Squealer-Rocks.de Live-Review
(15.01.2008, Karlsruhe, Europahalle, Jack & Reaper)

Man sollte sich nie von Gerüchten seitens der eigentlich verlässlichen Konkurrenz verleiten lassen. Was nämlich dabei herauskommt, wenn man einer Krankmeldung und den damit verbundenen Konzertabsagen ohne weitere Bestätigungen als „wahr“ aufschnappt, durfte das Squealer-Rocks.de Team am 12. Januar in der Europahalle zu Karlsruhe bei der Austragung des hochkarätig bestückten Knock-Out Festivals am eigenen Leib erfahren.

Denn entgegen jener Eilmeldung, dass Epica-Frontfrau Simone Simmens derzeit bei allen anstehenden Gigs passen muss, stand sie – als sich die schreibende Squealer-Zunft nach Querelen an der Presse-Kasse kurz vor 17:30 Uhr endlich in die bereits ordentlich gefüllte Halle am Stadtrand begeben durfte – zusammen mit ihrem Symphonic Metal Clan auf der Bühne und animierte die Massen ein letztes Mal zum fröhlichen Headbangen. OK, das todesmetallische Antlitz der Niederländer mag dem ein oder anderen Hartgesottenen gefallen, der Rest fällt eher in die Kategorie „schon 1.000 Mal gehört“ und von daher auch nicht allzu viel verpasst. Auf zum Bierstand und nix wie rein mit dem Maß Hoepfner, dass man für sehr freundliche 6,50 € serviert bekam.
(Jack)

Nach diesem Ballet der Marke, die Schöne und das Biest, schicken sich die NRWler von Axxis an die Stimmung in die passenden Bahnen zu lenken. Die Mannen um das Bühnentier Bernhard Weiß überzeugten schon als Supportact von White Lion in der Festhalle zu Durlach mit ihrer bunten Mischung aus Hard Rock, Melodic, Power und Heavy Metal. Jedoch mag bei den ersten beiden Stücken keine so rechte Stimmung vor der Bühne aufkommen, denn was Axxis hier zum Beginn ihres Auftritts ins Publikum feuern, sind Songs ihres aktuellen Albums DOOM OF DESTINY, die durchaus über wunderbare Strophen und Bridges verfügen, denen es jedoch an den nötigen Ohrwurm- und Smasher-Refrains fehlt. Besser kommen da All-Time-Hits wie „Little War“, „Kingdom Of The Night” und „Living In A World” im Publikum an – Mitklatsch- und Mitsingeinlagen inklusive. Wer noch nie eine Show der Band gesehen hat, der sollte dies schleunigst ändern um Bernhard Weiß in Aktion zu erleben, denn mit wilden Airdrum-Akrobatiken und legendenträchtigen Ansagen der Marke „Einige Schwuchteln scheinen auch darunter zu sein – oder hast du keine Eier?“ (Später sollten auch noch Within Temptation die Höhenlagen des (männlichen) Publikums freudig zur Kenntnis nehmen) unterstreicht er problemlos seinen Ruf ein Showman zu sein – fehlt da nicht noch was? Ja, richtig. Kein Axxis Konzert ohne eine schöne Sängerin an seiner Seite; auf der aktuellen Tour ist es aber nicht die sonst engagierte Lakonia, sondern eine rumänische Schönheit mit dem Namen Ana von der Band Magica, die dem „Angel Of Death“ Stimme und Gesicht verleiht. Noch einen Engel aber vom neuen Album haben sie mit „Blood Angel“ im Gepäck, bevor die Lichter wieder angehen und der Umbau beginnt.
(Reaper)

