Squealer-Rocks.de DVD-Review
Dream Theater - Chaos In Motion 2007 - 2008

Genre: Progressive Metal
Review vom: 06.11.2008
Redakteur: maddin
Veröffentlichung: 31.10.2008
Label: Roadrunner Records



So, nun es ist wieder mal so weit. Wie sich das mittlerweile eingewöhnt hat, bringt die Prog-Metal Institution Dream Theater im Nachfolgejahr des vorangegangenen Studioalbums eine neue Doppel-DVD heraus. In diesem Falle heißt besagtes Album „Systematic Chaos“, und verwundern wird es niemandem, dass selbiges auf dieser DVD eine nicht unwesentliche Präsenz innehaben wird.
Bevor wir uns aber mit Einzelheiten auseinander setzen, klären wir erstmal die Frage, ob es überhaupt notwendig ist, in einer Zeitspanne von gerade mal drei Jahren gleich drei DVD-Pakete auf den Markt zu pfeffern. Da in diesem Falle die Antwort kaum „42“ lauten kann, wie in so vielen anderen Fällen, lautet die Antwort schlussendlich:
Nein.
Denn diese Veröffentlichung, das sei von Anfang an gesagt, ist für Fans der Band gedacht. Selbige können sich das Lesen der folgenden Zeilen damit auch sparen, denn die werden das Teil so oder so aus den Regalen reißen, ganz egal was ich hier noch schreibe. Denn bekanntlich wird keine Gelegenheit ausgelassen, sich vor Augen zu führen, wie unübertroffen ihre Idole nach wie vor sind. Alle anderen werden das spätestens seit „SCORE“ wissen. Versuchen wir also einfach mal, das neue Material so neutral es geht zu bewerten.
Frage geklärt? Gut, dann los!

Die Haupt-DVD enthält im Gegensatz zu „Live at Budokan“ und bereits genannter „SCORE“ kein vollständiges Konzert, sondern eine Dokumentation der Namens gebenden Chaos in Motion-Tour. Dies ist jedoch nicht annähernd so bemerkenswert wie die Tatsache, dass DT zum wiederholten Male das Kunststück fertig bringen, kaum eine Überschneidung zum Vorangegangenen Output zu bieten. Darüber hinaus wird sich auch hier der Fan wieder freuen, dass mit dem wieder etwas komplexer und progressiver ausgefallenen Studioalbum auch die progressiven Frickel-Orgien wieder gemehrt haben. Losgelegt wird, nachdem man Richard Strauss’ bekanntes Werk „Also sprach Zarathustra“ mit Metal-Klängen intoniert hat, mit dem schön schnellen „Constant Motion“ vom aktuellen Release, gefolgt vom noch schnelleren, großartigen „Panic Attack“ vom Vorgänger „Octavarium“. Man macht erfreulicherweise seine Sache richtig und beginnt das Gezeigte mit dem angebrachten Tempo, lässt aber auch besagte Frickel-Orgien nicht außen vor.

Dann wird das ganze unterbrochen, und bevor man die nächsten Aufnahmen in anderer Lokalität zu Gesicht kriegt, werden einige Kurzaufnahmen von Hallen und Fans auf der ganzem Welt gezeigt, gefolgt von leider nicht wirklich interessanten Interviewausschnitten mit den einzelnen Bandmitgliedern, primär natürlich Mike Portnoy und John Petrucci, sowie zwar nicht viel interessanteren, dafür sehr unterhaltsamen Backstage-Aufnahmen (Portnoy: „Bedeutet das etwa, dass die Leute in Detroit auf Golden Showers stehen?“). Ähnliche Vorgänge mogeln sich durch die gesamte DVD und werden im Nachfolgenden nicht mehr erwähnt, es gibt schließlich wichtigeres zu tun.

Kommen wir also zur Songauswahl zurück. Hier ist vor allem „Surrounded“ vom Meisterwerk „Images and Words“ hervorzuheben, denn was Herr Petrucci hier an Gitarrensoli bietet, verleiht dem Ausdruck „unglaublich“ vollkommen neue Dimensionen. Weitere instrumentale Materialschlachten kriegt man besonders bei „The Ministry Of Lost Souls“ und „The Dark Eternal Night“, dem besten Song auf „Systematic Chaos“ vor den Latz geknallt. Keyboard-Zauberkünstler Jordan Rudess bekommt darüber hinaus seinen eigenen Soloauftritt zugesprochen und verzichtet anders als damals in Tokio darauf, einfach nur eine kurze Eigenkomposition vorzutragen, sondern konzentriert sich primär darauf, eindrucksvoll die Vorzüge eines Continuum Fingerboard und seiner (einer Außerirdischen Laserwaffe nicht unähnlichen) Keytar zu präsentieren.

