Squealer-Rocks.de CD-Review
Retroheads - Introspective

Genre: Progressive Rock
Review vom: 30.12.2006
Redakteur: Jack
Veröffentlichung: bereits veröffentlicht
Label: Unicorn Digital



Bei einem Bandnamen – wie „Retroheads“ einer ist – könnte man garantiert zehn Leute zur stilistischen Ausrichtung befragen und würde – angefangen beim Nostalgie Pop bis zum Hard Rock – zehn verschiedene Antworten erhalten, ohne womöglich das wahre Gesicht der sieben Norweger und Norwegerinnen bloß zu stellen. „Retro“ sind sie definitiv, diese sieben Köpfe. Nur, ein weiteres Zauberwort auf dem mittlerweile zweiten Album dieser heißbegehrten Combo lautet „Progressive Rock“ – und zwar in seiner Ursprungsform. So folgt nach dem „Rückblick“ (die „Retrospektive“) nun die „Selbstbeobachtung“ (die „Introspektive“), an der wir aber alle teilnehmen möchten, versteht sich. Da müssen sich Marillion und Co. auf ihre alten Tage noch einmal warm anziehen.

So präsentiert sich die progressive norwegische Großfamilie einerseits im träumerischen und minutenlangen solistischen (Schönheits-) Wahn der Pink Floyd Gattung, wartet jedoch andererseits auch mit einer schönen Mixtur aus „simpler“ Progression und ultraeingängigen, um nicht zu sagen poppigen, Parts, welche auf Anhieb den Zündschlüssel umdrehen, auf. Dabei kommen die Vergleiche mit Marillion, Genesis, aber auch Saga nicht von ungefähr.

Ohne Verschachtelungen und Schleifchen, die einen wie an Weihnachten beim Geschenke-Auspacken aufhalten, haut uns die Rhythmusfraktion um den Gitarristen Tommy Berre zum Einstieg in „Rainy Day“ (zeitgleich auch Opener von INTROSPECTIVE) ein kerniges und mitunter auch fröhliches Quo-Riff vor den Latz, um anschließend ganz trickreich und ausgebufft die Zelte in altehrwürdigen, neoklassischen Klangwelten aufzubauen, die ihr Domizil in der ausufernden Elementierung, sowie im sphärisch veranlagten Facettenreichtum sehen. Genau an dieser Stelle setzt das Stimmungsbild des gut einstündigen Albums an, das eine wahre Berg- und Talfahrt (wie es das Leben ist) vollführt. Während in diesem Bild rein musikalisch (wie beispielsweise im fast beschwingten „I Turn To You“) meist das Positive überwiegt, liegt „Black Hole Eyes“, das eine regelrechte Ausnahme bildet, in einer mächtigen Fanghand, die den Hörer zu erdrücken versucht und ihn kaum an das Stück heran lässt.

Weiter gefestigt wird die, um die Platte herum entstehende, Homogenität durch den in keiner Weise aufdringlichen Einsatz von unüblicheren Instrumenten, wie die Hammond Orgel oder die Flöte, die sich perfekt dem Retroheads-Sound anpassen. Dies vollbringt zudem das äußerst geschickte Aufteilen der Gesangspassagen zwischen dem Frontmann Mike Mann und den Hintergrundvokalisten (Ann-Kristing Bendixen und Deborah Girnius), was sich eben nicht nur dem Gesamtkonzept angliedert, sondern auch ein stimmiges Wechselspiel zur Folge hat. Jener Mike Mann befindet sich mittlerweile in direkter Schlagdistanz zu Derek William Dick (alias „Fish“) und David Gilmour. Keine schlechte Hypothek für einen Frontmann, würde ich jetzt mal ganz zurückhaltend behaupten.

In den gerne mal eine halbe Booklet-Seite für einen Song füllenden Lyrics, die hauptsächlich dem Ehepaar Bendixen entsprungen sind, spricht die Band vornehmlich Probleme und Missstände an, die jeden von uns – also die gesamte Gesellschaft – etwas angehen. Mittels dieser Erkenntnis lässt sich auch die Einspielung der russischen Nationalhymne im Zusammenhang des Stücks „Be Aware“ erklären. Auf INTROSPECTIVE sollen einen neben der Musik also auch die Texte, mit welchen man sich als Außenstehender gut auseinandersetzen kann, ansprechen.

Fazit: Ihr findet, dass die Tatsache, dass die Retroheads auf dem amerikanischen „Rites Of Spring“ Festival höher – im Bezug auf die Running Order – eingestuft worden sind als die lebenden Prog-Legenden von Spock’s Beard, sehr laut nach dem Wörtchen „Hype“ schreit? Ihr könnt euch nicht vorstellen, dass diese Norweger nach zwei Alben dort stehen, wo manche Band des Genres erst nach über 20 Jahren steht? Dann besorgt euch schleunigst INTROSPECTIVE (und am besten die RETROSPECTIVE aus dem Jahre 2004 gleich dazu) und lasst euch eines besseren belehren. Denn die Retroheads haben sie tatsächlich schon erreicht: Die inoffizielle Hall of Fame des Progs!

VÖ: 12. Januar 2007

Tracklist:
1. Rainy Day
2. Living In A Bubble
3. Black Hole Eyes
4. One World
5. Be Aware
6. I Turn To You
7. Slaves Of Gold
8. The Tidal Wave
9. Karma

Anspieltipps: alle

Band Line-Up:
Mike Mann – Gesang
Ann-Kristin Bendixen – Backing Vocals
Deborah Girnius – Backing Vocals, Flöte
Tommy Berre – Gitarre
Gry Anett Stordahl – Hammond B3, Keyboards
Tore Bo Bendixen – Bass, Keyboards
Trond Gjellum – Schlagzeug

DISCOGRAPHY:

2004 – Retrospective
2007 – Introspective

SQUEALER-ROCKS Links:

Retroheads - Introspective (CD-Review)

Ann-Kristin Bendixen von Retroheads (Interview)
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