Squealer-Rocks.de Live-Review
Dream Theater und Riverside (17.06.2007, Bonn, Museumsplatz, Jensen)

Dream Theater in Bonn? Nichts wie hin, denk ich mir, als mein Kollege am Bass verlauten lässt, dass er sich den Gig dieser Genregrösse in unserer einstigen Hauptstadt trotz Kartenpreis im 40 Euro-Rahmen nicht entgehen lässt. So besorge ich mir auf den letzten Drücker eine Karte und sichere mir einen Platz im Auto. Und schon heisst's: Auf nach Bonn! Unterwegs und anschließend vor Ort wird natürlich fleissig spekuliert, denn wie alles was nach „Scenes From A Memory“ kam, wird auch dieses Konzert ebenso wie das aktuelle Werk „Systematic Chaos“ unter Fans mächtig diskutiert werden, klar. Vor allem dominieren die Fragen: Wie viele Songs vom aktuellen Langeisen werden sie spielen? Wird das über 25-minütige „In The Presence Of Enemies“ dabei sein? Wie viel Material von den vorigen Alben wird dabei sein, wie viel von den alten? Und vor allem: Was für eine Überraschung werden uns die Herren diesmal bescheren? Denn für eine solche sind sie ja bekanntlich immer gut.


Die Beantwortung dieser Fragen muss vorerst warten, denn mittlerweile teilen sich DT die Bühne ja wieder mit einer Vorband. Diesmal sind es Riverside, die ein recht solides Programm spielen, welches zwischen Progressive- und Psychedelic Rock pendelt und die Vorfreude auf DT noch verstärkt, wobei mir besonders der Drummer sehr gut gefällt.

Nach Riverside muss man sich halt mit der unvermeidlichen Umbaupause rumärgern. Aber spätestens als die Hauptband dann die Bühne entert, ist aller Ärger verflogen, denn eine von genannten Überraschungen gibt es gleich zu Anfang: statt Material von aktuellen Album legen sie mit dem „Overture 1928/Strange Deja-Vu“-Doppelschlag vom „Scenes“-Album etwas altbekanntes vor. Die folgenden Nummern bescheren vor allem dem Metalhead unter den Fans, und solch einer bin ich natürlich, Begeisterung, denn es folgt der temporeiche Kracher „Panic Attack“ vom letzten Album „Octavarium“, und dann mit „Constant Motion“ und „Forsaken“, die ebenfalls überraschenderweise einzigen dargebotenen Songs von „Systematic Chaos“. Und nach der folgenden Ansage gibt es eh kein Halten mehr, denn diese lässt jeden Fan der ersten Stunde (und ein solcher bin ich ja bekanntlich auch) in endloser Euphorie aufgehen. Hatte ich zuvor mit einem anderen Fan spekuliert, welchen von den einzigen beiden „richtigen“ Klassikern der Band („Pull Me Under“ Und „Metropolis“) wir heute Abend hören werden, kriegen wir nun die Vollbedienung: Dream Theater spielen den Progressive-Meilenstein „Images & Words“ zum 15-jährigen Jubiläum dessen Veröffentlichung in voller Länge! Damit hätte wohl kaum einer gerechnet. Losgelegt wird mit besagtem „Pull Me Under“, und auch danach lässt die Feierlaune nicht nach, denn es folgt die gesamte Fülle, die Ballade „Surrounded“ wird auf gut und gerne 10 Minuten ausgedehnt und beim folgenden „Metropolis“ ist der Gig endgültig perfekt, es wird mitgestampft, mitgehüpft und mitgesungen bis der Onkel Doktor anrücken muss. Die folgenden „Under A Glass Moon“, „Wait For Sleep“ und das abschliessende „Learning To Live“ knüpfen da nahtlos an. Dabei lässt sich die Band das gesamte PROG-ramm hindurch nicht lumpen, Saitenhexer John Petrucci und Tastenmann Jordan Rudess gehen gewohnt entspannt und doch spielfreudig zu Werke, Basser John Myung legt mit seiner unter den Fans schon als Kult geltenden Zurückhaltung vor, während Kesselklopper Mike Portnoy (mit blau gefärbten Bart!) und Front-Figur James LaBrie schlicht und ergreifend cool sind und zu jeder Zeit mit dem Publikum kommunizieren. (und den Metalhead wird abermals freuen, dass Mr. Petrucci endlich wieder lange Haare hat, danke für die Toleranz, Gitarrero-Gattin!)

Nun stellt sich die Frage: Was für eine Zugabe erwartet uns? Die wie erwähnt einzigen Klassiker wurden schliesslich beide schon gespielt. So bin ich ein wenig enttäuscht, denn es wird mit „The Spirit Carries On“ nach den Songs von „Images...“ die bereits vierte Ballade vorgetragen, die sich meiner Meinung nach nicht grade als obligatorisch klassifizieren lässt. Der Stimmung tut das keinen Abbruch, denn auch hier lassen die Publikumschöre nicht nach und mit dem Abschlusssong, dem Opener „As I Am“ von meinem persönlichen DT-Lieblingsalbum „Train Of Thought“ ist auch mein Bedarf wieder ausgefüllt.

Als Schlusskommentar lässt sich sagen: Eine durchaus gelungene Show! Das Material vom aktuellen Longplayer wurde kurz gehalten, was auch nicht verkehrt ist, da er schliesslich eben erst den Weg in die Läden gefunden hat und speziell „In The Presence Of Enemies“ die Fans nur unnötig überfordert hätte. Stattdessen gab es Klassiker und Heaviness zuhauf, wobei natürlich auch für mich einige Unzufriedenheiten nicht zu vermeiden waren, etwa das fehlende „The Dark Eternal Night“, auf das ich mich sehr gefreut hatte, oder die verpatzte erste Zugabe. Auch werden Fans der Alben „When Dream And Day Unite“, „Awake“, „Falling Into Infinity“ und „Six Degrees“ enttäuscht sein, denn sie wurden übergangen! Doch bei einer so vielschichtigen Band ist es gradezu zwanghaft: mit den 40 Eiern für den Eintritt kauft man sich auch ein gewisses Risiko dazu, denn man kann nie wissen, was die Truppe sich als nächstes einfallen lässt, und man entscheidet stets für sich, ob man mit ihrer Entwicklung und Präsentation einverstanden ist oder nicht. Ich für meinen Teil hatte diesmal vermutlich Glück und reiche jetzt schon meine Bestätigung ein, dass ich in zwei Jahren zur nächsten Tour für dieses Wagnis nur zu gern abermals vierzig Ocken auf den Tresen knallen werde.


Setlist:

01. Overture 1928/Strange Deja-Vù
02. Panic Attack
03. Constant Motion
04. Forsaken
05. Pull Me Under
06. Another Day
07. Take The Time
08. Surrounded
09. Metropolis
10. Under A Glass Moon
11. Wait For Sleep
12. Learning To Live
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13. The Spirit Carries On
14. As I Am