Squealer-Rocks.de CD-Review
Echoes - Nature / Existence

Genre: Progressive Metal/Math Metal
Review vom: 06.04.2010
Redakteur: TheMattes
Veröffentlichung: bereits veröffentlicht
Label: ProgRockRecords



Echoes kommen aus Venezuela und legen mit "Nature / Existence" ihr erstes Album vor. Sie haben 2005 Venezuelas prestigeträchtigstes Rockfestival gewonnen und spielten dann viele Festivals und Shows, so dass sie sich immer weiter verbessern konnten. Sollte man ja auch erwarten. Erwarten kann man nicht unbedingt, dass Echoes eigentlich eine Instrumentalband ist, die sich für dieses Album gleich vier Sänger geschnappt hat, um für die entsprechenden Songs auch die richtige Stimme zur Verfügung zu haben.
Was man aber vor allem nicht erwarten konnte, ist die Herkunft aus einem Land, in dem lateinamerikanische Rhythmen und radiokompatibler Poprock dominieren. Rock, Metal und progressive und elektronische Spielarten werden hier eher als Kuriositäten angesehen. Aber diese Jungs hat das nicht weiter gejuckt und sie haben mit "Nature / Existence" gegen allen Mainstream versucht anzuspielen. Und deshalb werde ich ihnen auch ihre verdiente Chance geben…

Selbst wenn die Scheibe nicht von Progrock Records gekommen wäre, dann macht schon das Cover klar, dass es sich hier um Progrock handelt, und das nicht zu knapp. Auch der Titel "Nature / Existence" deutet da in meterhohen Buchstaben drauf hin. Außerdem ist der Trennstrich eigentlich dieses senkrechte Sonderzeichen, das aber von uns durch den Schrägstrich ersetzt wird, damit es im Netz keine Probleme gibt. Also Prog wohin das geschärfte Auge blickt! Hier scheint wohl alles bis ins kleinste Detail geplant zu sein, wofür auch die Liste an Gastmusikern spricht. Da bin ich dann aber mal gespannt, ob sich der enorme Aufwand gelohnt hat.

Es beginnt mit einem "Epilogue"(!), denn ein Anfang ist immer auch ein Ende, wie der Filosof in jedem von uns ja weiß. Deshalb endet es auch mit einem "Prologue", da ein Ende immer auch der Anfang von etwas Neuem ist. Alles klar soweit? Gut!
Der Epilog jedenfalls beginnt ruhig und mit epischen Riffs und treibendem Groove, überlagert von bildschönen Twin-Gitarren und sphärischen Keyboards. Sehr guter Anfang, soviel steht fest!
"Rude Awakening" täuscht erst ruhig an, entspannter Gesang umschmeichelt mich, ehe Echoes zeigen, dass es auch heftiger geht. Es entfaltet sich ein komplexes, sehr rhythmisches Klanggebilde, das sich zu einem hervorragenden Prog Metal-Song entwickelt.
Fast übergangslos befinden wir uns in "Leaf Motif", wo die Entwicklung des vorherigen Songs weitergesponnen wird. Die ruhigen Passagen werden konterkariert von Metalparts vom Feinsten mit Gitarren- und Keyboardlinien, die von großer Harmonie und sogar Wohlklang gekennzeichnet sind.
"Lullaby" dagegen ist weit entfernt davon, ein Wiegenlied zu sein. Hier und auch in "Bonfires" zeigen Echoes, dass es auch (fast) durchgehend lärmen darf, mit hervorragend gesetzten Breaks und großartiger Melodieführung.
Ebenso herausragend ist das äußerst melodische, aber kaum zwei Minuten lange, "Seasons Came To Pass", lyrisch-sphärisch schon beinahe. Über den klasse Song "Unfair" geht es weiter und Echoes schlagen weiter eine Schneise durch das Dickicht der Möglichkeiten, denn auch die nächsten Tracks fügen sich nahtlos ein in dieses vorgegebene Konzept aus Versatzstücken verschiedener Genres. Zielstrebig werden Breaks genutzt, um die Songs immer interessant zu halten und das Wechselspiel von laut und leise, schnell und langsam wird konsequent genutzt, um auch neue Instrumente wie das Saxophon schon fast organisch in der Komposition einzubetten ("Despair").
Gegen Ende wird "Nature / Existence" in ruhigeres Fahrwasser gelenkt mit einer Ballade, die vor allem auch durch den wohlgesetzten Einsatz des Saxophons an Pink Floyd erinnert.
Als ich freilich die ersten beiden Worte des Titels lese, läuft es mir eiskalt den Rücken herunter, das Zimmer verdunkelt sich und drohender Donner läßt den Dachboden erzittern: "Winds Of…."!!!
Mein Herzschlag stockt und mein Blut beginnt zu verklumpen, aber nach dem letzten Wort ist alles wieder gut: "….Dread". Puuuuuh, noch mal gut gegangen. Meine(!) Güte!
Hey, ich liebe die Scorps, aber genug ist genug!
"Winds Of Dread" (hatte ich letztens auch, war wohl zuviel Knobi in den Frikadellen) also ist ein sehr schöner Song, balladesk, melodiös, gefühlvoll, träumerisch. Zuerst wird durch verschiedene Sounds eine romantische Atmosphäre gezaubert und dann läßt mit gefühlvollem Gesang und symphonischer Opulenz Pink Floyd schön grüßen.
"Farewell" geht mit Streichern und Klavier noch einen Schritt weiter in Richtung Klassik, die Akustikgitarre macht auch mit und mit fast schon filmmusikartiger Üppigkeit ist auch dieser instrumentale Track als Highlight zu betrachten!
Der "Prologue" hat ein wenig was von leiser, entrückter Popmusik, entwickelt sich aber immer weiter in Richtung orchestralem Rocksong. So machen Echoes deutlich, dass in jedem Ende auch ein neuer Anfang steckt und der Kreis zum "Epilogue" schließt sich mit der Melodie zur Akustikgitarre perfekt.

