne fragen, um was es darin geht, und ob du einige Parallelen zwischen dem Schreiben von Büchern und Musik siehst.
Olav Kristiseter: Die Charaktere ähneln denen auf dem Debüt Album: Drei Brüder, die grausam von ihrem tyrannischen Vater misshandelt werden. Im ersten Teil des Buchs lernt man etwas über den Kampf und das endgültige Schicksal des jüngsten Bruders, der sich als stärker herausstellt, als man am Anfang denkt. Im zweiten Teil erfährt man etwas über die Vergangenheit des Vaters, was ihn so grausam werden ließ und welche außerweltlichen Motive ihn wirklich leiten… Aber in aller erster Linie ist es eine moderne Hommage an die alten isländischen Sagen; die Schwertkämpfe, Konflikte, das Töten und die Wikingerreisen wurden in eine kleine, moderne norwegische Gesellschaft transferiert. Das nächste Buch, das nächstes Jahr fällig ist, wird ein bisschen anders sein, mit einwenig mehr städtischem Lebensgefühl. Es gibt Parallelen zwischen dem Schreiben von Büchern und Musik, ja. In beiden Fällen lege ich viel Wert auf Arrangieren und neu Arrangieren, schiebe Teile herum und schaue, wo sie am Besten reinpassen. Ich versuche auch Rhythmen zu verwenden, wenn ich Prosa schreibe, wie in der Musik. Alle Manngard Lieder beginnen mit einem Riff; Ich vermute mal, dass meine Bücher mit genauso etwas beginnen, das ähnlich dieser Riffs ist; einem bisschen Action oder dem plötzlichen Auftauchen des Bildes eines Charakters.
Squealer-Rocks.de: Lass uns also noch mal auf Manngard zu sprechen kommen. Sind schon einige Konzerte inklusive einer Europa Tour geplant?
Olav Kristiseter: Hoffentlich können wir eine Europatour als Vorband für einen größeren Act unseres Labels, Candlelight, später in diesem Jahr oder im nächsten Frühjahr machen. Aber im Moment gibt's da noch nichts Konkretes. Wir arbeiten daran und werden die Gigs auf unserer MySpace-Seite, so bald sie feststehen, bekannt geben.
Squealer-Rocks.de: Dann bedanke ich mich bei dir dafür, dass du dir die Zeit genommen hast meine Fragen zu beantworten. Die letzten Worte gehören dir!
Olav Kristiseter: Vielen Dank! Wir sind verdammt stolz auf EUROPEAN COWARDS, die Lieder, die Originalität, den Sound und das Live-Feeling darin. Testet es an, wenn ihr offen für ein etwas anderes Album in eurer Metal Kollektion seid; mit einem ganz hohen Headbang-Faktor, um euch dazu moshen zu lassen!
DISCOGRAPHY:
2002 – Manngard (EP)
2006 – Circling Buzzards
2007 – European Cowards
SQUEALER-ROCKS Links:
Manngard - European Cowards (CD-Review)
Olav Kristiseter von Manngard (Interview)