Squealer-Rocks.de CD-Review
Simeon Soul Charger - Meet Me In The Afterlife

Genre: Psychedelic Rock
Review vom: 07.04.2011
Redakteur: maddin
Veröffentlichung: Bereits veröffentlicht
Label: Gentle Art of Music



Kennen Sie es auch? Dieses Problem, wenn man das ganze Haus voller Drogen hat, aber irgendwie keine Ahnung, was man dazu hört? Welche Musik so abgefahren ist, daß sie dazu perfekt passt? Nicht? Na, dann nehmen Sie, werter Leser, entweder keine Drogen, oder Sie haben sich bereits die neue " Simeon Soul Charger" zugelegt. Denn was die, in Bayern sesshaft gewordenen, Amis zu liefern wissen, ist weder leichte Kost, noch in wenigen Worten widerzuspiegeln. Daher kommen wir wohl nicht darum herum, gemeinsam auf die - doch etwas merkwürdige - Reise durch den Longplayer "Meet Me In The Afterlife " zu gehen.

Der Opener "Vedanta ( The Nothing )" klingt, als hätte man die Beatles mit einer Zeitmaschine direkt nach Sergeant Pepper ins Jahr 2010 teleportiert. Von Beginn an ein superswingiger Rhythmus, der einem das Wasser im Munde zusammen laufen lässt. Der Refrain ist ein sehr an "System of a Down" erinnernder Halbtakt, der durch wunderschöne Übergänge perfekt eingefasst wirkt, und nach dem es auch sofort schwungvoll weiter geht. Durch weitere Tempowechsel kommt bis zum Ende keinerlei Langeweile auf, obwohl ein anderthalb Minuten währender Instrumental- und Solopart eingeflochten ist, bei dem Gitarrist Rick Phillips zugunsten des Gesamtbildes glücklicherweise auf technische Onanie verzichtet.

"God Lends A Hand" klingt, als hätten The Offspring versucht, einen Soundtrack für Alice im Wunderland zu schreiben. Im Wechsel wird stets ein, dem Ticken einer Uhr ähnlicher, Gitarrenlauf und ein sehr schneller Part gespielt. Spätestens jetzt wird klar, daß hier kein Lied dem anderen gleicht. Auch der Sänger Aaron Brooks klingt nun völlig anders als zuvor. Wie im ersten Stück auch, merkt man, daß er wirklich nicht die beste Singstimme hat, diese jedoch gut zum Stück passt. Man darf auf den Rest der Scheibe gespannt sein.

Und was sagt man dazu? Bei " Through the Trees They Talk" klingt der Mann plötzlich wie Klaus Meine! Ein geiler Stampfer mit filigraner Gitarrenarbeit, an Queen angelehnten Chören, schreienden Gitarren und einem stimmungsvollen leisen Mittelteil, der einen großartigen Steigerungslauf erfährt. Ein Lied welches mit jedem Durchlauf mehr Spaß macht!

Das kann man vom nun folgenden Instrumental " Tooth" leider nicht behaupten. Flöten und Percussions klingen, als wäre man auf einer Safari. Zwar stimmungsvoll, aber leider entsetzlich langweilig.

" And He Skinned Them Both". Nur ein Wort. Großartig! Sollte ich jemals in die Verlegenheit kommen, einen Song für einen James-Bond-Soundtrack vorschlagen zu müssen: Hier ist er! Keine Ahnung, wie die Jungs das hinbekommen, aber die Musik fängt einen und lässt einen nicht mehr los. Beim ersten Hören findet man den Anfang gut, beim zweiten fällt einem der Refrain positiv auf. Und nach dem zehnten Mal findet man sich in Socken vor der Anlage " I am the Devil, you can not resist me!" gröhlend wieder. Acht Minuten, die kaum einen Wunsch offen lassen.

Westernambiente gefällig? Steelguitar und langsamer Takt, bei dem es sich locker zum nächsten Saloon reiten lässt? Kein Thema. " Please" ist ein Countrystück, daß kein Klischee auslässt. Sehr tragend und gemütlich geht es mit " Ahumm"-Chören und depressivem Gesang knapp sieben Minuten Richtung Sonnenuntergang. Ein Traum!

Alles andere als gemütlich ist das nun folgende "Europa´s Garden" mit dem folgenden " Europa´s Garden Reprise". Harte Gitarrenriffs, schimpfender Gesang und knallender Drumbeat. Daß man zum Solo hin allerdings die Geschwindigkeit auf Blues-Tempo drosselt und vorher noch mit Computereffekten unterlegt, wird nicht jedermanns Geschmack treffen. Mir ist es recht. Es ist stimmig und es fügt sich irgendwie wieder einmal alles wunderbar aneinander. Man merkt, daß sich die Lieder nicht von selbst geschrieben haben, sondern wirklich liebevoll zusammengesetzt wurden. Auf die Texte gehe ich übrigens gewollt nicht ein, denn dann müsste ich den oben gezogenen Drogenbezug doch überstrapazieren. Aber was die Außerirdischen so tanzen, und wo sie das tun..tja..hier singt ein ganzer Chor davon.....