Abgerundet wird das ganze durch das schön eingängige „Forsaken“ sowie einige ältere, zum Teil sehr selten gespielten Songs. Besonders erfreulich für die meisten Fans dürfte „Take The Time“ sein, mit dem sich ein weiterer Song von Images and Words die Ehre gibt. Kernstück des gesamten Live-Teiles der DVD sind allerdings die beiden Teile von „In The Presence Of Enemies“, die hier in voller Länge als 25-minütiges Lied präsentiert werden und noch mal für Verblüffung sorgen, wenn man feststellt, wie viel Spannung man diese ungeheure Spielzeit lang halten kann. Für Atmosphäre sorgt natürlich der extrem düstere Refrain, in den Instrumentalparts wird noch mal sämtliches Können der Musikanten aufgeboten und dem heruntergeklappten Unterkiefer des Zuschauers nicht einmal der Hauch einer Chance gegeben, sich wieder zu heben.

Soviel erstmal zu DVD 1.

Den Hauptteil der zweiten DVD stellt eine gut 90 Minuten lange Dokumentation mit dem Titel „Behind The Chaos On The Road“ dar. Nicht nur die Band, auch die Crew gibt sich hier die Ehre und gewährt Einblick in ihre Arbeit. Nahezu alle Mitglieder selbiger, von den Tourmanagern über die zahlreichen Bühnen- und Soundtechniker bis hin zum Caterer, kommen hier zu Wort. Darüber hinaus wird die Band beim Soundcheck gezeigt, beim Meet & Greet mit den Fans, bei den Vorbereitungen auf das Konzert etc. Die Dokumentation ist um einiges interessanter als das dokumentarische Material auf der ersten DVD, besonders für die (nicht gerade wenigen) Musiker unter den Fans, der Unterhaltungswert bricht aber auch hier nicht ab. Lediglich das ständige Erinnern seitens Band und Crew, wie viel Spaß das Ganze macht und wie toll alle miteinander harmonieren, fängt irgendwann an einem auf den Zeiger zu gehen.

Auch die Videoclips zu „Forsaken“ und „Constant Motion“ sind hier enthalten (leider wurde die Musik bei letzterem recht ungeschickt geschnitten) von erstgenanntem und „The Dark Eternal Night“ sind außerdem Videos mit Bildmaterial aus dem Aufnahmestudio vorhanden. Als weiteres Extra kann man sich Animationen zu „The Ministry Of Lost Souls“ und dem zweiten Teil von „In The Presence Of Enemies“ ansehen.

So.

Das war lange? Ein bisschen viel des Guten? Tja. Ungefähr das dachte ich zunächst bei der Sichtung dieser DVD auch. Aber immerhin bekommt man hier nicht weniger als fünfeinhalb (!) Stunden Material zu sehen. Was unter Umständen als Anlass herhalten kann, mit so einem Review ein ganzes Buch zu füllen. Da muss man soviel Zeit schon mal aufbringen können.

Wer jetzt die Frage einbringen möchte, warum ich bereits gleich zu Anfang dieser Zeilen erwähnt habe, dass diese DVD nicht unverzichtbar ist, obwohl ich bislang nicht ein einziges Wort über irgendwelche negativen Aspekte habe fallen lassen, dem sei gesagt: Dazu komme ich jetzt!

Denn leider ist hat die Aufnahmequalität im Gegensatz zu den beiden vorigen DVD-Releases bedeutend nachgelassen. Sowohl was Bild als auch was den Sound betrifft. Klar, wenn man Aufnahmen von sechs Konzerten mischt, anstatt sich auf ein einzelnes zu konzentrieren, kann man die einzelnen Mitschnitte nicht mit ganz so großem Aufwand betreiben. Da müssen es dann mal ein paar Kameras weniger sein, man kann das Tonmaterial nicht ganz so großzügig bearbeiten. Man kann auch nicht ganz ausschließen, dass dies von Bootleg-Fan Portnoy durchaus gewollt ist, aber das sei mal dahin gestellt. Zum Glück bedeutet das alles noch lange nicht, dass es aus den Boxen plärrt wie ein mit nur einem einzelnen Mikrofon aufgenommenen Underground-Konzert. Dennoch ein Aspekt, den sich die Band für das nächste Mal bitte zu Herzen führt.

Leider muss auch gesagt werden, dass Sänger James LaBrie sich im Gegensatz zu dem älteren Livematerial nicht sonderlich gesteigert hat, ganz im Gegenteil. Diese DVD wird ihm kaum dabei helfen, seinen ohnehin schon schwierigen Status in der Band zu untermauern, woran einige schräge Töne und natürlich auch die qualitativ abgenommene Aufnahmequalität Schuld tragen. Schade.

