Squealer-Rocks.de CD-Review
Calaveras - Water High

Genre: Americana
Review vom: 04.06.2010
Redakteur: TheMattes
Veröffentlichung: bereits veröffentlicht
Label: Sweet Home Records



Solche Herausforderungen liebe ich ja, wenn von den angegebenen Links erst der letzte die erwünschten Antworten liefert. Denn die erste Frage, die ich mir bei einer Band immer stelle, ist die nach der Bedeutung des Bandnamens. Oft genug gibt’s keine Antwort, aber diesmal schon.
Calaveras also ist ein Bilderzyklus des mexikanischen Volksmalers Jose Guadalupe Posada (1852 - 1913), der erst nach seinem Tod zu einem der beliebtesten Künstler der noch jungen mexikanischen Republik avancierte. Seine Lithographien, die überwiegend alltägliche Lebensumstände der Menschen und politische Ereignisse der Revolution zeigen, sind bis in die Gegenwart hinein formbestimmend für die Kunst Mexikos. Aaaaha!

Interessanterweise aber hat die Musik von Cavaleras weniger mit Mexiko als mit der Musik des amerikanischen Mittelwestens zu tun. Seit den 1990er Jahren gibt es einen Begriff, der u.a. die verschiedenen Musikrichtungen in einem zusammenfasst: Americana. Damit wird eine Mischung aus Country, Western, Hillbilly, Blues, Rhythm & Blues, Folk, Roots Rock, Rock 'n' Roll und so weiter bezeichnet, die damit die Quintessenz der amerikanischen Musiktradition darstellt.

"Water High" ist nun das zweite Album von Cavaleras mit zehn sehr reizvollen Songs in einer zwar dunklen, aber durchaus nicht negativen, Atmosphäre. Es sind sehr unterschiedliche Songs, mal melancholisch, mal leidenschaftlich, aber immer melodiös. Vorgetragen werden sie von einer Stimme, die im besten Sinne amerikanisch kling, tief und rau und abgeklärt. Man hört leise Ironie oder manchmal auch ein wenig Boshaftigkeit heraus, aber immer getragen von den Instrumenten, die ihrerseits jedes für sich wieder eine Geschichte erzählen und so eine Atmosphäre erschaffen, die an eine lange Reise durch eine staubige, heiße Wüste erinnern. Vor meinem geistigen Auge entstehen beim Hören Bilder von Orten, wo ich noch nie war, die ich aber zu kennen glaube, denn die amerikanische Musiktradition ist hier überall heraus zu hören, vor allem die der herausragenden Filmmusiken für bleihaltige Italowestern.


Okay, aber von vorn. Gleich der erste Song "Water High" ist ein dunkler, gemächlicher, sich steigernder, Blues mit unglaublich emotionalen Backgroundchören, melancholischem Cello und fast gehauchtem leisem Gesang.
"Ride On" beginnt mit krachenden Riffs, dann setzt ein harter Groove mit Bass ein und verschiedene Instrumente imitieren eine sich nähernde Eisenbahn plus eine sehr schöne Melodie.
Mit "Evening Light", einem Instrumental, zeigen die Jungs uns, was es heißt, den Titel, und damit das Thema, eines Songs in Musik umzusetzen. Die Gitarren erzeugen gemächlich eine Stimmung, die vor meinem geistigen Auge die Lichter einer nächtlichen Stadt entstehen lassen. Der tagsüber herrschende Lärm wird leiser, gedämpfter und das Nachtleben beginnt. Superb, mes amis!
"The Ripper" kommt irgendwie südamerikanisch aus dem Gebüsch gesprungen. Rumba oder so ähnlich, aber genau genommen habe ich keine Ahnung. Die Bläser machen die Musik und der Song geht flott und leicht ins Ohr.
Und jetzt wird’s erst recht melancholisch, denn "Hands Over You" ist sowas von gemächlich, getragen von der Trompete. Motto: "Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss".
Aber ehe das Ganze jetzt endgültig in die Melancholie abdriftet, ertönt "Mary Went Home" und fröhliches Pfeifen, verbunden mit dem typischen Westernrhythmus eines trabenden Pferdes, das wohl Mary heißt. Nein, Unsinn, ein Mädchen kommt nach Hause und wird erschlagen. Gar nicht nett!
"Dinah" beginnt mit einem schluchzenden Cello und einem Kerl, der auf sein Mädchen wartet, das abgehauen war.