So! Wat nu? Hat sich der Aufwand gelohnt und was ist "Nature / Existence" denn jetzt genau?

Diese Platte ist genaugenommen eine Mixtur aus Prog Rock and Math Metal mit einer Menge Post Rock, einschließlich einer kleinen, bescheidenen Dosis Industrial Electronic. Gleichzeitig ist es ein äußerst gelungenes Konzeptalbum, in dem die Geschichte einer gefundenen und dann wieder verlorenen Liebe erzählt wird (glaube ich jedenfalls), eingebunden in die zyklische Natur des Lebens (Vom "Epilogue" zum "Prologue", nicht wahr!). Das Motto könnte heißen: "Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss", aber diese Behauptung ist hier ja gerade falsch, denn beim Epilogue beginnen immer neue Erfahrungen und dabei sind Brüche eher die Regel als die Ausnahme.
Das ist irgendwie ganz schön esoterisch angehaucht, finde ich, und manche Texte sind mir echt rätselhaft. Ich bilde mir ein, richtig gut zu sein im Texte interpretieren, aber viele Inhalte und Formulierungen sind da doch sehr kryptisch. Will sagen, da ist so viel Hintersinn dabei, dass kann ich als Außenstehender nicht entschlüsseln. Habe ich halt Pech gehabt.
Interessanterweise gefallen mir alle Songs dieser Scheibe sehr gut, denn jeder hat Trademarks, die ihn zu etwas besonderem machen. Auch die wechselnder Sänger machen sogar richtig Sinn, da sie zu den jeweiligen Songs perfekt passen. Manche Songs sind fast instrumental, andere dagegen Songs im wahrsten Sinne des Wortes, da der Sänger dort die Chance hat, sich auszuzeichnen, wie z.B. Tobias Jansson bei "Unfair".

Und ich muss es noch mal betonen: "Nature / Existence" ist die perfekteste Umsetzung des Begriffs "Konzeptalbum", die ich kenne. Heutzutage ist alles ein Konzeptalbum, nur weil alle Songs unter eine äußerst weit gefasste Thematik fallen. Wenn's danach geht, dann sind auch Platten von Howard Carpendale oder Whitesnake "Konzeptalben", denn die gemeinsame Thematik ist das Leben, die Liebe und die Frauen. Bei Echoes aber zieht sich auch ein musikalischer Faden durch das ganze Album, wie ich ihn besser noch nicht habe gesponnen gehört!

Für "Nature / Existence" von Echoes aus Venezuela(!) und dem Jahr 2010 gibt’s deshalb ein ganz klares: Herausragend!


Tracklist:
1. Epilogue (…is where we start)
2. Rude Awakening
3. Leaf Motif
4. Lullaby
5. Bonfires
6. Unfair
7. Seasons Came To Pass
8. Far From Coincidence
9. Despair
10. Winds Of Dread
11. Farewell
12. Prologue (Where we end…)

Line-up:
Javier Landaet - electric, nylon String, acoustic 12 string and lapsteel guitar
Antonio Silva - electric and nylon string guitars
Rafael Sequera - electric, nylon and 12 string guitar
Alfredo Ovalles - keyboards, percussion and slide guitar
Miguel Angel Moline - drums
Jorge Rojas - bass guitar

Guest musicians:
Carl Webb (Oceanwerks) - vocals on "Rude Awakening" and "Far From Coincidence"
Nick Storr (The Third Ending) - vocals on "Leaf Motif"
Tobias Jansson (Silent Scythe, The Law) - vocals on "Unfair"
Pedro Castillo (Tempano/Aditus) - vocals on "Winds Of Dread"
Dave Duffus (Saxophone)

Anechoic Chamber String Quartet (on "Farewell")
Raul Suarez - violin I
Leonor Falcon - violin II
Anne Lanzilotti - viola
Manuel Hernandez - cello

DISCOGRAPHY:

2010 - Nature / Existence

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