Der größte Kritikpunkt ist allerdings das letzte Stück. „Schmedley Wilcox“ heißt das Teil, und stellt eine zwanzigminütige Zusammenfassung von fünf Album-Rausschmeißern dar. Meines Wissens wurde dieses Lied auf der Tour bei den meisten Konzerten dann auch als Zugabe gespielt. Bei aller Liebe, meine Herren: das könnt ihr aber besser! Denn was zum Teufel soll das bringen, fünf der am wenigstens gehörten Songs in der gesamten DT-Diskographie mehr oder weniger gekonnt zu einem Überlängen-Medley zusammenzubasteln, nachdem man das Publikum schon zuvor mit dem noch längeren „In The Presence Of Enemies“ ordentlich auf Trab gehalten hat? Von den einzigen beiden Evergreens der Band, „Pull Me Under“ und „Metropolis“, hätte hier zumindest einer gespielt werden müssen! Doch was erzähle ich? Das werden die Jungs längst wissen, die hunderte von Beschwerdebriefen, die man von wütenden Fans erhalten hat, werden ihre Aufmerksamkeit schon geweckt haben.

So, nachdem ich nun groß und breit über das neue Teil hergezogen und es mit einer nahezu beängstigenden Präzision analysiert habe, stellt sich nun die Frage, ob man es aufgrund eben runter geknüppelter Kritik NICHT kaufen sollte. Und die Antwort lautet in diesem Falle:

Ebenfalls nein.

Denn obwohl dieses Eisen sich nicht ganz so geschickt und eindeutig zu einem Pflichtkauf gemausert hat wie seine Vorgänger (Jaja ich weiß, ich spiele heute extrem oft auf selbige an (Sorry, lässt sich nicht vermeiden)), kriegt man hier dennoch echte Qualitätsware geboten. Die Extras sind durch und durch sehenswert, die Songauswahl erstklassig und vor allem breit gefächert und zu den brillanten Fähigkeiten dieser, verzeiht mir bitte meine ungezügelte Begeisterung, schlichtweg herausragenden Musiker braucht man ohnehin nichts mehr zu sagen. Trotz sichtbarer Schwächen eine durchaus gelungene DVD, die jedem etwas bieten kann, wenn man ihr eine Chance gibt.

So Leute, da habt ihr sie: knallhart recherchierte Fakten, 100% exakt ausbaldowert und 100% objektiv vorgetragen von einem 100%igen Fan der Band. Ihr habt was ihr braucht um zu wissen, ob diese DVD die Knete wert ist oder nicht. Und da in diesem Land menschliche Individualität und Meinungsfreiheit durchaus erlaubt sind, entscheidet sich wie so oft jeder selbst, ob er nun diese Investition auf sich nimmt oder nicht und wie weit es sich für ihn lohnen wird.

Außer die Dream Theater-Fans natürlich. Die haben sich das Teil ohnehin schon ein halbes Jahr im Voraus bestellt.

(Gastreview von Jensen. Vielen Dank!)


DVD 1:

1. Intro/Also sprach Zarathustra
2. Constant Motion
3. Panic Attack
4. Blind Faith
5. Surrounded
6. The Dark Eternal Night
7. Keyboard Solo
8. Lines In The Sand
9. Scarred
10. Forsaken
11. The Ministry Of Lost Souls
12. Take The Time
13. In The Presence Of Enemies
14. Schmedley Wilcox:
I. Trial Of Tears
II. Finally Free
III. Learning To Live
IV. In The Name Of God
V. Octavarium


DVD 2:

- Behind The Chaos On The Road (90 minute Documentary)

- Promo Videos:
1. Constant Motion
2. Forsaken
3. Forsaken (in Studio)
4. The Dark Eternal Night (in Studio)

- Live Screen Projection Films:
1. The Dark Eternal Night (NADS)
2. The Ministry Of Lost Souls
3. In Presence Of Enemies Pt. 2

- Mike Portnoy Stage Tour

- Mike Portnoy Backstage Tour

- Photo Gallery


Line-Up:

James LaBrie – Vocals
John Petrucci – Guitars
Jordan Rudess – Keyboards
John Myung – Bass
Mike Portnoy – Drums

DISCOGRAPHY:

1989 – When Dream And Day Unite
1992 – Images And Words
1993 – Live At The Marquee
1994 – Awake
1995 – A Change Of Seasons
1997 – Falling Into Infinity
1998 – Once In A LIVEtime
1999 – Metropolis Pt. II: Scenes From A Memory
2001 – Live Scenes From New York
2002 – Six Degrees Of Inner Turbulence
2003 – Train Of Thought
2004 – Live At Budokan
2005 – Octavarium
2006 – SCORE
2007 – Systematic Chaos
2008 – Greatest Hit (...And 21 Other Pretty Cool Songs)
2008 – Chaos In Motion 2007-2008 (DVD)

SQUEALER-ROCKS Links:

Dream Theater - Chaos In Motion 2007 - 2008 (DVD-Review)

Dream Theater - Bonn, Museumsplatz (Live-Review)


SONSTIGES:

BANDHOMEPAGE
Diesen Beitrag im Forum diskutieren