Squealer-Rocks.de CD-Review
Jane - Traces

Genre: Progressive Rock
Review vom: 11.12.2009
Redakteur: TheMattes
Veröffentlichung: 11.12.2009
Label: Cool&Easy Records/Soulfood



Es gibt (oder gab?) da in Amiland eine gute Einrichtung, die nennt (oder nannte?) sich „double feature“. Gemeint ist damit eine Doppelvorstellung im Kino, wie einstmals unvergesslich am Anfang der Rocky Horror Show besungen wurde. Ihr wisst doch sicher noch....

....„Science fiction double feature, Dr. X will build a creature, (....), at the late night double feature picture show.”

Und deshalb jetzt zum ersten Mal bei squealer-rocks, von einem eurer liebsten, aber zumindest ältesten, Rezensenten nicht nur das Review zu der neuen Platte „Traces“ der Krautrock-Legende Jane aus Hannover, sondern auch als Appetithäppchen das eine oder auch andere Wort (ihr ahnt schon, worauf das hinausläuft?) zum Vorgänger „Voices“ von Anno 2006 (selbst gekauft und dann zu faul, was darüber zu schreiben, sorry).

Als kleine Einleitung zu diesem „double feature“ nun dieses:
Schon wieder beginnt alles in den Glorreichen Siebzigern, diesmal mit Jane und Platten wie „Jane III“, „Fire, Water, Earth And Air“, „Heaven And Hell“ (schon wieder dieser Titel!), „Age Of Madness“ und „Jane - at home live. Die Scheiben zeigen Jane auf dem Höhepunkt ihrer Kreativität und der melodiöse Hardrock mit den melancholischen Keyboards bringt ihnen europaweite Tourneen, Fernsehauftritte, eine permanente Radiopräsenz und einen gut dotierten Plattenvertrag mit dem Label „Brain“ ein. Die Kritiker hatten wie immer keine Ahnung, nur die Fans hatten ihren Spaß.
Es gab damals also großartigen psychedelischen, progressiven, unvergesslichen und beeindruckenden Krautrock. Aber die letzten fast 30 Jahre habe ich mich halt um was anderes gekümmert, bis die Segnungen des Internets und einer schnellen DSL-Leitung auch mich erreicht hatten. Ich wollte deshalb im Juli 2007 mal sehen, wie es Jane dann so geht, wenn überhaupt.
Mein erster Besuch auf der Homepage konfrontierte mich dann mit der Todesanzeige für Peter Panka, den Gründer und Schlagzeuger der Band. Wie gewonnen, so zerronnen, oder wie?
Aber nein, denn die anderen Musiker hatten beschlossen, weiter zu machen, so dass die CD „Voices“ von 2006 (noch mit Peter Panka) dann doch nicht die letzte sein musste. Ich habe mich auch von dem komischen Cover nicht abschrecken lassen, ich Held. Die Covergestaltung bei Jane insgesamt war in meinen Augen bei den drei letzten Veröffentlichungen, nun ja, zumindest diskussionswürdig.

Aber wenn man „Voices“ unbekümmert auf sich einwirken lässt, dann ist im Grunde zum Glück alles wie gehabt. Über typischen Gitarrenriffs schweben sphärische Keyboardsounds, die Melodien gehen ins Ohr und der Schlagzeuger hat den Groove mit maximal Midtempo aus den Siebzigern herüber gerettet. Jane sind sich treu geblieben ohne unmodern zu wirken. Jeder einzelne verdammte Song wartet mit einer schönen Melodie auf und die Produktion ist kraft- und druckvoll und rockt das Haus. Und wer Keyboards nicht mag, hat eben Pech gehabt. Aber am meisten emotionalisieren mich diese Gitarren und die vielfach eingestreuten Soli, die ich immer und überall erkennen würde.
DAS ist Jane, wie es leibt und lebt oder sie leibt und lebt oder wie sie leiben und leben eben!