Und nun die Mutter aller Filmmusiken, denn "Charger '67" hätte Ennio Morricone auch nicht besser hingekriegt. Hier gibt’s die typische gepfiffene Melodie, die klagende Trompete und das schluchzende Cello und die Gitarre, die ein paar harte, dunkle Riffs absondert (Auftritt: Held, wahlweise Franco Nero, Charles Bronson oder Clint Eastwood), nach denen üblicherweise zwei bis drei unrasierte Kerle in langen Staubmänteln ins Gras beißen.
Wenn's 'nen Preis in der Kategorie "New Western Melodies (Instrumental)" geben würde, "Charger '67" wäre konkurrenzloser Preisträger. Genial!
Dann wird noch schnell "Six Shells" hinterher geschoben, ein schlicht schöner Song im Rhythmus des Mittleren Westens, hier mit Leadsolo.
Abschließend ein Song wie ein Requiem, weil's zum Schluss unseren Helden dann wohl doch noch erwischt hat. In "Tide Of Love" bläst der Westwind, ohne Liebe und ohne Hoffnung, denn die Westwinde wehen. Lyrisch, nicht wahr? Auch dieser Song ist wieder Filmmusik pur, oder wäre es ohne Gesang. Dabei ist gerade der Gesang ein sehr wichtiges Element bei Cavaleras, denn Robert Lässig macht seinem Namen alle Ehre. Sein lässiger, unaufgeregter, rauer Gesang adelt alle Songs und passt wie die Faust auf das berühmte Auge, wem auch immer es gehören mag. Er bewegt sich dabei in Richtung Nick Cave und Mark Lottermann.

Ich würde also schwören, nach all den Songs mitten aus dem amerikanischen Mittleren Westen, dass wir es hier mit ein paar gestandenen amerikanischen (deutschstämmigen?) Musikern zu tun haben, die die Tradition hochhalten, aber, kreativ wie sie sind, etwas Neues in diese schöne Musikwelt gesetzt haben….
Wettergegerbte Kerle mit Instrumenten statt Revolvern, aber mit Hüten so groß wie Sonnenschirme und zusammengekniffenen Augen wegen der gnadenlosen Wüstensonne….
Bei denen zwischen vertrocknenden Lippen trotzdem noch ein Zigarillo qualmt….

Genau! Cavaleras bestehen aus sieben Musikern verschiedener schon existierender Bands wie Radar, Desperado5, Freezer, Barflys (genau genommen müsste das wohl "Barflies" heißen, der Red.), Dolly Meat, Setting Moon und der Brass Band Chemnitz.

CHEMNITZ???

Jawollja! Die Jungs kommen aus Chemnitz und haben schon 'ne Menge Erfahrung im Musizieren mitgebracht. Vor allem aber haben sie auch eine Menge Ahnung vom Musik schreiben und Texten, denn nur so können die ganzen Perlen auf dieser Scheibe entstanden sein. Respekt! Geschwindigkeitsmäßig ist dat aber nix für Formel 1-Freaks, eher schon für die Freunde einer schönen Oldtimer- Rallye, schließlich waren die Gäule damals auch nicht schneller.

Das heißt natürlich jetzt für alle Westernfreunde, und die, die es werden wollen:
"Water High" von Cavaleras ist ein Muss. Stichwort: KAUFEN, wenn ihr versteht, was ich meine!


Tracklist:
1. Water High
2. Ride On
3. Evening Light
4. The Ripper
5. Hands Over You
6. Mary Went Home
7. Dinah
8. Charger '67
9. Six Shells
10. Tide Of Love

Line-up:
Sebastian Mansch - vocals, rhythm guitar
Robert Lässig - lead vocals, rhythm guitar, lap steel guitar
Ron Heinrich - lead guitar, rhythm guitar
Tom Müller - drums, accordion
Marcus Altmann - cello, percussion
Carsten Harbeck - upright bass
Thomas Blasko - Trumpet, percussion

DISCOGRAPHY:

2007 - Calaveras
2010 - Water High

SQUEALER-ROCKS Links:

Calaveras - Water High (CD-Review)

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