Squealer-Rocks.de DVD-Review
Steve Vai - Where The Wild Things Are

Genre: Instrumental Rock
Review vom: 23.10.2009
Redakteur: maddin
Veröffentlichung: Bereits veröffentlicht
Label: Favored Nations Records



Steve Vai kann kann sich ohne Zweifel zu den weltweit besten und einflussreichsten Gitarristen zählen. Er hat zahlreiche ausgefeilte Techniken der elektronischen Axt erfunden, entwickelt und perfektioniert. Darüber hinaus hat er unzählige Preise gewonnen, darunter zwei Grammies (man ließe die Tatsache, dass Preise einen Scheiss bedeuten, außer Acht), mit einem der einflussreichsten Musiker aller Zeiten, Frank Zappa höchst persönlich, zusammen gespielt, und, last but not least, ganze Generationen von Gitarristen geprägt. Was könnte da interessanter sein als eine neue Doppel-DVD des “Stuntplayers”, wie Zappa ihn gerne nannte? Eben.

Zunächst sei sämtlichen Vertretern der “Weniger ist mehr”-Loge gesagt, sie sollen entweder die Finger von dem Teil lassen oder sich darauf gefasst machen, eines Besseren belehrt zu werden. Steve Vai selbst hat mir Sicherheit schon einmal von diesem Prinzip gehört – gekümmert haben wird ihn das kaum. 100 Meter-Läufe das Griffbrett rauf und runter, Klänge, die kein Mensch diesen harmlos aussenden sechs Saiten jemals zugetraut hätte, dazu einen ausgeprägten Spürsinn, seine Mitmusiker in das Geschehen einzubeziehen, ohne diese als bloße Begleitsektion im Regen stehen zu lassen – dies sind von jeher seine grössten Stärken, die hier er auch hier wieder kompromisslos ausspielen wird.

OK, genug zu den Fähigkeiten des Meisters – die sind allgemein bekannt. Weniger bekannt ist zur Zeit noch diese DVD. Nehmen wir uns das gute Stück also erstmal vor.

Aufgenommen wurde die Show am 19. September 2007 im State Theatre Minneapolis. Zunächst ein paar Details zur Band: auffällig wird dem aufmerksamen Betrachter erst einmal, dass Basswunder Billie Sheehan, der unter anderem auf der letzten Vai-DVD “Live in London” sowie den Vai-Abschnitten auf den letzten beiden G3-DVDs zu hören und sehen ist, diesmal nicht dabei ist. Seinen Part übernimmt der zurückhaltendere, aber nicht weniger technisch versierte Bryan Beller. Nach wie vor dabei sind Drummer Jeremy Colson und Gitarrist Dave Weiner. Am meisten fällt jedoch auf, dass sich in dem neuen Ensemble gleich zwei Violinen befinden, bedient von Alex DePue und Ann Maire Calhoun, die auch beide nebenher Keyboard spielen. Bei vereinzelten Songs ist zudem Zack Weisinger an der Hawaii-Gitarre zu hören und sehen. Dass jeder dieser Mitstreiter, alt wie neu, sein Instrument perfekt beherrscht, muss kaum erwähnt werden, denn bei jemandem wie Steve Vai sollte sich dies von selbst verstehen.

Dass es satte 27 Songs auf die beiden Scheiben geschafft haben, erschwert eine sorgfältige Beschreibung des Ganzen. Exoten sind unter den Songs nicht zu vermelden – eigentlich ist jeder davon einer. Lässt man es trotzdem auf einen Versuch ankommen, ist als erstes der eigentliche Opener “Now We Run” zu nennen. Abgesehen davon, dass Vai natürlich dies sogleich als Anlass betrachtet, eine eindrucksvolle Demonstration seiner Fähigkeiten (siehe oben) abzuliefern, sind vor allem die Solo-Duelle zu nennen, die er sich mit seinen Kollegen an den Violinen hinlegt. Auch die dreistimmigen (!) Soli von Gitarre und Geigen hinterlassen eine klare Vorstellung davon, was einen in diesem Set noch erwartet. Besonders Alex DePue spielt auf seiner E-Geige in Flying V-ähnlicher Form Improvisationen, die denen von Vai zeitweise sehr ähnlich klingen und somit perfekt zu diesen passen. Eigentlich hat man bereits nach diesem Song das Gefühl, alles gesehen zu haben – hat man aber keineswegs.

Kaum notwendig ist zu erwähnen, dass das Set größtenteils instrumental gehalten ist. Auf lediglich zwei Songs (“Fire Wall” und “All About Eve”) ist Gesang zu hören. Somit ist für den “normalen” Zuhörer tatsächlich nicht viel Material vorhanden. Andererseits sprechen wir hier von Steve Vai, was ist da schon normal?

Als weitere Höhepunkte können die Songs “Building The Church” und “Freak Show Excess” betrachtet werden. Während der erstere vor allem von Steves exzessivem Tapping und natürlich den beiden Violinen geprägt ist, zieht letzterer seinen Reiz unter anderem daraus, dass Bassist Bryan Beller hier seine Fähigkeiten in Form eines ansehnlichen Solos demonstriert. Überhaupt haben bei diesem Konzert alle Mitglieder der Band Gelegenheit, abseits von Vais Gitarrenkunst ihr Können aufzuzeigen. Beispielsweise bestreitet Dave Weiner den Song “Shove The Sun Aside” als alleiniger Gitarrist, die beiden Violinisten liefern sich bei “Apples In Paradise” ein Duett bzw. Duell, bei dem u.a. Vais Komposition “Eugene's Trickbag” zitiert wird und Drummer Jeremy Colson hat sein Solo auf den viel sagenden Titel “Earthquake Sky” getauft. Auch an Abwechslung mangelt es zu keiner Zeit, das Set ist variiert durchgehend, von langsam bis schnell, von hart bis soft ist hier die gesamte Bandbreite vertreten und man kommt voll auf seine Kosten – immer der Tatsache vorausgesetzt, dass man sich mit reiner Instrumentalmusik anfreunden kann. Das gesamte Konzert kann mit insgesamt zwei Stunden und 40 Minuten eine ansehnliche Spielzeit vorweisen.

