Squealer-Rocks.de CD-Review
Wolfgang Petry - Unschlagbar - Die größten Hits

Genre: Schlager - Rock
Review vom: 21.09.2011
Redakteur: maddin
Veröffentlichung: 16.09.2011
Label: Sony Music



OK – ich gebe es zu, Toleranz hin oder her: Diese Geschichte hier ist schon grenzwertig. Country, Klaus Lage, Billy Joel, ja sogar ein Review über Falco und Duran Duran – alles Sachen, die mir die Leser nicht übel genommen haben und mit einem coolen „Kann man ja mal bringen, auch bei einem Webzine, das sich dem Hardrock und Metal verschrieben hat“ quittierten.

Aber Wolfgang Petry? Der König der ZDF Hitparade und Stammgast in so fetzigen TV –Formaten wie „Carmen Nebel hat Gäste bei klarer Sicht“ (oder so). Ist das noch zumutbar? Leidet der Maddin einfach nur an Geschmacks – AIDS oder will er lediglich provozieren?
Doch gemach, liebe Freunde des harten und weichen Stahls: Ich habe keine Sorge, dass ich nun Morddrohungen erhalte, weil ich schon beim Schreiben dieser Zeilen weiß, wie der handelsübliche Hardrock – Fan reagiert.

Woher? Weil ich diese Kiste - quasi im Selbstversuch – bereits 1998 durchlebt habe. In besagtem Jahr stolzierte ich nämlich beim - damals noch ausschließlich von Rockfans und Rockern besuchten – "Rock am Ring“ Festival zwischen den Gigs von Van Halen und Ozzy mit einem (gelben!) „Wolle im Pott“ T – Shirt durch die Menge, welches ich kurz zuvor beim Petry Konzert in der Dortmunder Westfalenhalle käuflich erworben hatte.
Sicher, ich wurde auch angespuckt, angerempelt, mit Bierbechern (mal leer, mal voll), Pommes - Schalen (mal leer, mal voll) beworfen und aus dem Bereich eines Rocker Clubs, die den Wolle wohl nicht so toll fanden, habe ich mich auch schnellstens entfernt.
Aber: 90% der Headbanger und Kuttenträger klopften mir auf die Schulter. Und zwar durchaus lobend und freundschaftlich. Nicht so wie die Rocker, das war eher…, na, ja – ich gehe halt heute noch etwas gebeugt.

Doch reden wir nicht von meinen selbstverschuldeten Haltungsschäden, reden wir darüber, warum der Wolfgang, der Petry, auch heute noch für gute Laune sorgt, selbst in „unseren Kreisen“ (einen gewissen Promillewert selbstredend vorausgesetzt).
Dieses Phänomen ist im Prinzip, ganz sachlich betrachtet, schnell erklärt: Die Mucke ist so simpel und dennoch genial konstruiert, ja konstruiert!, dass sie zur Massenhysterie führen musste. Der Hype begann in den 90ern, vorher war der - im Übrigen höchst sympathische, weil frei von Allüren – Superstar lediglich ein schnulziger Schlagersänger.
Zwar hatte der Kölner schon 1983 mit den beiden Knallern „Der Himmel brennt“ und „Wahnsinn“ Hits, die zum ersten Mal in der Geschichte ein Gitarren - Solo in einem deutschen Schlager präsentierten, das Rezept für den späteren Erfolg gefunden, doch so richtig zünden wollte keines seiner weiteren Alben, die zwischen rockigem Schlager und 80er Disco pendelten.

Die Rakete startete 1993 mit „Verlieben, Verloren, Vergessen, Verzeih’n“ und „Du bist ein Wunder“. Der Mix aus Ballermann – tauglichen Rhythmen, absolut sinnfreien Texten über Herzensangelegenheiten und die – gerade die sind es ja! – höchst simplen, aber nett tönenden Stromgitarren begeisterte Hausfrauen, Bodybuilder, blond dauergewellte, Solarium geschädigte Damen und auch der Rocker nippte cool an seinem Bier, konnte sich aber ein dezentes Wippen nicht verkneifen (OK - eine bestimmte Rocker - Fraktion mal ausgenommen; Ihr wisst schon, die Schulter…).

Im Grunde hat der Wolle danach immer das gleiche Lied gemacht, nur halt mit anderen Titeln. Die Rakete flog sogar so weit, dass der Mann ganze Stadien füllte. Und mal ganz ehrlich: Die mit 2 E -Gitarren gezockte Version von „Wahnsinn“ vor zigtausenden Leuten, das rockt. Auch wenn die arbeitssuchende Friseuse Biggi aus Gelsenkirchen – Erle neben Dir schreit, als würde sie gerade Drillinge gebären, selbstredend ohne zu wissen, welches Lied gerade läuft.

