Squealer-Rocks.de CD-Review
Eloy - Visionary

Genre: Progressive Rock
Review vom: 02.12.2009
Redakteur: TheMattes
Veröffentlichung: bereits veröffentlicht
Label: ASR/Soulfood



Eloy gehörten neben z.B. Grobschnitt, Nektar oder Birth Control in den Glorreichen Siebzigern zu den ganz Großen im progressiven Rockgeschäft. Ihr 1977er Album „Ocean“ ist auch heute noch als ein Meilenstein anzusehen und das beste Album dieser Band und eines der besten Alben der 70er in diesem Genre überhaupt.
Ist es jetzt ein Vor- oder eher ein Nachteil, dass ich von Eloy ausgerechnet nur dieses eine Götteralbum kenne? Darf ich trotzdem ein Fan sein? Wir werden sehen!

Meiner Ignoranz zum Trotz haben Eloy auch nach „Ocean“ Platten gemacht, aber dem weltweiten Erfolg stand die Band wohl selber im Weg, vielleicht waren es auch die Umstände oder andere Ausreden, auf jeden Fall ist nun „Visionary“ die erste Studioveröffentlichung seit 11 Jahren und die erste wirklich nennenswerte, will sagen: bemerkenswerte(!) Veröffentlichung seit bestimmt 25 Jahren!

Pünktlich wie die Maurer 40 Jahre nach Gründung der Band gibt es sieben neue Stücke, die meiner bescheidenen Meinung nach doch ziemlich nahtlos an den Sound und die Atmosphäre der damaligen Produktionen anknüpfen. Damit sind jetzt alle Platten aus den Siebzigern gemeint, und spätestens nach 1984 gab es sowieso nichts Großartiges mehr zu berichten, wie bei so vielen anderen Bands auch. Hört euch nur mal das gruselige Zeugs an, dass Grobschnitt nach 1979 gemacht haben!
Selbst der Versuch, 1998 mit „Ocean 2 – the answer“ einen Nachfolger für das vergoldete(!) Kultalbum „Ocean“ nachzulegen, kann doch als nicht so ganz geglückt angesehen werden. Nach einigen Releasekonzerten trennte sich die Band endgültig.

Die Fans aber gaben keine Ruhe. Diese individuelle und emotionale Mischung aus saftigen Gitarren, pulsierenden Rhythmen und atmosphärischen Keyboards geriet nie in Vergessenheit. Zusammen mit den komplexen Kompositionen und Arrangements sowie den großen Chören hatte das Ganze schon geradezu sinfonischen Charakter. Bei den Fans hatte die Musik von Eloy zudem bleibenden Eindruck hinterlassen, selbst bei mir, der ich nur eine einzige Platte kenne. Schande über mich!

Aber quasi „in absentia“ erreichte die Band Kultstatus, denn das Internet machte es möglich, dass eine sehr aktive und weltweit verstreute Fangemeinde der Band immer mehr Aufmerksamkeit auf vielen Portalen verschaffte. Soviel Treue und Begeisterung beeindruckte Frank Bornemann und nach vielem Bitten und Betteln legen er und seine Mitstreiter jetzt „Visionary“ vor, von dem alle hoffen, dass es die Fans nicht enttäuschen wird.
Dann mal los....

„The Refuge“ beginnt mit Sounds und Riffs und saloppem Groove und dem typischen Gesang von Frank Bornemann. Wenn das kein typischer charmanter Eloy-Song ist, der sich zum Ende mehr und mehr steigert, dann weiß ich auch nicht. Sehr schön, meine Herren! Auch die Sache mit der Flöte.
„The Secret“ ist gekennzeichnet durch eine kontemplative Gelassenheit über die gesamte Laufzeit (Motto: nur ja keine Hektik!) und diesen zwischenzeitlich verzerrten Gesang, während das Keyboard den Hintergrund ausfüllt.
Das ist einfach schön, verflixt noch mal!
„Age Of Insanity“ geht da schon ein wenig rockiger ans Werk, bleibt aber insgesamt in der recht ruhigen Spur, ebenso wie „Challenge“, das mit seinem quasi reggae-artigen Rhythmus und dem weiblichen Chorgesang als Hookline noch ein bisschen besser und zu recht die Single-Auskopplung ist.
„Summernight Symphony“ ist, wie der Name schon sagt, ein Liedchen für laue Sommernächte, sehr ruhig und mit schöner Melodie. Bei allem was recht ist, aber mir ist das schon ein bisschen zu ruhig.
„Mystery“ ist ein wirklich würdiger Abschluss eines tollen Albums (der Quickie „Thoughts“ zählt irgendwie nicht als ausgewachsener Song) und auch der längste auf „Visionary“. Der Bass dominiert den immer noch langsamen Rhythmus und die eingestreuten Riffs. Das ist über die ganze Länge des Songs so was von typisch, also wirklich.
„Thougts“ ist eben ein Quickie als Abschluss, Gesang mit akustischer Gitarre, nett, aber mehr auch nicht, denn trotz des o.g. Adjektivs wenig erregend oder gar befriedigend, meine ich.