Spätestens beim Keyboard-Intro zu „The Last Time“ bin ich schon dahin geschmolzen und diese unvergessliche Hookline macht mich fertig. Das traumhafte und balladeske „Voice In The Wind“ stammt vom Götteralbum „Heaven And Hell“ von 1977, wo die anderen Songs auch nicht schlechter, nur viel länger sind. Der diesem Song zugrunde liegende Rhythmus erinnert mich an den Regentanz der Kree-Indianer (oder so).
Aber der absolute Hammer ist zweifellos das achteinhalb Minuten lange „Dawn“. Ein Traum von einem langsamen psychedelisch angehauchten Song, der an die Tradition der Songs auf „Heaven And Hell“ oder „Fire, Water, Earth And Air“ nahtlos anknüpft.
Schlicht großartig, aber zu kurz, ist schlussendlich „Romance“, mannomann!

Insgesamt heißt das jetzt, dass es auf „Voice“ zehn(!) Hammersongs gibt, während ich zwei auch grundsätzlich für überflüssig halte, denn zehn Songs sind einfach ausreichend, finde ich!

Macht also Yoga und die Ohren sauber, dann werdet auch ihr erleuchtet, meine Brüder und Schwestern im Geiste, denn jetzt geht’s zur aktuellen Produktion aus dem Hause Jane, die da „Traces“ heißt.

Mann, hab ich mich erschrocken, als „Hurricane Approaching“ aus den Lautsprechern bricht. Da krachen mir Riffs um die Ohren, das ich zuerst glaubte, die falsche CD zu hören. Der Song ist im Grunde untypisch für Jane, er ist purer energiegeladener krachender Midtempo-Hardrock mit leisen Keyboards im Hintergrund. Es gibt im Grunde nur zwei Erkennungsmerkmale, nämlich diese für Jane irgendwie typische Melodieführung mit ergreifender Hookline und das sogenannte Krautrock-Englisch, nix für ungut! Aber dennoch der wohl beste Song schon am Anfang.
„Love Me Tomorrow“ lässt's dann gemächlicher angehen, besticht aber, wie auch „Nature“ und „Fly Away“, durch starke Melodien, tolle Refrains, heftige Soli und rattenscharfe Grooves.
„For The Better“ glänzt zur Abwechslung mal mit weniger heftigen Riffgewittern, sondern ruhigem Gesang zur akustischen Gitarre mit Bass und Schlagzeugbegleitung. Schön!
Ebenfalls einfach nur schön ist auch das langsame „Two Dots Of Luck“, gefolgt von dem härteren „Back On The Ground“, während ich „Chittagong Blues“ für verzichtbar und zu unspektakulär halte, genauso wie „Before Long“ und „Reflections Of My Life“.
Fabelhaft dagegen ist die Ballade „To A Hero And Friend“ mit einem bewegenden, herrlich unsynchronen mehrstimmig gesungenen Refrain.
Sensationeller Abschluss dieser sehr guten Platte ist das getragene Instrumental „Northern Lights“ mit jubilierender Leadgitarre, charakteristischen Keyboardsounds und damit ist es auch so typisch Jane, typischer geht’s nicht!

Yo! Auch „Traces“ ist Jane in seiner reinsten Form, nämlich pur. Im Grunde knüpfen diese ganzen Songs an die Glanzperiode in der zweiten Hälfte der Siebziger Jahre an, möchte ich ohne zu übertreiben sagen. Und es stellt sich nicht die Frage, ob das altmodisch oder modern ist. Die Musik von Jane ist zeitlos, denn sie hat die Jahrzehnte überdauert ohne Rost anzusetzen. Eher hat sie eine Patina bekommen, die sie noch wertvoller macht.

Und auch der Gesang ist wie in den Siebzigern, jetzt aber ehrlich. Vor allem, was die englische Aussprache angeht. Dieses einzigartige Krautrock-Englisch ist einfach zu putzig. Nein, ich finde das echt schön. Man sollte aber doch bedenken, dass heutzutage jeder dahergelaufene Sänger aus den tiefsten Wäldern Finnlands schon besseres Englisch spricht bzw. singt als George W. Bush. Aber jetzt ist auch gut mit dem Thema.

Viele andere aber scheinen gute Musik nicht zu erkennen, wenn sie ihnen in den Arm beißt! Nach dem Desaster diesen Monat mit Eloy’s „Visionary“ in einem Print-Medium, dessen Name nicht genannt werden darf, danke ich dem HERRN, dass es kein Review von den letzten beiden Alben von Jane dort gibt (von wegen dem schlechten Einfluss und so).
Zum Glück gibt’s im Netz noch andere, die so denken wie ich. Sonst hätte ich mir echt Sorgen gemacht.