Apropos Rock: Neben den ganzen Disco – Fox meets E -Gitarre Schablonen hat „Uns Wolle“ wirklich ein paar wirkliche, also echte Rocksongs verbrochen.
Man kennt „Das Ruhrgebiet“? Natürlich. Hier fährt der Schnauzbart ein amtliches Härteprogramm auf, das locker Bands wie Status Quo oder KISS das Wasser reichen kann. Auch „Scheißegal“ ist eine Ecke kantiger als das, was zur Zeit unter dem Banner AOR auf’m Markt ist.
Es tut den beiden CDs übrigens sehr gut, dass man alle alten Stücke wie „Mein Zuhaus“ oder „Sommer in der Stadt“ in der Neufassung von 1996 zu hören bekommt. Ist zwar immer noch schnulzig, hat aber deutlich mehr Wumms.

Sicher, es gibt bei aller Begeisterung auch genug Stoff zum Fremdschämen. Dass "Meisterwerke“ wie „Geil, Geil, Geil (wir sind die Größten)“ oder „Da geht mir voll einer ab“ lediglich bei der besagten Biggi und ihrem Gatten Kalle – der das Konzert seinerzeit aufgrund eines unverschuldeten JVA -Aufenthalts leider nicht miterleben konnte – zu Begeisterungsstürmen führt, liegt eben in der Natur der Sache. Die Hälfte der Millionen, die der Wolfgang nun gerade im selbstgewählten Frührentner - Dasein verprasst, stammen nun mal vom Sozialamt (so hieß das seinerzeit noch).

Es sei ihm jedoch verziehen, denn ich wette, mindestens 80% meiner harten Kumpels summen - wenn auch heimlich – beim flotten „Tu’s doch“, garniert mit feinstem Ingrid Peters Refrain, leidenschaftlich mit und packen, wenn gerade mal keiner zuguckt, bei „Ich will noch mehr“ die Luftgitarre aus, denken an ihre unglückliche Liebe und brüllen Adrenalin / Nostalgie - bekifft „…Du hast mich jedes Mal belogen, aber keine war wie Du…“.
Na, erwischt? Ja, so sind wir harten Männer nun mal.

Nur eine Sache, die kann man ihm nicht verzeihen: Coversongs sind ein wichtiger Bestandteil im Schaffen des fast 60 – jährigen Kölners. Man denke nur an die beiden Secret Service Interpretationen „Ganz oder gar nicht“ („Ten o’clock Postman“) oder „Jessica“ ("Yes - si -ca"). Die kommen zwar nicht an die Originale ran, gehen aber noch in Ordnung (vor allem in den Neufassungen!). Und dann dies: Wolle covert Klaus Lage!
Um mal im Petry - Jargon zu sprechen: „Das kann doch wohl nicht wahr sein!“ Es gibt einfach Sachen, von denen man besser die Finger lässt! Auch, wenn die Grundidee, eine Hardrock Nummer aus dem Song zu machen prinzipiell OK ist: Experiment fehlgeschlagen! Und zwar gründlich! (Mal ganz davon abgesehen, dass Biggi und ihr Gatte jetzt denken, das Lied wäre im Original vom Wolle, während Klaus Lage aussieht wie der Bewährungshelfer vom Kalle).

Das kostet Sympathiepunkte, Herr Petry. Die werden allerdings zurückgeholt und zwar in Form von „Co- Co“: Der alte Sweet Klassiker wird so geil umgesetzt, das ich erst beim Chorus wusste, um welchen Song es sich hier handelt. Aus der lahmen Tante wurde eine fetzige Lady mit ordentlich Tempo. Daumen hoch!

So, Freunde, meine Zeilenvorgabe zeigt „Defcon 1“ und mein Chefredakteur haut mir wieder Sprüche wie „Um so einen Scheiß kümmerst Du Dich, aber die ganzen schwedischen Sleaze- Rock Bands muss ich alleine machen!“ um die Ohren.
Von daher verzichten wir nun leider auf das Kapitel „ Wolfgang Petry: Auch ohne Vorstrafen und Goldkettchen ein Genuss“.

Doch Stop! Es gibt noch eine Zugabe: Der Compilation liegt eine DVD bei – und was für eine! Der Silberling präsentiert in chronologischer Reihenfolge ganze 38 TV - Auftritte, wobei ein Großteil aus der eingangs erwähnten Underground Rock Sendung „ZDF Hitparade“ stammt. Der Clou hierbei: Man bekommt zum Teil auch die Anmoderationen präsentiert. Heisst: Man sieht auch den Dieter, den Thomas, den Heck, im Wandel der Zeit. Genauso wie den Wolle. Mal mit Riesenschnauz, mal ganz ohne Rotzbremse, mal sogar mit kurzen Haaren. Sehr nostalgisch, sehr kultig, wie beispielsweise Sequenzen aus dem altehrwürdigen „WWF Club“ (Liebe Biggi, lieber Kalle: Da wurde kein Wrestling gezeigt!).

