5 Kleine Jägermeister und Everfest (28.08.2006, Offenbach, Am Schneckenberg, Jack)
Weit über 1.000 Kilometer zählt der Tacho der August-Metal-Karre des Redakteuren und doch hat er sein Pensum für diesen Monat noch nicht erreicht. Der finale Akt steht an: Das Holiday Break Festival am 26. August 2006 auf dem Freigelände des Kulturzentrums Am Schneckenberg in Offenbach mit sieben Bands.
Von den vielen Konzerten, Festivals und Reisestrapazen geschafft, geht es mit den Lokalmatadoren von Nietnagel pünktlich mit 15 Minuten Verspätung um 15:15 Uhr vor zwei guten Händen voll Besuchern los. Vollkommen zurecht bezeichnen sich die drei Offenbacher Schreckgestalten als "schlechte Band" und setzen das angekündigte rigoros um. Armeehose, mit "Blutfetzen" verschönerte Unterhemden, geschminkte Fratzen und ein musikalisches Können, bei dem selbst El Duce von den legendären Mentors der Status eines Virtuosen gehören könnte. Das einzige melodische Riff, das der Gitarrist kennt, ist das von "One", welches er auch bis zur Vergasung wiederholt. Wer über Flachwitze, eine "schaurige" Kostümierung und eine Art "die Onkelz versuchen sich am Black Metal" unterhalb der drei Promille Grenze lachen kann - Bitte. Musik, die kein Mensch braucht.
Da sind Odium schon um einiges besser. Mit einem Sänger, der wie Nick Holmes von Paradise Lost ausschaut und einer restlichen Belegschaft, die das Stage-Acting auch nicht erfunden hat, versucht die Band das überschaubare Publikum von sich zu überzeugen. Nun ja, die Mixtur aus Slayer, Exodus und Kreator ist zwar immer wieder ganz nett anzuhören, kennt man mittlerweile aber zu genüge. Zudem ist es schon bezeichnend, wenn Sänger Reinhard Runkel nach der Ankündigung eines neuen Songs mit fragendem Gesicht auf Gitarrist/Songwriter Rochus Pfaff, dem auf dem Weg nach Offenbach irgendwie die Motivation abhanden gekommen ist, starrt. Sicher nicht schlecht, die Jungs, aber doch zu beliebig. Übrigens: Für Songs wie "Bier Ist Geil" gibt's schon Tankard!
Dass Corlee Mad aus Berlin kommen, ist eigentlich schon der spektakulärste Fakt an den Jungs und Mädels. Klingt ein bisschen heftig, ist aber leider so. Moderne poppig veranlagte Rockklänge mit Frauenstimme - das kennt man, hasst oder liebt man. Und wenn man zur ersten Gattung gehört, sucht man schleunigst den kürzesten Weg zum Bierstand oder der Fressbude auf dem jahrmarkt-mäßig gestalteten Gelände auf. Der Rest verweilt einige Zeit mit den Hauptstädtern, hört "I Am What I Am" gleich doppelt, bekommt einen Jeannette Biedermann-artigen Gesang, sexy Hüftschwünge, sowie allseits bekannte Riffs. Nächster bitte!
Innovativ ist der Alternative-Sound des Schweizer Trios Disgroove aus Basel auch nur bedingt. Entscheidend ist jedoch nicht, was man spielt, sondern was man daraus macht und daraus machen Disgroove viel. Erst einmal kommen live alle Songs der Jungs, die schon mit Die Happy auf Tour waren, eine Ecke härter rüber und zweitens zeigen sie sich extrem willig - trotz des geringen Zuschaueraufkommens. Das unterscheidet sie von den drei Vorläufern und so gewinnen die Eidgenossen mit ihrem sympathischen Auftreten und ihren Hits wie "Come Down" oder "Down On Myself" im Nu die Gunst des Publikums, das aufgrund des Regens sogar den Schirm des Bierstands vor die Bühne stellt. Erstmals herrschen an diesem Samstagnachmittag Beifallsstürme und Zugaberufe, die auch prompt umgesetzt werden. Toll. Vor allem, da man es kaum glauben kann, dass alle drei schon bei der Thrash Combo Gurd gespielt haben. Hopp Schwiiz...
Aus dem Großraum Frankfurt treten auch Klang Der Familie beim Holiday Break Festival auf und hinterlassen trotz des etwas größer werdenden Pulks vor der Bühne einen äußerst zwiespältigen Eindruck. Der Klon aus den Böhsen Onkelz und Rammstein wirbelt zwar mächtig und kräftig Staub auf, hinterlässt an der Eigenständigkeit jedoch relativ große Lücken. Das Rammstein-Cover zu "Du Riechst So Gut" als Abschluss hatte sich daher schon lange angebannt. Muss nicht sein...