Womit wir bei "Into The Afterlife" wären. Da es der Song ist, der vom Titel her einem Titelsong am nächsten kommt, ist die Erwartungshaltung natürlich entsprechend hoch. Leider wird man hier mit dem zweiten Totalausfall der Scheibe bedient. Viele Minuten ohne eine wirkliche Abwechslung. Das mit Bongos unterlegte Stück erinnert in seiner schleppenden Art und Weise an eine Wanderung durch die Wüste. Und ich muss leider sagen: Man ist ja wirklich froh, wenn man da raus ist. Da hilft es auch nicht weiter, daß nach knapp fünf Minuten das Tempo plötzlich angezogen wird, denn da dürfte wirklich jeder Zuhörer längst zur Skip-Taste gefunden haben.

Hatte ich eben Wüste erwähnt? " Song Of The Sphinx" nennt sich das nächste Stück, bei dem ( wer hätte es gedacht ) eine neue Musikrichtung angespielt wird. Man fühlt sich in die Sechziger gezogen, mit lockerem englischen Pop. Ein Song bei dem sofort der Fuß wippt, bei dem man aber auch den Wiedererkennungswert vermisst. Easy Listening mal etwas anders. Tut keinem weh, ist aber auch kein Knaller.

Ein gesungenes Gebet gibt es dann auch noch. Mit " A Child´s Prayer". Weniger ein eigenständiges Lied, als vielmehr ein Intro für das folgende
"Dear Mother". Und hier haben wir es wirklich mit harter Kost zu tun. Nicht musikalisch, sondern lyrisch. Die nur akustisch begleitete, teilweise verstörend fröhlich wirkende, Ballade wird aus Sicht eines Kindes gesungen und beschäftigt sich mit Kindesmisshandlung. Ausgerechnet hier klingt der Gesang zum ersten mal glockenklar, wodurch das ganze noch bedrückender wird. Ich nehme das Wort nicht oft in den Mund, aber hier handelt es sich um echte Kunst!

Zum Abschluss gibt es mit " The Swallowing Mouth" nochmal Gehirnkirmes. Ich habe mir viele Gedanken gemacht, wie ich dieses Lied beschreiben könnte. Aber am treffendsten ist: Wenn ein wahnsinniger Clown Ihnen eine Operette widmet, währenddessen aber in einen gesunden Blutrausch verfällt, nur um dann einzuschlafen, ja dann haben sie es mit dem elf Minuten dauernden Rausschmeisser des wohl merkwürdigsten Longplayers des frühen Jahres 2011 zu tun.

Fazit:
Was ist also das Fazit? Sollte man überhaupt ein pauschalisiertes Urteil fällen, oder ist dies eine der wirklich wenigen Scheiben, die eine stumpfe " x von 100 Punkten " Benotung unmöglich machen?
Eins steht außer Frage: Wenn man auf Musik steht, ohne auf ein spezielles Genre eingeschossen zu sein, sollte man auf jeden Fall ein Ohr riskieren und sich mit dieser außergewöhnlichen Band beschäftigen. Denn vor allem für echte Musikliebhaber gibt es genug zu entdecken, das die Benotung eher Richtung 100 als Richtung 0 führt. Die wirklich perfekte Produktion lässt obendrein keine Wünsche offen.

Anspieltipps:

Vedanta ( The Nothing )
And He Skinned Them Both
Dear Mother


(Gastkritik von Langemann. Vielen Dank!)
Tracklist:
1. Vedanta ( The Nothing )
2. God Lends A Hand
3. Through The Trees They Talk
4. Tooth
5. And He Skinned Them Both
6. Please
7. Europa´s Garden
8. Europa´s Garden Reprise
9. Into The Afterlife
10. Song Of The Sphinx
11. A Child´s Prayer
12. Dear Mother
13. The Swallowing Mouth

Line-Up:
Aaron Brooks: Vox, Git, Keys
Rick Phillips: Git, Vox, Mandolin
Spider Monkey: Bass, Banjo
Joe Kidd: Drums, Vox, Perc

DISCOGRAPHY:

2009 – Simeon Soul Charger (EP)
2010 – My Radio (Single)
2010 – All Rather End (EP)
2011 – Meet M In The Afterlife

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