Dann mal wieder oberpeinlich, wenn man Zeuge der „Gigs“ im „ZDF Fernsehgarten“ wird oder unser rockiger Schlager – Barde „Eine Muh, eine Mäh…“ spießerkompatibel playbackt. Das sind dann halt diese Momente, wo man sich ernsthaft überlegt, ob die Sache mit der Auswanderung nicht doch eine Option wäre.
So oder so aber ist die virtuelle Biographie unterhaltsam bis zum Geht nicht mehr. Zu den Extras kann ich aber nun beim besten Willen nichts mehr sagen, da hat mein Player automatisch abgeschaltet. Lest einfach selber in der Tracklist nach, dann wisst Ihr, weshalb.

(Ernsthaftes) Fazit: 36 Songs, die man in der entsprechenden Stimmung und mit der nötigen Ironie wirklich durchhören kann, machen dieses Package durchaus empfehlenswert. Der Preis von gut 20 Euro geht trotz der schmucken Verpackung zwar nicht ganz in Ordnung, könnte sich aber als Investition für kommende Festivitäten – oder Abende zu zweit - durchaus lohnen.

Wir beenden unseren Ausflug in die Schlagerwelt also mit folgenden Erkenntnissen:
1. Wolfgang Petry wird morgen 60 Jahre alt! Wir gratulieren – und zwar völlig ernsthaft und von Herzen. Sieht man sich die arroganten Typen an, die heute diese Szenerie beherrschen und sich nicht wundern dürfen, wenn sie zum Feindbild werden, dann kann man auch als Rockfan rufen: „Wolle, solche Typen wie Du, die fehlen heute!“.
2. Man macht sich nicht lächerlich, wenn man zu Songs wie „Das Ruhrgebiet“ Party macht - jedenfalls nicht lächerlicher als sonst auch – wenn man über 30 (oder 40 ) ist…
3. Sollte die Biggi vor dem Amtsgericht in Gelsenkirchen diesmal das richtige sagen, könnte der Kalle aus der unverschuldeten U – Haft entlassen werden und auf der großen Geburtstagsparty dabei sein, was den Wolle sicherlich freuen würde; er liebt ja schließlich alle seine Fans…

Tracklist:
CD 1:
Wahnsinn
So ein Schwein...
Tu´s doch
Sehnsucht nach Dir
Mein Zuhaus
Ich tu das alles nur für Dich
Du bist ein Wunder
Augen zu und durch
1000 und 1 Nacht (Zoom)
Gianna (Liebe im Auto)
Mach dir keine Sorgen
Co-Co (ho-chi-kaka ho) Ruhrgebiet
Jessica (Ye-Si-Ca)
Ganz oder gar nicht (Ten O´Clock Postman)
Weiber (A Little Bit Is Better Than Nada)
Vorbei
Denn eines Tags vielleicht
CD 2:
Verlieben, verloren, vergessen, verzeih´n
Ich will noch mehr
Bronze, Silber und Gold
Mein Revier
Sieben Tage, sieben Nächte
Sommer in der Stadt
Komm´
Weiß´ der Geier
Scheißegal
Frei für Dich
Geil, geil, geil (Wir sind die Größten)’
Nur ein kleines Stück Papier
Mein Zuhaus Teil 2
Ich will mehr
Das steh´n wir durch
Wieso und weshalb...
Da geht mir voll einer ab
Der Himmel brennt

DVD:

Sommer in der Stadt
Jeder Freund ist auch ein Mann
Ein ganz normaler Tag
Gianna (Liebe im Auto)
Wenn ich geh´
Ganz oder gar nicht
Jessica
Tu´s doch
Ich mach´ es so, wie ich´s eben kann´
Ich geh´ mit dir
Der Himmel brennt
Wahnsinn
Gandenlos
Halleluja mach´s gut (steck dir mein Herz an den Hut)
Hey Sie... Sind sie noch dran
Ich brauch´ ne Dosis Liebe
Einmal mit Dir´
Nur ein kleines Stück Papier
Verlieben, Verloren, Vergessen, Verzeih´n
Wieso und weshalb...
Du bist ein Wunder
Sehnsucht nach Dir
Ich will noch mehr
Frei für Dich
Sieben Tage, sieben Nächte
Jede Menge Liebe
Scheißegal
Bronze, Silber und Gold
Weiber
Augen zu und durch
Weiß´ der Geier
So ein Schwein...
Eine Muh, eine Mäh
Da geht mir voll einer ab
Das steh´n wir durch
Ich will mehr
Kein Grund zur Panik
Ich bin ene kölsche Jung

Bonus:
+ Wolfgang Petry, ein Mythos
+ Wolfgang & Achim Petry bei Carmen Nebel
+ Achim Petry „Keiner liebt dich...“


DISCOGRAPHY:

Sorry, noch keine Discography eingestellt.

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