Squealer-Rocks.de CD-Review
Paul Stanley - Live To Win

Genre: Hard Rock
Review vom: 10.10.2006
Redakteur: Maddin
Veröffentlichung: bereits veröffentlicht
Label:



Eigentlich sollte man mit zunehmendem Alter ja zwangsläufig vernünftiger werden. Doch manchmal schützt auch die bedrohlich nahende 40 nicht vor unkontrolliertem, pubertären Verhalten: bei jeder neuen Kiss Veröffentlichung setzt dieses komische Kribbeln ein, diese Mischung aus Vorfreude und Angst, dieses nervöse Verhalten beim ersten Hören, diese freudige Erwartung und gleichzeitiges Hoffen auf neue Glanztaten. So war es 1980 und so ist es auch 2006! Klar - wir haben nicht 1980 und wir haben auch keine neue offizielle Kiss Scheibe auf dem Teller. Trotzdem werden zahlreiche Freunde der größten Rock Band aller Zeiten Ähnliches empfinden, wenn Paul Stanley zum Hören seiner zweiten Solo Scheibe ruft.

Lassen wir Gene Simmons’ Totalausfall „Asshole“ mal gnädigerweise außer Betracht, ist Paul’s neustes Solo Album der erste richtige Studio Output aus dem Kiss Lager seit der „Psycho Circus“ Posse. (jeder weiß, warum „Posse“). Kommen wir also zur Sache: mein nervöses Zittern verwandelt sich bei den ersten Takten vom Titelsong und Opener in blankes Entsetzen! Tiefer gestimmte Gitarren. Oh, nein! Doch nach exakt 16 Sekunden meldet sich Paul mit einem sehr ruhigen, intensiven Gesang zu Worte, der dem Hörer eine Entenpelle nach der anderen beschert. Der Refrain kommt dann einer Explosion gleich, ist von epischen Keyboards unterlegt und verwandelt den Song in eine Hynme, wie sie von Kiss in den letzten 20 Jahren nicht mehr zu hören war. Grandioser Einstieg!

Die Nummer nach dem fulminanten Opener beginnt absolut Rock - untypisch mit einem leisen, elektronischen Drum Sound und dezenten Synthie - Klängen. Überhaupt ist „Wake up screaming“ recht elektronisch gehalten, auch wenn beim Chorus die Gitarren schön braten. Durch den autobiographischen Text und die ungewöhnliche Instrumentierung bekommt das Stück erstaunlichen Tiefgang. Klasse!

Mit „Lift“ zollt Mr.Stanley absolut dem Zeitgeist Tribut. Sehr groovig, sehr modern und sehr MTV tauglich. Interessant, aber leider die schwächste Nummer auf dem Album.

Wir wissen alle, wer die schönsten Kiss Balladen geschrieben hat. „Everytime I see you around“ ist wieder mal ein Beispiel dafür. Brauchen wir heute noch Love Songs? Solche schon!

Einen 08/15 Track wie „Bulletproof“ dagegen brauch’ kein Mensch. Es sei denn, er wird von einem gewissen Paul Stanley intoniert. Der macht aus dieser durchschnittlichen Komposition nämlich eine Party Nummer vor dem Herrn und verweist mal eben ganz locker die Hausfrauen – Rocker von Bon Jovi auf die hinteren Plätze.

„All about you“ haut in selbe Kerbe, ist allerdings wesentlich interessanter aufgebaut und beweist mal so nebenbei, dass unser Paul immer noch wie anno 1978 brüllen kann.

Kuschelnummer Numero zwo hört auf den schönen Namen „Second to None“ und lässt an allen romantischen Ecken und Enden erkennen, dass hier ein gewisser Desmond Child - wie übrigens bei 7 der 10 Stücke – am Songwriting mitgewirkt hat.

Das flotte „It’s not me“ büßt durch die etwas zurückgenommenen Gitarren ein bisschen an Härte ein, was aber durchaus seinen Charme hat. Mich erinnert das hitverdächtige Pop / Rock Liedchen ein wenig an Paul’s Kompositionen auf „Crazy Nights“. Gut, aber nicht überragend.

Unser Starchild war ja schon immer ein Schmusejunge, also verzeihen wir ihm auch die dritte Ballade. Denn wenn die Schnulzen so toll wie „Loving You without me“ klingen, hören doch auch wir unromantischen Altrocker immer wieder gerne hin.

Das Album beginnt mit einem wahren Hammer und mit einem solchen endet es auch. „Where Angels Dare“ ist der schiere Wahnsinn! Locker vergleichbar mit „Wouldn’t you like to know me“ von seinem ersten Solo Output, der bereits vor 28 Jahren das Licht der Rockwelt erblickte. Eine Rock Hymne wie aus dem Lehrbuch, gemacht für die Ewigkeit.

Paul Stanley ist mit „Live to Win“ der Drahtseilakt geglückt, eine Platte zu machen, die allen Kiss Fans gefallen wird und trotzdem genug persönliches Flair besitzt um nicht als bloße Kopie seiner Hauptband durchzugehen. Das die fetzigen Rocker auch auf einem Kiss Album stehen könnten, darf dem Hauptsongwriter der Maskierten nicht zum Vorwurf gemacht werden. Das war auch schon bei Stanley’s erstem Solo Ding 1978 so. Dessen Klasse erreicht der Neuling natürlich nicht; das wäre jedoch auch einem Wunder gleichgekommen. Doch das Reduzieren des Glam Faktors steht unserem Paulemann wirklich gut und präsentiert ihn ausserdem von einer sehr ernsten und glaubhaften Seite.

Lassen wir den Protagonisten am Ende selbst zu Wort kommen:

„Der Titel des Albums ist „Live to win“, und ich habe bereits gewonnen.“

VÖ: 20.10.2006

Tracklist:
1. Live to win
2. Wake up screaming
3. Lift
4. Everytime I see you around
5. Bulletproof
6. All about you
7. Second to None
8. It’s not me
9. Loving You without You
10. Where Angels Dare

DISCOGRAPHY:

mit Kiss:
1974 - Kiss
1974 - Hotter than Hell
1975 - Dressed to Kill
1975 - Alive!
1976 - Destroyer
1976 - Rock’n’Roll Over
1977 - Love Gun
1977 - Alive 2
1978 - Double Platinum
1979 - Dynasty
1980 - Unmasked
1981 - (Music from) The Elder
1982 - Killers
1982 - Creatures of the Night
1983 - Lick it Up
1984 - Animalize
1985 - Asylum
1987 - Crazy Nights
1988 - Smashes, Thrashes and Hits
1989 - Hot in the Shade
1992 - Revenge
1993 - Alive 3
1994 - Kiss my Ass
1996 - MTV Unplugged
1996 - You wanted the best, you got it
1996 - Greatest Kiss
1997 - Carnival of Souls
1998 - Psycho Circus
2002 - The very best of Kiss
2003 - Kiss Symphony (Alive 4)
Paul Stanley Solo:
1978 - Paul Stanley
2006 - Live to Win

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Paul Stanley - Live To Win (CD-Review)

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