Rock Of Ages 2009 - Seebronn

(Texte: Eric, Bilder: Metallo)



THUNDER

Thunder lösen sich nach dieser Tour auf und spielten ihre letzte Show auf deutschem Boden – und so ein bisschen stolz darf man darauf sein, von dieser großartigen Band Abschied nehmen zu dürfen. Wenn wir über grundehrliche, ungekünstelte Rockbands reden, dann MUSS zwangsläufig der Name Thunder fallen. Mit „Dirty Love“ zogen die Briten die Menge vom ersten Ton an auf ihre Seite, und (natürlich) machte Frontmann und Obersympathikus Danny Bowes seine mit der Begrüßung verbundene Drohung nicht wahr. „Do you feel food? Yes? Okay, we're gonna change that!“ Gelogen, natürlich. Eine Stunde allerfeinster Rock-Unterhaltung mit allem, was dazugehörte: „Back Street Symphony“, „Gimme Shelter“, „Low Life In High Places“ - die Briten genossen ihren letzten Auftritt auf deutschem Boden sicht- und hörbar und wurden am Ende würdig in den viel zu frühen Ruhestand verabschiedet. Eine großartige Show und ein echter Verlust für unsere Szene!

AXEL RUDI PELL

Wenn Axel Rudi Pell die Bühne entert, dann weiß man, was man bekommt. Eine Größe in der Szene, die sich insbesondere in zwei Komponenten ausdrückt. Durchgehend hochwertiges Songmaterial und durch die Bank Mitmusiker der Championsleague-Güteklasse. Wenn also neben Axel Rudi himself ein Johnny Gioeli am Mikro steht, ein Ferdy Doernberg die Tasten bedient, ein Mike Terrana hinter der Schießbude Platz nimmt und Volker Krawczak die dicken Saiten zupft, kann im Grunde nicht viel schief gehen. Ging natürlich auch nicht, ARP rockten die Menge! Gioeli ist phasenweise ein nahezu unfassbar geiler Shouter und dazu noch ein mitreißendes Energiebündel, das die Meute vom ersten Takt an sicher im Griff hatte. Dass Pell selbst nicht zu den Bewegungswundern auf der Bühne zählt ist als Erkenntnis nun so neu nicht, aber diesen eher sparsamen Aktionsradius glichen seine Mitstreiter locker wieder aus. Aufgrund der Kürze der Zeit blieben ausufernde Solo-Einlagen aus, auch wenn Terrana selbstverständlich die Gelegenheit bekam, sich exklusiv an den Stöcken auszutoben. Ansonsten jagte ein Shitkicker den nächsten, von „Fool Fool“ über „Mystica“, „Rock The Nation“ und „Strong As A Rock“ bis zu „Higher“ vom neuesten Output - da bleiben keine Fragen offen und keine Mähne ungeschüttelt. Tolle Show, wie erwartet.

STATUS QUO

An dieser Stelle endet ein jahrelang liebevoll gepflegter Running Gag, so leid mir das auch tut. Mit meinem geschätzten Kollegen und ausgewiesenen Quo-Fan Maddin duelliere ich mich seit Jahren im Forum als Verfechter derjenigen, die für Status Quo nichts übrig haben. Es ist Zeit für die bittere Wahrheit Maddin, also seit stark: Ich hab dich belogen. Status Quo rocken! Was sagt man zu einer Band, bei der selbst knappe zwei Stunden Spielzeit nicht ausreichen, um alle Hits unterzubringen? Zu einer Band, die gar keine ausufernden Ansagen nötig hat, sondern dafür einen Livekiller nach dem anderen raushaut, um die Menge steil gehen zu lassen? Zu einer Band, die (nimmt man jedenfalls die Gründung von The Spectors als Startpunkt) unfassbar 47 (!) Jahre im Geschäft ist? Francis Rossi, Rick Parfitt und Kollegen kommen auf die Bühne, sagen höflich „Good Evening“ und knallen dann einen Smasher nach dem anderen raus. „Sweet Caroline“, „Roll Over Lay Down“, „In The Army Now“, „The Wanderer“, „Whatever You Want“ und natürlich das finale „Rockin' All Over The World“ - ohne Zettel zum Mitschreiben ist es schlicht unmöglich, alle Hits des Abends aufzuzählen. Und Hände frei zum Schreiben hätte ohnehin niemand gehabt, die waren zum Mitklatschen belegt, die Füße zum Mitwippen und der Kopf zum Mitnicken. Status Quo brauchen kein Getue, ihr höchst livekompatibler Boogie Rock in Verbindung mit ihrem quasi unantastbaren Legenden-Status sorgt ohnehin für die nötige Stimmung vor der Bühne. Im Gegensatz zum Headliner des folgenden Tages erfüllten Quo die Wünsche des Publikums restlos, wurden völlig verdient frenetisch von der Bühne verabschiedet und beendeten einen rundum gelungenen ersten Festivaltag.