Ein Banner mit einer, grüne Strahlen aus den Augen schießen lassenden, Mumie, Tribalmasken auf den beiden Basedrums – hört sich kurios an – dahinter verbergen sich aber „lediglich“ die nächsten deutschen Happy Metaller um den ehemaligen Helloween Sänger Kai Hansen. Vorhang auf und Spot an. Obwohl Gamma Ray sofort mit Klassikern los legen, springt der Funke nicht sofort über und einzig die ersten gut zehn Reihen vor der Bühne setzen sich gemächlich in Bewegung Hansen ihre Aufwartung zu machen. Ja, der von vielen als wahrer Helloween Sänger gehandelte, hat es heute Abend schwer das Publikum für sich zu gewinnen und als wüsste er dies, fallen die Ansagen etwas spärlich aus. Es liegt wohl aber nicht am Set, das mit „Somewhere Out In Space“, „Heavy Metal Universe”, „Send Me A Sign“ und „Heaven Can Wait“ vor Smashern und mitsingtauglichen Songs nur so strotzt und so letztlich doch für die richtige Partylaune im Publikum sorgt. Mit „Ride The Sky” befindet sich auch das obligatorische Helloween Cover unter den dargebotenen Stücken. Wie auch Axxis sind Gamma Ray mit einem neuen Album, das den viel sagenden Titel LAND OF THE FREE II trägt, unterwegs, das sie aber am heutigen Abend bis auf das Stück „From The Ashes“ außen vor lassen – zur Freude der einen, zum Leidwesen der anderen.
Die Stimmung ist gut, der Headliner – ähm Helloween können kommen.
(Reaper)

Aber vorher tauchen am Horizont die düsteren Gestalten aus England auf. Ging der Umbau bisher recht flott über die Bühne, so nehmen sich die englischen Düsterlinge von Paradise Lost alle Zeit der Welt, um Schlagzeug, Verstärker, Bühnenmonitore und was es sonst noch so einzustellen gibt – einzustellen. Wer jetzt vor der Bühne ausharrt, will entweder bei Helloween nachher in der ersten Reihe stehen oder ist brennender Verehrer der Herrschaften um Sänger Nick Holmes.
Von fröhlich rot-grün wechselt die Bühnenbeleuchtung auf kühl blau und violett und ebenso bodenlos ist das Loch in dem die Stimmung bereits nach den ersten Tönen versinkt – nicht dass der düstere, schleppende, gothic-lastige Metal von Paradise Lost schlecht wäre, aber nach so viel deutschem Happy Metal sind die Gegensätze doch zu eklatant, um sie einfach unter den Tisch fallen lassen zu können. Im Rhythmus der finsteren Töne von schmerzender Wehmut und Todesträumen schwingend und der ausdrucksarmen Performance folgend holt das Gros des Publikums Luft für die nachfolgenden Höhenflüge. Diese Tatsache geht auch nicht an Nick vorbei, weswegen dieser mit einem Blick in die ersten Reihen meint: „Ihr zwei hier seht aus, als würdet ihr auf Helloween warten, keine Sorge, wir machen es kurz. Welches ist euer Lieblings Album von Helloween? WALLS OF JERICHO?“
(Reaper)

