Squealer-Rocks.de CD-Review
Proghma-C - Bar-Do Travel

Genre: Progressive Rock/Metal
Review vom: 03.02.2010
Redakteur: Reaper
Veröffentlichung: 15.02.2010
Label: Mystic Productions



Dass es in Polen hervorragende Progressive Musiker gibt, weiß man spätestens seit den fulminanten Alben von Riverside. Nun weht der winterliche Sturm mit Proghma-C eine weitere Band aus unserem östlichen Nachbarland heran, die sich einer progressiven Musiksprache bedient. Was das Quartett aus Danzig so zu bieten hat, werden wir spätestens nach Antritt der Reise erfahren.

Etwas irritiert blickt man schon auf den Namen dieser Band, liest er sich doch zum einen wie die Bezeichnung einer Programmiersprache, zum anderen weckt er Assoziationen zum indischen Subkontinent und dem Buddhismus im Besonderen. Die sich fast aufdrängende gedankliche Verbindung zu den Greencard Indern, die die deutsche IT-Branche bereichern sollten, kann man da kaum unterdrücken. Legt man jedoch die CD ein, so gefriert einem das sarkastische Grinsen sofort im Gesicht, da man sich einem in Musik gefassten Quellcode gegenübersieht, der nur so von Sprüngen und Schleifen gespickt ist, dass man auf den ersten Blick kaum die Wirkung des Ganzen auszumachen in der Lage ist.

Wohl hört man, dass die Polen auf ihrer Debütscheibe zum Teil sehr modernen, an Werke des hessischen Songwriters Henning Pauli erinnernden, Prog auftischen, der aber im nächsten Moment Qualitäten zu kreieren vermag, die an die bewegenden Stücke der Briten Pallas denken lassen, ohne jedoch zu verleugnen, dass man sich auch gerne mal dem industriellen Klang der Marke Walzwerk hingibt. Ob dieser Ersteindruck Folge von bereits pulsierenden Kopfschmerzen ist oder die Musik jene erst hervorbrachte, das kann ich nicht beurteilen, wenngleich eine gewisse Korrelation zwischen diesen beiden nicht zu leugnen ist.

Bevor die Scheibe also eine zweite Chance bekommt, wie sie wohl jedes Album verdient hat, insbesondere wenn es sich dabei um Progressive handelt, widmen wir uns einmal dem Albumtitel und dies eröffnet einen ganz neuen Blick auf „Bar-do Travel“.

Bardo Thödröl vom tibetanischen Begriff „bar do thos grol“ abgeleitet bezeichnet die „Befreiung durch Hören im Zwischenzustand“. Im Buddhismus glaubt man an den Kreislauf aus Tod und Wiedergeburt, den zu durchbrechen man nur in der Lage ist, wenn man ihn im Zustand zwischen Sterben und Wiedergeburt erkennt. Eben diesen Zwischenzustand, der sich in drei Stufen gliedern lässt, bezeichnet der Begriff Bardo.

In diesem Lichte betrachtet, begibt man sich also mit dem Album der Polen auf eben jene Reise in den Zwischenzustand, um sich so seiner bewusst zu werden. Nun mag es nicht mehr verwundern, weshalb diese acht Stücke so sehr an den Nerven zehren, da sie doch versuchen den Weg der Befreiung der Seele vom Körper nachzuzeichnen. Merkmale dieses aufwühlenden Konzeptes sind ein transzendentes Keyboard, über dem ein schmerzhaft monotones Riffing lastet, und der Wechsel zwischen brachialem Prog Metal samt Growling und klassischem Progressive beziehungsweise Psychedelic Rock mit einem hypnotisierenden Klargesang. Unter diese Elemente mischen sich allerhand Anleihen im Industrial und musikalischen Futurismus der 50er und 60er Jahre, welcher durch flirrende Klangspektren gekennzeichnet ist.

Das Danziger Quartett vermengt derart viele unterschiedliche Strömungen in seiner Musik, dass man angesichts der Frickelorgien aller Instrumente zu mancher Zeit dem Wahnsinn nahe scheint. Eine Erlösung erscheint einem da fast das letzte Drittel von „Bar-do Travel“ da in jenem die aufreibenden Industrialversätze etwas in den Hintergrundtreten und man sich tatsächlich losgelöst fühlt, wie es auch ihre Landsleute Riverside zu vollbringen vermögen.

Fazit: “Bar-do Travel” ist kein Album für zartbesaitete Gesellen, die nach eingängigem Prog suchen. Vielmehr versprechen die Polen mit ihrem Debütalbum eine Achterbahnfahrt auf dem Weg zur Erlösung aus dem buddhistischen Kreislauf von Tod und Wiedergeburt, der einen mit sich hinab und wieder hinauf reißt, einen zerreißt und wieder neu zusammensetzt.
Mit „Army Of Me“ befindet sich zudem ein gelungenes Björk-Cover auf der Scheibe.


Tracklist:
1. Kana
2. FO
3. Spiralling To Another
4. Spitted Out
5. Spitted Out [Out]
6. So Be-live
7. I Can't Illuminate With You
8. Naan
9. Army Of Me [Björk Cover]


Line-Up:
Piotr “Bob” Gibner – Gesang
Paweł “Smaga” Smakulski – Gitarre, Synthesizer
Michał “Vaski” Górecki – Bass
Łukasz “Kuman” Kumański – Schlagzeug
Maja Kuta – live VJ

DISCOGRAPHY:

2010 - Bar-Do Travel

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Proghma-C - Bar-Do Travel (CD-Review)

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