Squealer-Rocks.de CD-Review
Peter Tosh - Live And Dangerous Boston 1976

Genre: Reggae
Review vom: 24.10.2008
Redakteur: TheMattes
Veröffentlichung: 10.10.2008
Label: Sony BMG



Und hier issa ya: der Entspannteste unter den Reggaemusikern, der Meister der lockeren Performance und der riesigen Tüten: Peter Tosh, geboren als Winston Hubert McIntosh, Spitzname Stepping Razor. Dieser Knabe nun ging im Jahre 1976 auf seine erste Amerika-Tournee, um das ebenfalls tierisch entspannte und „Legalize It“ betitelte Debutalbum vorzustellen.

Und daraus wurde mit „Live And Dangerous Boston 1976“ ein faszinierendes Zeugnis von der musikalischen Genialität des Peter Tosh. Es präsentiert elf tolle Songs mit zumeist politischen Texten, durch die Tosh kompromisslos für die Gleichberechtigung der farbigen Bevölkerung Jamaikas und die Legalisierung von entspannenden Rauchwaren in Form von Marihuana eintritt.

Aber nichts ist so leicht in Amerika, wie es sich die Jungs vorgestellt hatten. Und so mussten die Jungs doch einige Lektionen lernen, denn wenn das Klima in Miami auch ähnlich ist wie in Kingston, Jamaika, so haben die Amerikaner doch eine andere Auffassung von Arbeit, wenn es heißt, unterwegs auf Tour zu sein.

Die Jamaikaner sehen das dagegen eher völlig unverkrampft und nicht so hektisch. Sie haben einfach eine andere Auffassung von Zeit und Raum und Wichtigkeit und überhaupt. Die von Columbia Records verpflichteten amerikanischen Tourmanager waren nämlich äußerst präzise in ihrer Arbeit und fast bevormundend. Ergo gab es unterschwellige Spannungen, die auf verspätete Proben, missverstandene Anweisungen und unerfüllte Wünsche hinausliefen. Die Gastgeber ihrerseits hatten kein Verständnis für die Wichtigkeit, speziellen Essens und die Notwendigkeit, anständiges Kraut zum Rauchen zu bekommen. Noch weniger hatten sie Verständnis dafür, das auch wirklich alle Mann was zum Rauchen wollten.

„Wir liebten Reggaemusik und wir waren Fans von den Wailers. Es war eine Ehre für uns, mit Peter Tosh zusammen zuarbeiten. Aber sie kamen aus einer anderen Kultur und hier waren jede Menge verschiedener Individuen auf einem Haufen. Es war eine interessante und lustige Truppe, und nach ein paar Tagen der Eingewöhnung verlief das Tourleben doch sehr erfreulich.“ Die Musiker allerdings konnten die strikten Terminpläne einfach nicht leiden, und mochten es nicht, wenn ihnen jemand sagte, was sie zu tun und zu lassen hatten. Sie waren es gewohnt, Dinge erst dann in Angriff zu nehmen, wenn die richtigen Schwingungen und der richtige Schöpfergeist wahrgenommen wurden.

Trotz alledem gab es also dieses Konzert am 26. November 1976 im Sanders Theater, Cambridge, Ma., und es wurde ein denkwürdiges Konzert, soviel ist klar, denn das Publikum flippte total aus. Und das überträgt sich auch auf den Zuhörer in der Gegenwart, versprochen!

Diese CD dokumentiert mit elf Songs dieses Konzert und ist dazu angetan, den Ruhm von Peter Tosh noch weiter zu mehren. Die Songs stammen von “Legalize It“, dem ersten Album und andere aus Jamaika, wo sie Hits waren („400 Years“, „Mark Of The Beast“, „Babylon Queendom“). Sie zeigen in beeindruckender Weise die Vielseitigkeit der Kompositionen und die Virtuosität der Musiker. Robbie Shakespeare und Sly Dunbar z. B. waren die bis dahin beste Rhythmusgruppe im Reggea, die hier zusammen mit den zwei Leadgitarren und den beiden Keyboardern der ganzen Sache einen außergewöhnlichen Sound und ungewöhnliche Power verleihen. Mir persönlich ist Reggae oft zu sparsam instrumentiert gewesen, aber das kann man hier nun wirklich nicht mehr sagen. Durch die zusätzlichen Instrumente bekommt die Musik fast einen rockartigen Charakter, und einen viel dichteren, mitreißenden Sound.