Bezeichnet man den Auftritt der Gammastrahlen mal ganz frech als „Geburt“ und die nicht dazwischen passende Gothic-Fidelei von Paradise Lost als den „Tod“, dann ist es jetzt an der Zeit für die, von mittlerweile drei Maßkrügen beschleunigte, Wiedergeburt oder für den langersehnten und das Gros des Publikums ansprechenden Auftritt von Helloween. Besser kann man die Geschehnisse um Deutschlands wichtigsten Heavy Metal Act in den letzten drei Jahren nicht in einem Wort zusammenfassen. Und da Frontmann Andi Deris noch immer stark mit seiner Heimatstadt Karlsruhe verbunden ist, steht es außerhalb jeder Fragestellung, wo der Gute seine besten Leistungen abliefert. Eine Top-Stimmung vorprogrammiert. Daran ändert sich auch nichts, als die Band gewohnheitsgemäß mit einem viel zu langen Epos (dieses Mal die Bandhymne „Helloween“) ungeschickt in ein – vorweggenommen – auf Klassiker ausgelegtes Set einsteigt. Damit sich die Kritik des Schreibers dieser Zeilen jedoch stark in Grenzen hält, schieben die drei Hamburger und die beiden Badener auf der, im Stil des neuesten Albums, GAMBLING WITH THE DEVIL, gehaltenen, Bühne schnell den rasanten KEEPER-Smasher „March Of Time“ hinterher, ehe mit der ersten ruhigen Nummer des Abends, „As Long As I Fall“, die Helloween-Neuzeit für heute bereits ad acta gelegt wird (ein bisschen schade ist es schon, aber man kann ausnahmsweise damit leben). Zum Vergleich folgt im Anschluss „A Tale That Wasn’t Right“ – und spätestens jetzt dürfte jedem aufgefallen sein, dass die Kürbisköpfe und Poser-Könige um die Gitarristen Michael Weikath und Sascha Gerstner nicht nur die bekanntesten Hits, sondern auch zahlreiche ergreifende Balladen im heutigen Set integrieren. Nur, in Karlsruhe stört das keinen!
Doch erst einmal ist es an der Zeit, sich den Titel der „Spaßcombo“ für weitere Jahre zu sichern. Man klebt sich dazu Bärte an, stellt sich in eine Tür und singt auf Helium „Smoke On The Water“, bis Mr. Weikath die Faxen dicke hat und mit einer MG die Bühne betritt… infantil, aber zur späten Stunde irgendwie auch sehr ulkig!
Nachdem sich der aus Konstanz stammende Drummer Dani Loeble hinter seinen Kesseln austoben durfte und der Rest der Truppe wieder etwas Luft schnappen konnte, geht’s unaufhaltsam mit „Eagle Fly Free“ und Deris’ Lieblings-ich-drücke-meine-Freundin-fester-Nummer „If I Could Fly“ in die zweite Runde. Heute, an diesem recht kalten 12. Januar des Jahres 2008, wissen die Ikonen, wie man sich weiter steigert: „Dr. Stein“, „Perfect Gentleman“ und ein kurzes Medley aus „Power“ und „Keeper Of The Seven Keys“ und dann ist Schluss.
Moment… stand da nicht noch irgendwas von einem Helloween/Gamma Ray Jam auf der Running Order. Korrekt! Bewaffnet mit sechs Saiteninstrumenten (!!!) entern beide Bands ein letztes Mal die Bühne der Europahalle, so dass sich nach den gemeinsam performten Klassikern „Future World“ und „I Want Out“ nur noch ein Fazit anbietet: Weltklasse!
(Jack)

Anders als auf der Axxis/Gamma Ray/Helloween-Tour ist beim Knock Out Festival noch nicht Schluss mit lustig – auch wenn sich ein Großteil der Helloween-Shirtträger bereits auf den Nachhauseweg begibt. Der „eigentliche“ Headliner türmt sich mit vielen Lichteffekten und einer großen Videoleinwand im Hintergrund auf: Within Temptation. Man kann ja gemeinhin von dem ganzen female-fronted Symphonic Metal halten, was man will… zieht man die generellen Abneigungen gegen das zig-fache Klonen ab, muss man konstatieren, dass unsere Nachbarn um Sängerin Sharon Janny den Adel sehr angenehme, poppige Metal-Nummern schreiben können, der Qualität man neidlos anerkennen muss.
Den Schwerpunkt des Sets bildet selbstverständlich das, von Cheffe Eric in höchsten Tönen (wie passend!) gelobte, letzte Werk THE HEART OF EVERYTHING, das sage und schreibe sechs Songs beisteuert. Darunter befindet sich neben den sehr klassisch ausstaffierten Stücken wie „Our Solemn Hour“ oder „The Truth Beneath The Rose“ und dem ruhigen, dich abtauchen lassenden „The Cross“ auch das sehr kurzweilige „What Have You Done“, dessen männlicher Gesangspart allerdings vom Band stammt. Besser kann man nach so viel Happy metallischem Tatendrang nicht entspannen.
Noch schnell die Hit-Single „Mother Earth“ in den etwas luftiger werdenden Raum geworfen und dann heißt es gegen ein Uhr auch für die Schreiber der Squealer-Rocks.de Redaktion: Feierabend

Kurzum: Ein im Großen und Ganzen sehr guter Konzertabend mit klangvollen Namen. Bitte mehr davon!