VENGEANCE

Vengeance sind Niederländer, aber ansonsten lässt sich wahrlich nix Schlechtes sagen über die Partyrock-Helden aus den 80ern. Sie mussten um 13 Uhr, also quasi mitten in der Nacht, ran. Dennoch versammelte sich eine bemerkenswerte Schar übernächtigter Rocker mit dem ersten Bier des Tages vor der Bühne – und sie sollten das nicht bereuen. Leon Geowie, letztes verbliebenes Original-Mitglied aus den 80ern, ist von jeher bekannt für sein … nennen wir es „wenig zurückhaltende“ Bühnenshow, und neben einigen Stücken vom erfreulich hochwertigen aktuellen Album „Soul Collector“ sorgten natürlich insbesondere die alten Smasher für Bewegung im erstaunlich zahlreichen und erstaunlich wachen Publikum. „Take It Or Leave It“, „May Heaven Strike Me Down“, „Arabia“ und natürlich „Rock'n'Roll Shower“, der Partyhit der Kapelle schlechthin – viel mehr Worte braucht man an der Stelle eigentlich nicht verlieren. Obwohl – auf die junge Kapelle, die Geowie um sich geschart hat, sollte noch kurz eingegangen werden, sorgten die Jungspunde an der Gitarre und den Drums doch für einiges Staunen. Da war keine Spur von „Altrocker“ - und es besteht Hoffnung, dass wir an dieser großartigen Gute-Laune-Band noch lange unsere Freude haben werden.

DORO (mit Orchester)

Würde man Doro böse wollen, könnte man ihre Ansagen lächerlich finden. Nahezu jeder Song wird irgendjemandem gewidmet, und die ständigen Zuneigungsbekundungen an das Publikum waren schon in den späten Achtzigern peinlich. Nur: Niemand will Doro böse, und das hat seinen Grund. Die „Metal Queen“ ist viel zu lange im Geschäft und, vor allem, viel zu lange ihrem Ding treu geblieben, als dass man ihr ihre, man möge mir verzeihen, eher plakativen Ansagen übel nehmen könnte. Doro ist so, und Doro rockt! Und das tat sie weiß Gott auch beim Rock Of Ages. Unterstützt von einem Streich-Orchester, das allerdings eher den Sound auffüllte denn wirklich Akzente setzte, brachte die blonde Vorzeige-Rockerin die Massen ordentlich in Bewegung. Vielleicht ein, zwei neue Songs zuviel, ansonsten ging die Post ab. „I Rule The Ruins“, „Love Me In Black“ und das unvermeidliche „Für immer“ leiteten auf zwei Höhepunkte des Festivals hin. „All We Are“ wurde natürlich regelrecht zelebriert, und beim abschließenden Priest-Cover „Breaking The Law“ ging dann auch die letzte Schnarchnase im Publikum steil. Großes Heavy-Rock-Kino und Doro, mal wieder, die Gewinnerin des Abends. Unglaublich, aber wahr: Die deutsche Metal-Queen hängte sogar Status Quo in Sachen Stimmung noch ab!


