Squealer-Rocks.de CD-Review
Ritual - The Hemulic Voluntary Band

Genre: Progressive Folk - Rock
Review vom: 22.08.2007
Redakteur: maddin
Veröffentlichung: 31.08.2007
Label: Inside Out



Die ersten Sekunden dieses Albums hören sich an, als würden minder bemittelte Kirmesmusikanten versuchen, halbwegs geradeaus zu spielen: holprig, schief und scheinbar dilettantisch. Der Clou an der Geschichte: diese vermeintlich disharmonische Tonfolge zieht sich wie der berühmte rote Faden durchs gesamte Stück, wird dabei von nahezu unglaublich schönen Melodien und schier unfassbar geilen Solo Eskapaden flankiert, und schon haben wir den genialen Titelsong.
Wer macht so etwas? Ritual machen so etwas!
Ja, sie sind wieder da! Die Folk – Proggies, die sich die höchst lobenswerte Botschaft, dass Prog Rock auch einfach nur Spaß machen kann, auf ihre Fahnen geschrieben haben.

Nach dem fabelhaften Live Album vom letzten Jahr kommt so ein Opener natürlich gerade recht. Dennoch sollte ob der spaßigen Einleitung niemand auf den Gedanken kommen, hier würde eine Fun Combo zum bierseligen Schunkelabend aufspielen. Der Gute – Laune Faktor entsteht bei Ritual durch den hohen Anteil von schwedischem Folk in ihrer Musik und das konsequente Weglassen von sperrigen Frickel Parts, ohne jedoch zu einer Sekunde die markanten 70er Einflüsse der Marke Genesis, Jethro Tull oder Gentle Giant zu verleugnen. Denn – und das mag wie ein Widerspruch erscheinen – es gibt wohl kaum eine andere Band, bei der Virtuosität und Eingängigkeit so stimmig sind, bei der sich Fröhlichkeit und Melancholie im fliegenden Wechsel die Prog – Klinke in die Hand geben.

Wobei der Begriff Melancholie vielleicht etwas zu dramatisch sein mag. Nennen wir es einfach Nachdenklichkeit, wenn die Band eine balladeske Träumerei wie „Late In November“ mit allerlei folkloristischen Instrumenten intoniert, bei der man den Text förmlich fühlt.
Doch die Schweden können auch düster und bedrohlich wie in „The Groke“ klingen, das mich stark an IQ erinnert. Oder sie lassen’s mit Townsendschen Riffs mal richtig krachen, draußen „In The Wild“.
Einen schönen Verweis auf amerikanische 70er Jahre Musicals bekommt man in „Waiting By The Bridge“ zu hören. Herrlich kitschig, die Nummer. Mitwippen ausdrücklich erwünscht!

Die beschriebenen 5 Songs würden mir eigentlich schon reichen, um das Album in die Alltime Top 10 zu hieven. Zum krönenden Abschluss gibt es dann noch etwas Ritual - untypisches: einen 26 Minuten Longtrack.
Es versteht sich von selber, dass auch hier keine Langeweile aufkommt. Selbst, wenn man den Inhalt der Texte nicht immer nachvollziehen kann – was bei mir der Fall ist -, macht es trotzdem immer wieder und wieder Spaß, diesen vertonten Erzählungen zu lauschen.

Was zum Großteil der Verdienst von Bandboss, Gitarrist und Sänger Patrik Lundström ist. Der Mann ist in Schweden ein gefeierter Popstar und gleichzeitig einer der besten Progressive Sänger unserer Zeit. Sein untypischer, leicht nasaler Gesang ist dermaßen vielseitig und charismatisch, dass man beim ersten Durchlauf Schwierigkeiten hat, sich auf irgend etwas anderes als seine tolle Performance zu konzentrieren (die Eingeweihten unter Euch wissen, dass die letzten Kaipa Alben ohne diesen Mann nur die Hälfte wert wären).

Ritual enttäuschen auch 2007 nicht und setzen erneut Maßstäbe. Sämtliche aufgeführten Vergleiche dienen lediglich als grobe Orientierung, denn diese „Hemulen Kapelle“ (die Texte und das lustige Cover beziehen sich übrigens auf die „Mummins“ Kinderbücher) ist unvergleichlich.
Eine wirklich perfekte Platte!

Tracklist:
1. The Hemulic Voluntary Band
2. In The Wild
3. Late In November
4. The Groke
5. Waiting By The Bridge
6. A Dangerous Journey

Line Up:
Patrik Lundström – Vocals, Guitars
Jon Gamble – Keyboards, Harmonika, Vocals
Fredrik Lindquist – Bass, Buzuki, Mandolin, Flute etc.
Johan Nordgren – Drums, Percussion

DISCOGRAPHY:

1995 - Ritual
1999 - Superb Birth
2003 - Think like a Mountain
2005 - Live


SQUEALER-ROCKS Links:

Ritual - Live (CD-Review)
Ritual - The Hemulic Voluntary Band (CD-Review)

SONSTIGES:

BANDHOMEPAGE
Diesen Beitrag im Forum diskutieren