Vergleichbar ist das mit den Blues Brothers Anfang der 80er Jahre, die durch die Hinzunahme der Bläser-Sektion mit ihrem klaren New Yorker Jazz-Sound zur Chicago-Memphis-orientierten Rockbesetzung ebenfalls einen ganz eigenen Stil und einen einzigartigen, dichten Sound erreichten. Salopp gesagt: dieser Gitarrensound ist echt der Hit. Mal klagend, mal rockig, nie klischeehaft.

Trotz der komplexen Kompositionen weisen alle Songs eine unglaubliche Leichtigkeit auf, so dass sich beim Zuhörer postwendend das Gefühl kolossaler Entspannung breit macht (auch ohne Rauchwaren).

Die Entspannung beginnt schon beim instrumentalen mäßig schnellen Intro mit seinen Soli von rockiger Gitarre und Keyboard. Die Good Vibrations ziehen sich durch alle Songs, ebenso wie der fette Sound und die immer vorhandenen herrlichen Grundrhythmen und -melodien. Ein besonderes Merkmal stellen die mehrstimmigen Gesänge bzw. Chöre da (z. B. „400 Years“), die im Wechsel mit Tosh’s unaufgeregtem (Sprech-) Gesang hervorragend zu den Kompositionen passen. Zudem füllt er mit seiner Rhythmusgitarre quasi den Bandsound und verleiht ihm eine eigene Identität.

Die Texte sind nur schwer verständlich, da sie in verschiedenen Dialekten abgefasst sind, die auf europäischen und vor allem englischen Wörtern oder Wortstämmen beruhen. Diese besitzen aber allesamt eine eigene Codierung, so dass die Texte für Außenstehende fast nicht zu verstehen sind. Darüber hinaus zeigen die Texte das politische Engagement gegen Ungerechtigkeit („No Mercy“), Kolonisierung („Babylon Queendom“) oder für die Legalisierung von Ganja.

Die enthusiastischen Reaktionen des Bostoner Publikums bestärkten Peter Tosh in seinem Kampf für die Gleichheit aller Menschen. Sie zeigten, dass es sehr wohl auch in Amerika viele Menschen gibt, die seine Mission und die Message verstehen, dass nämlich noch viele Schlachten geschlagen werden müssen und dass der Reggae eine Waffe in diesen Kämpfen ist.

„Peter Tosh – Live & Dangerous Boston 1976“ ist ein Muss für alle, die Reggae und gute Musik lieben, und es ist ein mitreißendes Zeugnis für die Kraft der Musik.

„Live And Dangerous“ reiht sich ein in die Reihe der hervorragenden Livealben der siebziger Jahre, wie sie von Thin Lizzie (hieß übrigens auch „Live And Dangerous“!), Uriah Heep, Deep Purple, Scorpions und vielen anderen abgeliefert wurden.

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Track List:
1. Instrumental Intro
2. Igziabeher (Let Jah Be Praised)
3. 400 Years
4. No Sympathy
5. Burial
6. Mark Of The Beast
7. Babylon Queendom
8. Why Must I Cry
9. Whatcha Gonna Do
10. Steppin’ Razor
11. Ketchy Shuby

Line Up:
Peter Tosh – lead vocals & guitar
Sly Dunbar – drums
Robbie Shakepeare – bass
Earl “Wire” Lindo – keyboards
Errol “Tarzan” Nelson – keyboards
Al Anderson – guitar
Donald Kinsey – guitar

DISCOGRAPHY:

1972 – Catch A Fire (The Wailers)
1973 – Burnin’ (The Wailers)
1976 - Legalize It
1977 - Equal Rights
1978 - Mystic Man
1978 - Bush Doctor
1981 – Wanted: Dread Or Alive
1983 – Mama Africa
1984 – Captured Live
1987 – No Nuclear War
1988 – Toughest (Best Of)


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