Squealer-Rocks.de CD-Review
Rage - Speak Of The Dead

Genre: Symphonic Progressive Metal
Review vom: 01.03.2006
Redakteur: Jack
Veröffentlichung: bereits veröffentlicht
Label:



Nach den letztjährigen Feierlichkeiten zum 20 jährigen Bandbestehen (nachträglich noch einmal „Danke“ für diese lange Zeit und die vielen herausragenden Metalhymnen) und dem Release von Best Ofs und Livealben kehren Rage zurück zum harten Metalalltag. Das seit etwa fünf Jahren konstantgebliebene Trio, bestehend aus Peavy Wagner (Gesang, Bass), Viktor Smolski (Gitarre) und Mike Terrana (Schlagzeug), steht mit SPEAK OF THE DEAD vor der großen Hürde den drei Jahre alten, aber noch immer fest in den Gedächtnissen der Bangerschaft verankerten Vorgänger SOUNDCHASER nicht vergessen zu machen, ihm aber gehörig Paroli bieten zu können.

Ein gewisser österreichischer Kollege erklärte mir, dass Metal mit hohem Keyboardeinsatz und Sinfoniegehabe kein richtiger Metal sei. Eine eigentlich total belanglose Aussage eines Rolling Stones Fanatikers, mit der er im Falle der ersten acht Tracks (also dem Epos „Suite Lingua Mortis“) des neuen Ragealbums SPEAK OF THE DEAD jedoch gar nicht mal so unrecht hat. Das Wort „Metal“ liegt einem beim Hören dieser weit verschachtelten und extrem vertrackten vom Symphony Orchester der Stadt Minsk begleiteten Stücke in keinster Weise auf der Zunge und so verwundert es auch nicht, wenn so mancher Hörer nach dem Erklingen der ersten beiden Instrumentalnummern „Mortituri Te Salutant“ und „Prelude Of Souls“ bereits kapituliert und einige Tracks überspringt, um etwas leichtere Ragekost vorgetragen zu bekommen.

Klar, das was die Klassikfanatiker in der „Suite Lingua Mortis“ betreiben, ist kein Neuland, mit dem die Fans der Band konfrontiert werden (man betrachte hierbei Alben wie LINGUA MORTIS, XII oder GHOSTS), trotzdem wünscht man sich von den Frikelmeistern eigentlich eine metallischere Ausrichtung. Diese repräsentiert stellenweise einzig das fünfeinhalb Minuten lange und powervoll vorgetragene „Innocent“. Der Rest des Epos wird von klassischen Instrumenten und deren Stimmungen bestimmt, die „Metalinstrumente“ spielen nur ein untergeordnete Rolle oder fügen sich komplett ins klassische Konzept ein (sollte das nicht eigentlich andersherum sein). Wir wollen noch mal klarstellen, dass die „Suite Lingua Mortis“ beileibe keine Enttäuschung im eigentlichen Sinne ist („No Regrets“ setzt beispielsweise neue Maßstäbe und ergreift jeden aufrichtigen Hörer), sondern vielmehr vom Hörer einiges (womöglich zu viel) abverlangt (einmal hören, dann mächtig abrocken – vergesst es) und in der Tracklistplatzierung besser am Ende als am Anfang aufgehoben wäre.

Wem dieses intensive Auseinandersetzen dennoch zu anstrengend ist, dem bleiben auf SPEAK OF THE DEAD immerhin noch sechs weitere, weniger vertrackt ausfallende klassische Rageausarbeitungen der progressiven Power/Speed Metalzunft, die grob die Gedanken von SOUNDCHASER wieder aufgreifen: schnelles melodiebehaftetes Riffing, ein donnerndes Schlagzeugspiel, Variationen mit ruhigen Gesangparts und eingängigen Refrains. Gerade die packende Single „No Fear“ und das sehr gefügige „Soul Survivor“ wecken ansatzweise einige Erinnerungen an eben jenes Hammeralbum des Jahres 2003. Rage wären jedoch nicht Rage, wenn es keine Neuerungen gäbe und diese gibt es – die wenigen klitzekleinen Parallelen hin oder her. Peavy Wagner singt stellenweise aggressiver aber anderweitig auch gefühlvoller als jemals zuvor („Soul Survivor“, „Full Moon“ oder „Turn My World Around“), die Soli fallen noch ungewöhnlicher und schneller aus und auch in Sachen Abwechslungsreichtum hat man anno 2006 eine Schippe draufgelegt. Vorbei die Zeiten in denen die Riffgewalt 50 Minuten lang alles niedergewalzt hat: mal wird das Tempo stark gedrosselt, mal gediegen vor sich hin gerockt und so weiter und sofort. Rage bleiben Rage und bleiben anders als die Konkurrenz.

Fazit: Ich muss ehrlich gesagt gestehen, dass ich nach dem ersten Durchhören bereits die ersten Sätze für einen kleinen Veriss von SPEAK OF THE DEAD formuliert habe. Zu geschockt war ich von der Komplexität der acht „Suite Lingua Mortis“ Stücke und den verblüffenden Ähnlichlichten des Restmaterials zu SOUNDCHASER. Doch nach und nach sprang der Funke, den das Album vermitteln soll, auf mich über, ich konnte mich endlich aus den SOUNDCHASER Fängen lösen, entdeckte die Feinheiten des Albums und konnte schlussendlich zu Meisterwerken wie „No Fear“ oder „Speak Of The Dead“ abrocken. Was ich also sagen möchte ist: Gebt SPEAK OF THE DEAD Zeit bis es sich in eueren Gehörgängen entfaltet und ihr verfügt über einen neuen Metalmeilenstein in eueren Regalen.


Tracklist:
1. Suite Lingua Mortis: Mortituri Te Salutant
2. Suite Lingua Mortis: Prelude Of Souls
3. Suite Lingua Mortis: Innocent
4. Suite Lingua Mortis: Depression
5. Suite Lingua Mortis: No Regrets
6. Suite Lingua Mortis: Confusion
7. Suite Lingua Mortis: Black
8. Suite Lingua Mortis: Beauty
9. No Fear
10. Soul Survivor
11. Full Moon
12. Kill Your Gods
13. Turn My World Around
14. Be With Me Or Be Gone
15. Speak Of The Dead

Anspieltipps: Innocent, No Regrets, No Fear, Soul Survivor

Band Line-Up:
Peavy Wagner - Gesang, Bass
Victor Smolski - Gitarre, Keyboard
Mike Terrana - Schlagzeug

DISCOGRAPHY:

1986 - Reign Of Fear
1987 - Execution Guaranted
1988 - Perfect Man
1989 - Secrets In A Weird World
1990 - Reflections Of A Shadow
1991 - Extended Power (EP)
1992 - Trapped
1992 - Beyond The Wall (EP)
1993 - The Missing Link
1994 - Power Of Metal Live
1995 - Black In Mind
1996 - Lingua Mortis
1996 - End Of All Days
1998 - XIII
1998 - In Vain - Rage In Acoustic
1999 - Ghosts
2001 - Welcome To The Other Side
2002 - Unity
2003 - Soundchaser
2005 - From The Cradle To The Stage (CD/DVD)
2006 - Speak Of The Dead
2008 - Carved In Stone


SQUEALER-ROCKS Links:

Rage - Soundchaser (CD-Review)
Rage - Speak Of The Dead (CD-Review)

Rage - From The Cradle To The Stage (DVD-Review)

Rage + Custard + Red Gin - Lünen, Lükaz (Live-Review)

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