Mein Vorschlag ist deshalb, dass ihr euch alle(!) beide CDs zulegt und meine Begeisterung verstehen lernt. Ihr werdet nicht enttäuscht sein, ich schwör! Alle anderen haben keine Ahnung, basta!

Produziert wurde dieser ganze Spaß hervorragend vom großartigen EROC, dem ehemaligen tonangebenden Mitglied der Krautrockgruppe „Grobschnitt“. Genauso wie Jane war ihre Musik aufregend, ungewöhnlich und für meine musikalische Sozialisation in den siebziger Jahren entscheidend. Aber dazu und zur Entwicklungsgeschichte des ungewöhnlichsten Stücks der Rockmusik „Solar Music“ irgendwann mal mehr.


Ach, wisst ihr was?

Ich setz noch einen drauf.

Weil bald Weihnachten ist, das Fest der großartigen Musik.

Und weil man genau deswegen was Vernünftiges hören sollte.

Deshalb hier mein Vorschlag für die Rundum-Vollbedienung in Sachen Jane.

Tut euch einen Gefallen und legt euch die von mir so genannte „Millenium-Edition“ untern Weihnachtsbaum, also die drei im neuen Jahrtausend erschienenen CDs von Jane:

1. „Genuine“ (2002, auch Klasse, ich hatte aber keine Lust mehr)
2. „Voices“ (2006) und….
3. „Traces“ (2009)

….und zur Abdeckung der Siebziger “Jane – at home live“ (1976)!

So! Das wars!

Lang genug?

Dann bis die Tage!


”Traces”-Tracklist
1. Hurricane Approaching 3:35
2. Love Me Tomorrow 4:05
3. Nature 4:29
4. Fly Away 4:48
5. For The Better 4:39
6. Two Dots Of Luck 4:07
7. Back On The Ground 4:00
8. Chittagong Blues 3:34
9. Before Long 3:44
10. Reflections Of My Life 3:40
11. To A Hero And Friend 5:02
12. Northern Lights 3:12

„Voices“-Tracklist:
1. Tomorrow 4:34
2. Much Too Much 4:39
3. The Last Time 5:27
4. Voice In The Wind 3:16
5. Carry On 5:04
6. Dawn 8:21
7. Always On The Run 3:38
8. Come To Me 3:12
9. Gentlewoman 5:00
10. Words 4:00
11. Welcome To The Club 3:42
12. Romance 1:32

Line-up:
Charlie Maucher – bass, vocals
Klaus Walz – guitars
Arndt Schulz – guitars, vocals, mandolin, acoustic guitar
Wolfgang Krantz – keyboards, Hammond organ, backing vocals
Fritz Randow - drums

DISCOGRAPHY:

1972 - Together
1973 - Here We Are
1974 - Jane III
1975 - Lady
1976 - Fire, Water, Earth & Air
1976 - Live at home (Doppelalbum, gehört in die Reihe großartiger Live-Alben der Siebziger!)
1977 - Between Heaven And Hell
1978 - Age Of Madness
1979 - Sign No. 9
1980 - Jane
1982 - Germania
1986 - Beautiful Lady
1989 - Jane live '88
1989 - Jane live '89
1996 – Resurrection (Peter Panka’s Jane)
2002 - Genuine
2002 - Live 2002 (Peter Panka’s Jane)
2003 - Shine on (Peter Panka’s Jane)
2007 – Voices (Peter Panka’s Jane)
2007 - Live at Metas (Peter Panka’s Jane)
2008 - Tribute to Peter Panka live, Hannover 2007, DVD
2008 - Live at Home Revisited (Doppel-CD)
2009 - Traces

Die „anderen“ Janes:
2000 - Back again (Lady Jane)
2000 - Mother Jane Comes Alive (Klaus Hess' Mother Jane)
2009 - Proceed With Memories (Werner Nadolny’s Jane)
2009 - In Dreams (Klaus Hess' Mother Jane


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Jane - Traces (CD-Review)

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