GARY MOORE

Bereits lange vor Beginn des Festivals wurde gespannt und leidenschaftlich darüber diskutiert, ob Gary Moore für dieses Festival seine alten Gassenhauer reaktivieren würde. Schließlich ist es das Rock Of Ages, nicht das Blues Of Ages, und das ganze Festival wird letzten Endes weitestgehend bestimmt von Krachern aus den 80ern. Machen wir es kurz: Gary Moore reaktivierte nichts. Es gab kein „Out In The Fields“, kein „Empty Rooms“ und auch kein „Over The Hills And Far Away“. Stattdessen zauberte Moore in ohrenbetäubender Lautstärke eine Bluesnummer nach der anderen auf die Bühne. Meisterhaft gespielt, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel, aber zumindest für meine Ohren überhäuft mit ellenlangen und teilweise gehörgangschädigenden Soli, bis die dünnste Saite glühte. Immerhin, mit „Walking By Myself“ gab er den geschätzten 10.000 Fans vor der Bühne dann doch noch einen Grund, um abzugehen, am Fazit aber ändert das nichts: Ein routinierter Auftritt eines großartigen Musikers, aber der Beifall am Ende war freundlich, nicht begeistert. Es ist die Entscheidung des Iren, mit seinen alten Nummern abzuschließen, und diese Entscheidung ist zu respektieren. Dennoch wäre es ein Zeichen von Fannähe und ja, auch von Dankbarkeit gegenüber dem Publikum gewesen, dem Wunsch nach den alten Hits zumindest mit ein, zwei Songs nachzukommen. Sei's drum.


FAZIT


Das Rock Of Ages etabliert und entwickelt sich. Ungefähr 10.000 Besucher waren, zumindest für meine Begriffe, die Obergrenze dessen, was sich als eher mittelgroßes Familienfestival noch verkaufen lässt.

Zu meckern gab’s auch an der vierten Auflage der Veranstaltung kaum etwas, einziger echter Kritikpunkt: Die Dixies auf dem Campinggelände kann selbst ein hartgesottener Festivalrocker nur als Ekel pur beschreiben. Unabhängig von der Frage, wie bescheuert man sein muss, um vor das Klo zu kacken, sollte im nächsten Jahr hier öfter leeren und säubern. Oder gleich Modelle hinstellen, wo einem nicht schon direkt beim Öffnen des Deckels die verdauungstechnischen Endprodukte der tausend „Vorsitzenden“ in’s Auge springen.

Ansonsten fettes Lob, wie gehabt: Ein perfektes Festivalgelände, ein hochwertiges Billing mit zumindest einem großartigen Headliner, toller Sound, kurze Umbaupausen, freundlicher Umgangston und hilfsbereite Security – das passt. Die durchwachsenen Preise für die weniger durchwachsenen Pizzen dafür sind festivalüblich, damit muss man leben. Die Künstler überzeugten durch die Bank, lediglich bei Gary Moore blieb ein etwas fader Beigeschmack zurück. Ich persönlich hoffe, dass das Rock Of Ages nicht noch weiter wächst, um ein weiteres Massenfestival mit allen negativen Begleiterscheinungen zu werden. Wir werden das überprüfen – beim Rock Of Ages 2010!

BILLING

Freitag:
Chucks (17:00 - 17:45)
Epitaph (17:55 - 18:55)
Thunder (19:10 - 20:20)
Axel Rudi Pell (20:40 - 21:55)
Status Quo (22:25 - 24:00)

Samstag:
Dark Sky (12:00 - 12:50)
Vengeance (13:00 - 13:50)
Birth Control (14:05 - 15:05)
Mother's Finest (15:20 - 16:30)
Roger Chapman (16:50 - 18:00)
10 CC (18:25 - 19:25)
Doro mit Orchester (20:15 - 21:35)
Gary Moore (22:10 - 23:50)