Eloy haben immer sehr stark polarisiert. Dieser Bombast, diese Schwülstigkeit der esoterisch angehauchten philosophisch-poetischen Texte und den zugegebenermaßen irgendwie ungewöhnlichen Gesang von Frank Bornemann machten auf der anderen Seite auch gerade den Reiz aus und sind ein Grund für die Verehrung, die Eloy entgegengebracht werden, auch von meiner Seite, übrigens!
Auf „Visionary“ sind die Keyboardsounds sehr gut in die Songs integriert und dominieren zum Glück nicht so stark, obwohl sie natürlich den Sound prägen. Sie bilden gewissermaßen das Hintergrundgeräusch (für die Astro-Physiker unter euch: das Weiße Rauschen, nicht dominant, aber immer vorhanden und doch prägend!). Und so bombastisch ist das Ganze gar nicht, es ist gewissermaßen genau richtig!
Hey, das muss man eben mögen! Und jetzt gibt es mit „Visionary“ ein weiteres Album von Eloy, dass der geneigte Fan (und jeder, der es werden will) mögen kann. Jawoll!

Eloy sind und bleiben Eloy! Sie haben mit diesem Album den Sprung ins dritte Jahrtausend geschafft und sind sich doch treu geblieben. Der an anderer Stelle im Netz gezogene Vergleich mit z.B. Porcupine Tree hinkt stärker, als Kapitän Ahab auf der Jagd nach dem weißen Wal! Wenn schon einen Vergleich, dann mit Ayreon, die quasi die Fortsetzung des progressiven Rocks der Siebziger sind und damit als die rechtmäßigen Erben von Eloy betrachtet werden können. Auf der anderen Seite kann man nur erben, wenn der Erblasser tot ist, was bei Eloy definitiv nicht der Fall ist. Knifflige Sache, aber ihr wisst schon, was ich meine, also seien wir mal nicht so pingelig. Macht mal einen direkten Vergleich und fangt mit „Visionary“ an, aber zackig!

Für alle, die sich nicht den kompletten (jetzt neu aufgelegten, remasterten) Backkatalog leisten können oder wollen, sei die „Timeless Passages“ von 2003 empfohlen, eine hervorragende Best Of, höchstpersönlich zusammenmontiert von Frank Bornemann.

Tracklist:
1. The Refuge 4:54
2. The Secret 7:45
3. Age Of Insanity 7:56
4. The Challenge 6:44
5. Summernight Symphony 4:22
6. Mystery 9:00
7. Thoughts 1:22

Line-up:
Frank Bornemann – lead and backing vocals, all accustic and electric guitars
Klaus Peter Matziol – bass
Michael Gerlach – keyboards
Bodo Schopf – drums and percussion
Hannes Folberth – additional keyboards on „Age Of Insanity“, „The Secret“, „Mystery“ and „The Challenge“

Guests:
Anke Renner - vocals on “The Secret”, “The Challenge”, “Summernight Symphony” and “The Mystery”
Tina Lux: - vocals on “The Secret”, “The Challenge” and “The Mystery”
Volker Kuinke - renaissance flute
Christof Littmann – keyboards and orchestra sounds
Stephan Emig – additional percussion

DISCOGRAPHY:

1971 - Eloy
1973 - Inside
1974 - Floating
1975 - Power And The Passion
1976 - Dawn
1977 - Ocean
1978 - Live
1979 - Silent Cries And Mighty Echoes
1980 - Colours
1981 - Planets
1982 - Time To Turn
1983 - Performance
1984 - Metromania
1988 - Ra
1991 - Rarities (73-84)
1992 - Destination
1993 - Chronicles 1
1994 - Chronicles 2
1994 - The Tides return forever
1994 - Best of 72-75 (early years)
1996 - Best of 76-79 (the prime)
1997 - Eloy (Wiederveröffentlichung mit Interview und der ersten Single von 1970)
1998 - Ocean 2 - The answer
2003 - Timeless passages
2009 - Visionary
2010 - The Legacy Box (DVD)


SQUEALER-ROCKS Links:

Eloy - Visionary (CD-Review)

Eloy - The Legacy Box (DVD-Review)

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