Squealer-Rocks.de Live-Review
Rose Tattoo und Nikki Puppet (21.06.2008, Bochum, Zeche, maddin)

Vom marktwirtschaftlichen Gesichtspunkt aus betrachtet, war der Termin am Donnerstag der Super - GAU: ausgerechnet am Tag des Viertelfinalspiels der Deutschen gegen Portugal machten die Tatts in der Fussball - Hochburg Bochum halt.
Doch alles Schlechte hat bekanntlich auch sein Gutes, und so wurden die ca. 300 Musikliebhaber, denen schweisstreibender Rock'n'Roll wichtiger als Millionärsgekicke war, wenigstens vom unsäglichen Party - Pöbel verschont, der bei Rose Tattoo Konzerten durch wildes Rumgepoge gerne den echten Fans den Abend versaut.
Es wurde also eine entspannte Veranstaltung und durch den frühen Beginn konnte man nach dem Gig sogar noch den Großteil der 2. Halbzeit im Biergarten der Zeche schauen, wo ein Großbildschirm aufgestellt war.

Um zeitige 19.30 Uhr gingen dann auch die Label - Kollegen Nikki Puppet auf die Bühne und sahen sich einer Schar von gerade mal 100 Leuten gegenüber. Der fast leere Saal zeugte jedoch nicht vom Desinteresse des Publikums - der Biergarten war nämlich auch leer -, vielmehr lag die lokale Presse, wie auch die Homepage der Zeche, mit dem angekündigten 20 Uhr Termin mal wieder voll daneben. Schönen Dank auch.
Dermaßen „kalt erwischt“ zeigten sich die anwesenden Zuhörer folglich recht reserviert, wenn auch nicht abgeneigt. Zudem dürfte die Band den Wenigsten bekannt gewesen sein. Schade, denn das gemischte Doppel konnte mit seinem leicht rotzigen Heavy Rock der Marke Thunderhead echt überzeugen. Vor allem Sängerin Nicky hebt sich wohltuend von den Teenie - Trällerelsen ab und ich würde sie gar mit der großen Jutta Weinhold vergleichen.
Der neue Song „Destroyed“ machte unheimlich Appetit auf das kommende Album und die Norddeutschen stehen für den Herbst ganz groß auf meiner „nicht vergessen“ - Liste.

Um Punkt 20.28 Uhr konnten wir in der Zeche schon weitaus früher jubeln, als der Rest von Deutschland. Schließlich ist es immer wieder ein wahnsinnig aufregender Moment, wenn die lebende Legende Rose Tattoo in gewohnt ungekünstelter wie unspektakulärer Art auf die Bühne schlurft.
Doch zunächst mal musste ich zweimal hinglotzen: am Bass stand nicht Steve King, sondern Ur -Tatt Geordie Leach, der sofort mit Sprechchören gefeiert wurde.
Höllisch laut legte die coolste Truppe des Planeten dann mit „One Of The Boys“ einen unerwarteten Opener aufs Parkett, welcher jedoch nicht die einzige Überraschung bleiben sollte.
Sicherlich hatte niemand im Vorfeld gedacht, dass es gleich ganze 6 Songs vom letzten Longplayer „Blood Brothers“ in die Setlist schaffen würden. Natürlich rief das einige Unmutsbekundungen hervor und leider fiel das Stimmungsbarometer bei den neuen Tracks auch etwas in Richtung Keller.

Dabei sollte man dieser Entscheidung durchaus wohlwollender gegenüber stehen. Im Gegensatz zu Status Quo oder AC/DC verkommen Rose Tattoo nicht zu ihrer eigenen Coverband, sondern bieten den Fans auf jeder Tour ein neues Programm. Da unbestreitbar eh immer die gleichen Leute zu den Konzerten pilgern, sollten die sich doch eher freuen, nicht immer den gleichen Set geboten zu bekommen. Schliesslich gab es immer noch genügend Klassiker zu hören!
Ach, was rege ich mich auf? Weiter im Programm:
Eine weitere Überraschung war der Oldie „Never Too Loud“, bei dem es sich um keinen regulären Album Track, sondern um einen Bonus Song der CD Version der ersten Scheibe handelt.
Des Weiteren gab es logischerweise die wichtigsten Standards zu hören, wobei das vorletzte Scheibchen „Pain“ ebenso unbeachtet wie „Southern Stars“ blieb, was zumindest im zweiten Fall den Erwartungen entsprach.

Von „Pain“ war allerdings ziemlich oft die Rede. Eigentlich immer dann, wenn Angry Anderson wieder mal zu einer seiner berühmten Ansagen ansetzte, die immer mehr kryptische Ausmaße annehmen. Es gab wohl niemanden im Saal, der seinen Erzählungen über Schmerz, Freiheit, Politiker, seine Kinder, Krieg und noch so allerhand mehr Dingen des Zeitgeschehens lückenlos folgen konnte. Seine Mitmusiker anscheinend auch nicht, die legten manchmal nämlich schon lautstark los, wenn unser Brüllwürfel noch in seinen verbalen Ausschweifungen schwelgte.
Überhaupt wirkte Mr. Anderson gelegentlich etwas „entrückt“ und schien in anderen Sphären zu schweben. Doch immer dann, wenn man schon gedanklich bestimmte Substanzen im Blutkreislauf des kleinen Australiers wähnte, traf Angry seine Einsätze punktgenau und legte eine stimmliche Performance hin, dass es eine wahre Wonne war.
Bleibt also nur der - zudem äußerst wahrscheinliche - Schluss, das Angry Anderson dermaßen in seine Musik eintaucht, dass der den Rest der Welt total vergisst.
Wie auch immer, der Mann ist ein Naturereignis!

Trotz dieser Überpräsenz soll natürlich noch kurz der Rest der Truppe Erwähnung finden. Neuzugang Dai Pritchard macht nicht nur durch seine hünenhafte Gestalt ordentlich Eindruck, er liefert an seiner Flying V ein ordentliches Slide – Brett ab und zeigt sich zudem äußerst spielfreudig.
Etwas zurückhaltender als sein rüpelhafter Vorgänger präsentiert sich Rückkehrer Geordie Leach, der allerdings neben Angry die meisten Sympathiepunkte im Publikum sammeln kann. Dem Mann steht die Freude, wieder in der Band zu sein, förmlich ins Gesicht geschrieben.
Mick Cocks und Drummer Paul DeMarco dagegen übten sich im Wettbewerb: „Rauche pro Gig mindestens 2 Schachteln Marlboro und sehe dabei so cool wie möglich aus.“
Nach 95 Minuten gingen beide als „Sieger der Lungen“ von der Bühne und an Fussball dachte das Publikum erst dann wieder, als klar war, dass keine weitere Zugabe mehr gespielt werden würde.

Thank You Gentlemen, for an exciting evening.

Setlist:

One Of The Boys
Man About Town
Black Eyed Bruiser
Tramp
Creeper
Rock´n´Roll Outlaw
Standover Man
Assault & Battery
The Butcher and Fast Eddie
Rock´n´Roll is King
Once In A Lifetime
Never Too Loud
Scarred For Life
Nothing To Lose
Nice Boys
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We Can´t Be Beaten / Bad Boy For Love (Medley)
Remedy
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Astra Wally