Squealer-Rocks.de Live-Review
Saga und The Urge (17.11.2007, Münster, Stadthalle Hiltrup, maddin)

Wie schon auf der „Trust“ Tour im vergangenen Jahr, musste der im Kohlenpott ansässige Fan wieder bis in ländliche Münster fahren. Keine Ahnung, warum Saga meistens (Ausnahme: die „Marathon“ Tournee) unseren Ballungsraum meiden; so schlimm sind wir doch gar nicht. Doch was tut man nicht alles, um einer der besten Bands aller Zeiten bei der hochwertigen Arbeit zuzuschauen. Zudem verfügt Münster über wirklich tolle Locations. Konnte das „Jovel“ bei letzten Mal schon eine Menge Pluspunkte sammeln, so ist die Stadthalle Hiltrup schlicht der ideale Konzertsaal. Schön breite Halle ohne Engpässe, Bühne in angenehmer Höhe und eine sehr gute Akustik. Dazu Getränkepreise, die es fast zum Ärgernis werden ließen, mit dem KFZ angereist zu sein.
Hier dürfte ruhig öfter mal ein amtliches Konzert stattfinden.


Bereits beim Betreten der Vorhalle und beim Blick zum Merchandise Stand ließ sich der besondere Charakter dieser Tour erkennen: T- Shirts mit dem Konterfei von Michael Sadler und dem Schriftzug „Last Tour with Michael“ wurden feilgeboten und waren selbstredend der Renner. Übrigens waren die Shirt Preise mit 20 Euro, bzw. 40 Euro für einen Kapuzenpulli überaus moderat.
Zunächst mal betraten um kurz nach 20 Uhr aber erstmal The Urge die geräumige Bühne. Wie den meisten der ca. 700 Zuschauer waren mir die Engländer (?) völlig unbekannt, sorgten aber ob ihrer stilistischen Ausrichtung für die erste Überraschung des Abends. Bei einem Headliner mit progressivem Anstrich erwartet man nämlich nicht unbedingt eine Rock’n’Roll Combo als Anheizer. Die vier Jungens spielen eine recht erfrischende Mischung aus Thunder, Quireboys und Bruce Springsteen. Und siehe da, das Publikum hatte offensichtlich Spaß an dem bluesigen Hardrock der Band. Es gab deutlich mehr als Höflichkeitsapplaus, was nicht unbedingt zu erwarten war. Nicht ohne Grund kokettierte der Sänger mit dem allmächtigen Namen Saga und performte bei einem Mitsingspielchen in Form von „Banana Boat“: „Two more Songs and you will see Michael Sadler!“.

Überhaupt war der Frontman mit Gitarre eine echte Rampensau. Ständig in Bewegung und mit einer netten, humorvollen Ausstrahlung gesegnet. So warb er für das neue Album mit dem Satz: „Please buy it and give it to someone You don’t like!“. Von dem Scheibchen ließen sich jedoch mit Sicherheit mehr absetzen, wenn seine beiden Sidekicks an Bass und Lead Guitar nicht solche Schlaftabletten mit einem Bewegungsradius einer Telefonzelle wären. Mann, Leute – im Vorprogramm und mit einer solchen Mucke hat man sich den Arsch abzuspielen! Schade, da wäre mehr drin gewesen. Die Truppe hat nämlich einige echt geile Songs im Gepäck. So hatte ziemlich jeder im Saal die Band nach 10 Minuten wieder vergessen.

Um kurz nach 9 wurden dann erste vereinzelte Rufe nach den Herren aus Nordamerika laut, um viertel nach Neun bildeten sich ganze Sprechchöre mit Nordkurven – Flair und 5 Minuten später war es dann endlich soweit: die erste Adresse in Sachen Rock mit höchst anspruchsvoller Note schlurfte auf die Bretter und Michael Sadler sang die letzten Töne des Intros live. Überraschender Einstieg war „Interview“ und die Menge war da! Beim nachfolgenden „That’s As Far As I’ll Go“ war sie wieder weg, bei „You’re Not Alone“ war sie wieder da. Und da haben wir das große Manko, das sicherlich nicht der Band zuzuschreiben ist: die neueren Songs der Saga Geschichte finden einfach keinerlei Anerkennung bei einem Großteil des Publikums. Völlig unverständlich! Klar, jeder will die alten Sachen hören, die ihn schon seit Dekaden durchs Leben begleiten, doch die Band besteht seit 30 Jahren und hat auch nach 1984 geile Scheiben veröffentlicht. Den Musikern ist dieser Umstand durchaus bewusst und so entschuldigte sich Michael Sadler bei den Fans, als er 2 Stücke vom neuen Album ankündigte. Allerdings sei fairerweise noch gesagt, dass die neuen Sachen am Ende durchaus bejubelt wurden – viele Fans scheinen die Scheiben der Neuzeit also gar nicht zu kennen.

