Squealer-Rocks.de CD-Review
Manning - Anser's Tree

Genre: Progressive / Folk Rock
Review vom: 12.01.2007
Redakteur: Maddin
Veröffentlichung: bereits veröffentlicht
Label:



Guy Manning bezeichnet sich als Geschichtenerzähler, als „moderner Troubadour“. Fürwahr, eine ziemlich ungewöhnliche und zudem bescheidene Selbstbeschreibung für einen Musiker, der jedes Jahr ein Album veröffentlicht und außer den „Exoten“ Flöte, Violine und Saxophon nahezu alle Instrumente selbst eingespielt hat. Doch bereits nach den ersten Minuten wird klar: genau das ist die perfekte Umschreibung für Manning’s faszinierende Musik.

Sieben Geschichten, genauer gesagt Biographien, erzählt der britische Multi – Instrumentalist auf seinem „Anser’s Tree“.
Chronologisch geordnet beginnend im 16. Jahrhundert, beruhen die ersten vier Stories auf wahren Schicksalen, bevor die Geschichte in die Zukunft führt und im Zeitalter nach dem globalen Klimakollaps endet.

So unterschiedlich wie die Schicksale der einzelnen Personen, so abwechslungsreich gestaltet sich auch das Album, denn – und das ist das Geniale an dieser CD – Manning schafft es, dass Handlung und musikalische Umsetzung eine Einheit bilden.

Bereits nach den ersten Takten von „Margaret Montgomery“ möchte man sich genüsslich zurücklehnen und einfach nur der Erzählung lauschen. Passend zum Text von einer vermeintlichen Hexe im Schottland des 16. Jahrhunderts, packt unser Märchenonkel diesen unfassbar schönen Song in ein Folk - Gewand mit viel Flöte und Geige. Es erfordert beileibe nicht viel Fantasie, sich hier einen Mann mit Gitarre am Kaminfeuer vorzustellen.

„Jack Roberts“ war einer von Vielen, die im Schottland des noch frischen 18. Jahrhunderts in die „neue Welt“ übersiedelten, nur um dort zu erleben, dass es in Amerika genauso viel Hunger und Elend wie daheim gab.
Es ist fast unbeschreiblich, wie genial diese Geschichte vertont ist.
Mit Flöte, akustischer Gitarre und dezentem Keyboard wird die Hoffnung der Menschen auf ein besseres Leben fast sichtbar gemacht.
Ein verstörender Part im Mittelteil reißt den Hörer dann aus der Harmonie in die damalige grausame Realität.
Erst als er nach dem Tod seiner Frau in die Berge flüchtet, um in Einsamkeit zu leben, findet „Jack Roberts“ seinen Frieden, was durch ein Finale mit einem wunderschönen Saxophon Solo erneut passend umgesetzt wird.

Bei der Biographie von „William Barras“ ist erstmal Schluss mit den harmonischen Klängen. Das kurze Leben eines Minenarbeiters, das 1835 durch ein Grubenunglück ein viel zu frühes Ende fand, ist auch nicht gerade der Stoff, der zum Schmusen einlädt.
Dementsprechend kämpferisch wirkt diese Nummer.
Die Melodien sind sehr getragen, die Strophen kommen fast schon hektisch daher.
Dennoch wirkt diese fast 15 – minütige Nummer nicht verstörend, sondern einfach nur interessant und extrem kurzweilig.
Eine gelungene Mischung aus Folk und Art Rock. Spannende Geschichte!

Ausserordentlich spannend ist auch die Story von „Diana Horden“, eine der ersten weiblichen Polizisten in New York. Mit dezentem Sax, der ständig präsenten Flöte, einem leicht proggigen Keyboard in Verbindung mit Mannings akustischem Gitarrenspiel wird das kurze Leben dieser Frau, die einen Serienkiller während einem seiner Morde filmen wollte und dann selbst dessen Opfer wurde, gewohnt zielsicher umgesetzt.
Unserem Troubadour gelingt es hier, durch den Wechsel an verschiedenen Melodien sowohl eine Krimi Atmosphäre zu erzeugen, wie auch eine emotionale Verbindung zur Hauptperson aufzubauen. Grandios!

Der Lebenslauf des fiktiven „Joshua Logan“ (Todesjahr: 2048) fällt dagegen etwas unspektakulärer aus. Musikalisch wird hier recht moderat dem Blues / Jazz gefrönt, die „Handlung“ besteht daraus, dass ein Kind Fragen stellt.
Der Tiefpunkt des Albums.

Da ist die Erzählung von „Professor Adam Logan“ schon wesentlich gehaltvoller und zudem absolut glaubhaft, wenn auch schon etliche Male verfilmt: ein Professor warnt die Menschheit vor der nahenden Klimakatastrophe und keiner glaubt ihm.
Hier bin ich von Mannings musikalischer Umsetzung etwas überrascht: er vertont die Story mit einer Portion 70er Flair und einem fast schon erdrückenden Keyboard. Es gibt zwar einen vertrackten Mittelteil mit verstromter Gitarre, ansonsten herrscht Harmonie vor, die sogar in ein hymnisches Finale mündet.

Der Abschluss der Geschichte ist eigentlich der Anfang, denn der im Jahre 2089 geborene „Dr. Jonathan Anser“ erforscht die Geschichte seiner schottischen Ahnen und trägt all die Schicksale zu Tage, deren Zeuge wir werden durften.
Das Bild einer zerstörten Welt wird musikalisch so gut dargestellt, dass es schon beklemmend wirkt.
Zwei Keyboards spielen nebeneinander, dazu singt Guy Manning so überzeugend, dass es fast weh tut.
Dieses bedrückende Szenario entlädt sich schliesslich in einem Inferno aus martialischen Drum - Stakkatos und nervigen Sax Klängen.
Hoffnung oder das Ende?

Manning lässt den Schluss seiner Utopie offen. Richtig so.
Über eine gute Geschichte soll man schliesslich noch etwas länger nachdenken.

Dieses Album ist sicherlich keine gewöhnliche Rock Scheibe; es ist nicht hart und noch weniger heavy. Es bewegt sich fast ausschließlich im akustischen Bereich, Vergleiche mit anderen Bands schliessen sich aus. Allenfalls sind ganz leichte Parallelen zu Jethro Tull zu ziehen, bedingt durch das Flötenspiel und Mannings Stimme, die der von Ian Anderson nicht unähnlich ist.

Ansonsten ist diese Cd mit nur einem Wort zu beschreiben: WUNDERSCHÖN!!

Bereits veröffentlicht

Tracklist:
1. Margaret Montgomery (1581 - ?)
2. Jack Roberts (1699 – 1749)
3. William Barras (1803 – 1749)
4. Diana Horden (1900 – 1922)
5. Joshua Logan (1990 – 2048)
6. Prof. Adam Logan (2001 – 2094)
7. Dr. Jonathan Anser (2089 - ?)

Line Up:
Guy Manning – Acoustic Guitar, Electric Guitar, Mandolin, Keyboards, Bass, Drums, Percussion and Vocals

Guests:
Laura Fowles – Saxes and Vocals
Ian Walter Fairbairn – Fiddles
David Million – Electric Guitar
Stephen Dundon – Flutes
Andy Tillison – Hammond
Neil Harris – Piano

DISCOGRAPHY:

1999 - Tall Stories For Small Children
2000 - The Cure
2001 - Cascade
2002 - The Ragged Curtain
2003 - The View From My Window
2004 - A Matter Of Life And Death
2006 - Anser's Tree


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