Leider schaffen es die Extras nicht, das Niveau des gezeigten Auftrittes zu halten. Hier kommt Steve Vai selbst kaum zu Wort. Stattdessen erzählen die einzeln befragten Bandmitglieder, wie sie mit Steve Vai in Kontakt kamen, beschreiben das Leben auf Tour und berichten teilweise von mehr oder weniger kuriosen Ereignissen dabei. Leider ist dies alles nicht sonderlich interessant und im Gegensatz zum Konzert auch sehr nüchtern gefilmt – mit Ausnahme des Interviews mit Zack Weisinger, in dessen Verlauf einige von ihm selbst gefilmte Stop Motion-Videos gezeigt werden. Glücklicherweise meldet sich Steve Vai schließlich doch noch selbst zu Wort, und zwar indem er das von ihm entworfene “Jemini”-Distortion-Pedal vorstellt, unterstützt dank Videomontage von ihm selbst. Die beiden Vais beschreiben zusammen das neue Gerät und geben schließlich sogar noch ein kleines “Duett” zum besten. Somit werden die sonst eher zähen Extras immerhin etwas aufgewertet.

Die DVD leidet auch ein wenig unter der merkwürdigen Verteilung der Songs. Von den 27 Stücken werden 19 auf der ersten DVD platziert, während sich lediglich acht den zweiten Silberling mit den Extras teilen. Dies macht dem Zuschauer die Mühe, die enorme Spielzeit zu meistern keinesfalls einfacher, sondern wertet die zweite DVD eher ab, bei der man leicht das Gefühl kriegen kann, die Sache wäre schnell vorbei. Es hätte sich eher empfohlen, die mehrheitlich irrelevanten Extras ganz einfach wegzulassen und das Konzert auf einer Scheibe zusammenzulegen.

Erscheinen wird das Konzert übrigens auch als Einzel-CD. Von den ursprünglich 27 Titeln sind hier insgesamt 14 vertreten (“Par Brahm” ist nicht auf der DVD enthalten bzw. nur in deren Menü). Hier werden zwar die Solo-Auftritte der Bandmitglieder nicht beachtet, aber insgesamt sind auch hier die wichtigsten Songs vertreten. Definitiv fehlen tut hier lediglich “Juice”.

Fazit: trotz einiger Schwächen eine weitgehend gelungene DVD, die ein grossartiges Konzert, bestritten von einer erstklassigen Band zeigt. Soundtechnisch gibt es absolut nichts zu bemängeln, und auch die eigenwillige Kameraführung und visuelle Bearbeitung passt hier perfekt. Kurz gesagt: Nur mehr ist mehr!

(Gastreview von Jensen. Danke!)
Tracklist:
DVD 1:
1.Paint Me Your Face
2.Now We Run
3.Oooo
4.Building The Church
5.Tender Surrender
6.Band Intros
7.Fire Wall
8.The Crying Machine
9.Shove The Sun Aside
10.I'm Becoming
11.Die To Live
12.Freak Show Excess
13.Apples In Paradise
14.All About Eve
15.Gary 7
16.Beastly Rap
17.Treasure Island
18.Angel Food
19.Earthquake Sky

DVD 2:
20.The Audience Is Listening
21.The Murder
22.Juice
23.Whispering A Prayer
24.Taurus Bulba
25.Liberty
26.Answers
27.For The Love Of God


Tracklist CD:
1.Paint Me Your Face
2.Now We Run
3.Oooo
4.Building The Church
5.Tender Surrender
6.Band Intros
7.Fire Wall
8.Freak Show Excess
9.Die To Live
10.All About Eve
11.Gary 7
12.Treasure Island
13.Angel Food
14.Taurus Bulba
15.Par Brahm


Line-Up:
Steve Vai – Guitar & Vocals
Dave Weiner – Guitar & Sitar
Bryan Beller – Bass Guitar
Jeremy Colson – Drums
Alex DePue – Violin & Keyboard
Ann Marie Calhoun – Violin & Keyboard
Zack Weisinger – Lap Steel Guitar

DISCOGRAPHY:

1984 - Flex-Able
1984 - Flex-Able Leftovers
1990 - Passion and Warfare
1993 - Sex & Religion
1995 -Alien Love Secrets
1996 - Fire Garden
1999 - The Ultra Zone
2000 - The 7th Song – Enchanting Guitar Melodies – Archives Vol. 1
2001 - Alive in an Ultra World
2001 - FZ Original Recordings; Steve Vai Archives, Vol. 2
2003 - Mystery Tracks – Archives Vol. 3
2003 - Various Artists – Archives Vol. 4
2003 - The Infinite Steve Vai – An Anthology
2004 - Live in London
2005 - Real Illusions: Reflections
2007 - Sound Theories
2008 - Naked Tracks
2009 - Where The Wild Things Are

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Steve Vai - Where The Wild Things Are (DVD-Review)


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