Natürlich ist die Songauswahl bei einer Band mit einem derartigen Backkatalog immer eine heikle Geschichte. Die ganz großen Klassiker kann man nicht weglassen, die neue CD will beworben werden und das eine oder andere Schmankerl in Form einer Überraschung sollte auch noch drin sein. Die war diesmal „Mind Over Matter“ in einer richtig schönen heavy Version. Auch „We’ve Been Here Before“ oder „What’s It Gonna Be“ hatte wohl kaum jemand auf der Rechnung. Wenig gut fand ich persönlich, dass „House Of Cards“, welches einige der besten Saga Songs überhaupt enthält, komplett ignoriert wurde. Noch weniger gut fand ich dann noch, dass wieder mal die typischen „Event Fans“ den Weg nach Münster gefunden hatten. Bereits ab Track Nr. 2 (!) skandierte ein volltrunkener Kegelclub „Humble Stance“, da diese Experten wohl keine andere Saga Nummer kennen. Aber das nur am Rande. Schlimm nur, dass die ausgerechnet meinen Nacken vollrotzten. Als „Humble Stance“ dann intoniert wurde, lag die Kolonne bereits im Koma – auch das nur am Ekel erregenden Rande.

So, hätten wir also über Fans, Halle und Setlist gesprochen. Fehlt noch was?
Jau – die wirklich wichtigen Dinge. Wie der Sound beispielsweise. Mit der erwähnten guten Akustik der Halle hatte der Mann am Mischpult wirklich leichtes Spiel und alles tönte laut, druckvoll und glasklar aus der recht massiven PA. Auch on stage war alles in Ordnung. Die technischen Umstände waren offensichtlich dermaßen perfekt, dass selbst Ian Crichton nix zu meckern hatte und sogar mindestens dreimal beim Grinsen erwischt wurde. Überhaupt wirkte das Gitarren – Genie überaus motiviert und legte eine fast schon aggressive Performance an den Tag. Sein mega – cooler Bruder Jim am Bass war noch cooler als sonst, Ober – Sympathikus Jim Gilmour war hinter seiner Keyboard Burg wieder mal so richtig zum knuddeln und irgendwie war die ganze Truppe richtig – RICHTIG! – gut drauf. Besondere Erwähnung muss in jedem Fall Aushilfsdrummer Chris Sutherland gewährt werden. Sein Solo war überaus interessant und mir persönlich gefällt sein ausgefallenes Spiel besser als das von Brian Doerner, der doch mehr in Richtung Metal geht.

So – dann hätten wir’s. Oder war noch was? Ach, ja- da war noch was. Da war noch wer.
Ach, jaaaaa – Michael Sadler. Habe ich irgendwie verdrängt, denn wenn man über seine Performance spricht, muss man über seinen Abschied sprechen. Tut man nicht gerne.
Dabei: es war überhaupt nicht pathetisch, nicht übertrieben kitschig oder aufgesetzt. Im Grunde mache ich hier mehr Drama aus der Geschichte, als es auf der Bühne der Fall war (ich hoffe, Ihr verzeiht einem Fan seinen Schmerz).
Als der Rest der Band die Bühne verließ und Michael sich auf einen Hocker setzte, hatte ich, eine flammende Abschiedsrede im Sinn, bereits eine 10er Packung Papiertaschentücher griffbereit. Doch der Gute meinte nur, ganz typisch für seine bodenständige Natur: „I just have to say two words: Thank You!“. Dann gab’s „The Security Of Illusion“ in einer a capella Version, incl. Mitsingen und einem Paradebeispiel für Kommunikation mit den Fans. Ergreifend und dabei sehr humorvoll. Es würde auch nicht zu einer Band wie Saga, respektive einer Person wie Michael Sadler passen, jetzt die große Wehmut Karte zu spielen (wie ich es hier gerade tue).
Sadlers Leistung auf der Bühne war eigentlich wie immer und gerade das ist es, was die Frage aufwirft: Saga ohne ihren Frontman, geht das? Geht gar nicht!!
Denn ein „wie immer“ bedeutet bei Mr.Sadler ein Stageacting, das weltweit seinesgleichen sucht, eine Stimme die IMMER auf der Höhe und ein Charisma, das saalergreifend bis in die letzte Reihe ist.

Sicherlich werden wir noch des Öfteren von den Musikern hören, zur Ruhe setzen wird sich keiner. Aber Saga sind am Ende dieser Tour definitiv tot!
Jammerschade, aber andererseits ein Abgang mit Würde. Man behält die Band in bester Erinnerung. Als eine Rock - Institution, die 30 Jahre lang für bahnbrechende Musik und fantastische Konzerte bekannt war.
Und so treten sie ab – mit einem fantastischen Konzert.
Doch bevor die Heulerei jetzt richtig losgeht, verweise ich noch auf die restlichen Deutschland Dates der Band.
Noch bis zum 5. 12. habt Ihr sie, die letzte Gelegenheit ein Stück Musikgeschichte live auf der Bühne zu sehen. Geht hin – ansonsten beißt Ihr Euch spätestens beim Anschauen der DVD, die sicherlich erscheinen wird, in den progressiven Arsch!

Setlist:
Intro
Interview
That's As Far As I'll Go
Youre Not Alone
What's It Gonna Be
I`m okay
Cant you see me now
Book of lies
The Perfectionist
Drum Solo
The Flyer
Mind Over Matter
The Security of Illusion
Time’s up
Scratching the Surface
We've Been Here Before
On the Air
On the loose
Careful Where You Step
10.000 Days
Wind him up
Humble stance
Dont be late