21:00 Uhr ist Headliner-Zeit, ist Everfest-Zeit, ist Metal-Zeit... ist eine verdammt geile Zeit. Mit ihrem Debüt RISING haben die Hessen so mir nichts dir nichts eine Platte auf die Massen losgelassen, die es a.) in sich hat und b.) den Jungs hoffentlich eine goldene Zukunft bescheren wird. So legen Stimmwunder Andy Sommer und Co. natürlich einen großen Wert auf ihre exzellenten Kompositionen des Debüts und beginnen, wie man beginnen muss, um die Leute von sich zu überzeugen: "Here We Are", "See Me Rising" und "Prophets Of Hate". Nach diesem kräftigen Metal-Aufwärmprogramm dürften die Fronten geglättet sein und selbst die Fraktionen an den Bierständen müssten begriffen haben, dass die fünf nicht nur absolute Könner sind, sondern auch wunderbare Songs schreiben können. Da verfällt so manch einer in eine einstündige Bang-Ekstase, aus der ihn nicht einmal eine Ansage von Andy herausholen kann. In solch einer muss sich auch der Soundmensch befunden haben. Ansonsten lässt es sich nicht erklären, wie der gute Mann auf eine doppelte und dreifache Ankündigung dem Sologitarristen Rene Ritzmann nicht endlich mal einen Monitorsound verpassen konnte. Aber auch ohne Monitor wissen die Jungs, was sie zu spielen haben und so erstrahlt vor der Bühne ein Brett von einem Sound, das Nummern wie "Who Knows", "Something To Believe", "Breathe" oder das von den Priest'schen Zeilen eingeläutete "Fire" regelrecht vergoldet. Bei meinem persönlichen Lieblingssong "Change" verpatzt unser Stimmwunder zwar den ersten Refrain, entschädigt das Ganze aber mit zwei brandaktuellen Songs, die zum einen ein gutes Stückchen länger sind als die RISING-Tracks und zum anderen progressiver und nicht ganz so eingängig daherkommen. Was da noch alles kommen wird, darauf freue ich mich jetzt schon, wie ein Kleinkind an Weihnachten. Bevor Schluss ist (aus irgendwelchen Gründen wurde es den Jungs verboten die eingeforderten Zugaben zu spielen), wird mit "The Fall" noch ein letztes Mal richtig derbe aufs Gaspedal gedrückt, dass es nur so eine Art ist. Everfest, "einfach nur ein schönes und berauschendes Fest". Danke Andy, Holger, Rene, Thorsten und Florian!
Da wurde beim Plakatdrucken doch irgendetwas verpennt. Ach ja, stimmt, 5 Kleine Jägermeister, das ist ja eine Toten Hosen Coverband, "die beste", wie die Band, um ihren Frontmann Andi betont. Wer weiß, vielleicht hätten sich so mehr Fans in Offenbach eingefunden. Der Band ist es ehrlich gesagt schnuppe, ob sie vor drei oder 1.000 Leuten spielt und daher wird von der ersten bis zur letzten Sekunde Gas gegeben und ein Hosen-Klassiker nach dem anderen aus dem Ärmel geschüttelt. Auf eigene Songs verzichtet der, mit einem Ersatzschlagwerker angetretene, Fünfer und beschränkt sich aufs allseits bekannte Programm aus alt und neu: "Alles Aus Liebe", "Liebesspieler", "Friss Oder Stirb", "Auswärtsspiel" und "Pushed Again". Da darf es zur Erfrischung auch gerne mal ein Schlückchen Jägermeister für die ersten Reihen sein, die Andi (schon wieder so einer am Gesang, das hatten wir doch vor wenigen Minuten schon einmal) tatkräftig unterstützt haben. Es klingt ja meistens ein bisschen übertrieben, aber bei den Jägermeistern übertreibt man wohl nicht, wenn man sagt, dass sie fast schon besser als das Original sind. Sollten die Schleswig-Holsteiner mal in euerer Nähe spielen - und das dürfte bei etwa 100 Konzerten pro Jahr schon einmal der Fall sein - unbedingt anschauen, abtanzen und abfeiern!
Fazit: Das war es nun, das erste Holiday Break Festival in Offenbach. An und für sich eine ganz nett aufgemachte Veranstaltung mit drei hervorragenden Bands (Disgroove, Everfest, 5 Kleine Jägermeister). Warum man für das Ganze dann letzten Endes 18 Euro löhnen musste, bleibt ein Geheimnis der Veranstalter. Von meinem Standpunkt aus kann ich nur so viel sagen, dass man entweder den Preis drastisch senken (allerhöchstens 10 €) oder für den Preis die ein oder andere überflüssige Combo (und davon gab es ja auch einige) weglassen und einen größeren Act holen müsste - für das Geld wären sicherlich auch die Toten Hosen persönlich gekommen. Dies bitte ich die Veranstalter fürs nächste Jahr zu überdenken! Dann kommen auch wesentlich mehr Besucher!
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