Squealer-Rocks.de CD-Review
War From A Harlots Mouth - Transmetropolitan

Genre: Math-/Hard-/Grindcore / Jazz
Review vom: 14.09.2007
Redakteur: Jack
Veröffentlichung: 21.09.2007
Label: Lifeforce



Nein, normal ist das nicht, was uns die Hauptstädter von War From A Harlots Mouth auf ihrem Longplayer-Debüt TRANSMETROPOLITAN kredenzen. „Pervers“ ist da schon der etwas treffendere Ausdruck. Wer nämlich diesen keineswegs grob aufgeschaufelten, sondern jede einzelne Faser pedantisch inspizierenden Klangteppich als „bekömmlich“ bezeichnet, fährt wahrscheinlich auch im Rückwärtsgang zur Arbeit.
Werden wir etwas konkreter: Schon mal was von Math- oder Techcore gehört? Nein? Dann münzt – der Veranschaulichung halber – einfach den Rechenschieber-Prog in einen als Hardcore deklarierten Kontext. Alles klar?

Bevor wir dieses Rätsel, für dessen Lösung beinahe Formeln aus einem höheren Semester nötig sind, aufbröseln, wollen wir doch erst einmal für noch mehr Verwirrung sorgen. Denn mit Liedtiteln wie „And In The Right To Make Mistakes, We May Lose And Start Again...“, „If You Want To Blame Us For Something Wrong, Please Abuse This Song!“ oder „How To Disconnect From Your Social Surrounding In Half An Hour“ bringt man selbst die bezüglich der Länge auf dem Thron sitzenden Psycho-Deather von Nile ein wenig in die Bredouille. Krank und geil zugleich.

So suboptimal solche Liedtitel in der Praxis (wenn es um das Einprägen geht) sein mögen, es gibt kaum etwas, das den Sound War From A Harlots Mouth besser versinnbildlicht als diese abartig langen und undurchsichtigen Titel. Bei den Berlinern ist eben alles anders und im selben Atemzug spitzfindiger. Jeder in Schubladen denkende Metaller stuft TRANSMETROPOLITAN nach wenigen Sekunden sowieso als ein viel zu hektisches und überstrapaziertes Werk ab, so dass ich mich in diesem Review lediglich an all diejenigen wende, die keine Probleme mit a.) zwischen 1:22 und 7:04 Minuten pendelnden Tracks und b.) dem Eintreten von gänzlich unerwarteten Dingen haben.

Unvermittelt eintretende, zusammenhangslose, einen in eine vollkommen andere Richtung zerrende Stiländerungen, die entweder die besinnliche, regenerative Ruhe oder die Zerstörung der Nackenmuskulatur heraufbeschwören, sind im Verlauf der Platte nämlich keine Seltenheit. Die Gitarristen Simon und Daniel springen scheinbar unbeirrt von der Welt des hoch entwickelten Hard- und Grindcores in die des Jazz und wieder zurück und verpacken jeden Anflug von straighter Brutalität mit einer unendlich scheinenden Fülle an technischen Finnessen, dass jeder Konzentrationsverlust knallhart mit einer Schieflage der eigenen Parallele zu TRANSMETROPOLITAN und der daraus entstehenden Atonalität bestraft wird. Und plötzlich fragt man sich bei diesen Taktwechsel und Rhythmen insgeheim, ob es so etwas überhaupt geben kann.

Behält man schließlich nach einer Reihe von Anläufen die Oberhand, muss man unweigerlich konstatieren, dass diese 40-minütige Scheiblette oftmals ihrer Komplexität und den jenseits von „gut“ und „böse“ befindlichen Geschwindigkeitsvariationen trotzt und mit satten, headbangtauglichen Grooves im Verbund mit Steffens hohen Shoutings oder tiefen Growls aufwartet. Und wer schon immer mal wissen wollte, wie sich eine Schreibmaschine im direkten Duell mit einem Schlagzeug schlägt, wird hier ebenfalls fündig.

Natürlich könnte ich an dieser Stelle noch irgendwelche Acts aufzählen, die ein ähnliches Muster wie War From A Harlots Mouth bezichtigen, aber… hey, wer jetzt noch immer ein großes Fragezeichen im Gesicht stehen hat, wird dieses mit einem kleinen Verweis auf Converge auch nicht verlieren.

Fazit: TRANSMETROPOLITAN ist… faszinierend, anstrengend, überwältigend und strapazierend… schlichtweg ein Unikat, welches Dir alles abverlangt und nur mit einer aufrichtigen Hingabe verstanden und schlussendlich auch geliebt werden kann. Aber dieser lange, anfänglich hoffnungslos erscheinende Kampf, um in die musikalische Gedankenwelt von War From A Harlots Mouth vorzudringen, lohnt sich auf alle Fälle.
Fragt mich jetzt aber nicht, ob man dafür Student sein muss... ich glaube schon.

Tracklist:
1. How To Disconnect From Your Social Surrounding In Half An Hour
2. Heeey... Let's Start A Band!
3. The District Attorneys Are Selling Your Blood
4. Trife Life
5. Fighting Wars With Keyboards
6. Mulder
7. Thousand Complaints, One Answer
8. If You Want To Blame Us For Something Wrong, Please Abuse This Song!
9. Rinding Dead Horses Is A Fucking Curse
10. Transmetropolitan
11. And In The Right To Make Mistakes, We May Lose And Start Again...

Band Line-Up:
Steffen – Gesang
Simon – Gitarre
Daniel – Gitarre
Filip – Bass
Paul – Schlagzeug

DISCOGRAPHY:

2006 – Split CD mit Molotov Solution
2007 – Transmetropolitan
2009 - In Shoals

SQUEALER-ROCKS Links:

War From A Harlots Mouth - Transmetropolitan (CD-Review)

Callejon, War From A Harlots Mouth, Last One Dying - Karlsruhe, Die Stadmitte (Live-Review)

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