Squealer-Rocks.de Live-Review
Moonsorrow und Swallow The Sun (03.04.2007, Ludwigsburg, Rockfabrik, Jack)

Nein, mit Moonsorrow ist schlecht scherzen. Selbst an einem Tag wie dem 1. April, an dem alle Zeitungen krampfhaft und verzweifelt abstruse Schlagzeilen in die Welt setzen, „beschränken“ sich die fünf Finnen um die kongenialen Sorvali-Cousins, die bei Tourneen allerdings getrennte Wege gehen, da sich Gitarrist/Keyboarder Henri Zuhause um seine Familie sorgen will, auf ihre unabdingbaren Tugenden, die da wären: Power, Leidenschaft, Brutalität, kompositorischer Wahnsinn und nicht zuletzt Qualität. Mit dem Charteinstieg des wohl durchdachtesten Musikwerks (VIIDES LUKU: HÄVITETTY) seit denen von Bach katapultieren diese sie auf den wohlverdienten Thron, was eine europaweite Headliner-Tour mit sich bringt. An einem sonnigen Frühlingstag macht diese in der Rockfabrik zu Ludwigsburg Halt.

Die Ausgangslage und das weitere Billing versprechen einiges und so verwundert es lediglich die Nihilisten unter den Fans, dass bereits zum Door-Opening gegen 19:00 Uhr der, über das Kaufland-Parkdeck erreichbare, Club 2 der RoFa aus allen Nähten platzt und Temperaturen erreicht werden, die man allerhöchstens in den Wüsten Afrikas für möglich hält.

Was Qualität und live-technische Quantität betreffen, halten die auf den Färöer-Inseln beheimateten Heavy Metaller Týr, die einzig für dieses Konzert auf den „Stream of Shadows“ aufgesprungen sind, ohne Weiteres mit dem heutigen Headliner, den der sympathische Sänger/Gitarrist Heri Joensen als eine seiner Hauptinspirationseinflüsse auflistet, mit. Durch permanentes Touren (u.a. mit Die Apokalyptischen Reiter und Amon Amarth) und dem faszinierenden Mix aus einfachem, klassischem Heavy Metal und komplexen, folkloren Songstrukturen, die gerne mal den Pfad des typischen Headbanger-Taktes verlassen, ist die vierköpfige Band an einem Punkt angelangt, von dem aus es nicht mehr allzu weit bis zum endgültigen Durchbruch ist. War die Performance vor einem guten halben Jahr noch etwas nordisch unterkühlt und hüftsteif, so überwindet man heuer mit einer spielerischen Leichtigkeit die Distanz von mehreren Hundert Seemeilen. Und auch ohne die obligatorischen Kettenhemden, sondern mit nackten, durchtrainierten Oberkörpern gewinnen die „Exoten“ Fan um Fan. Angefangen beim superben, von vielen Taktwechseln, sowie eingängigen Passagen begleiteten Opener des Albums ERIC THE RED („The Edge“) über das ebenfalls erhabene „Regin Smiður“, die folklore Heavy Metal Demonstration „Wings Of Time“ und den „Bandklassiker“ „Hail To The Hammer“ bis hin zum finalen und wie immer frenetisch umjubelten „Ramund Hin Unge“ zeigen die Mannen wo im wahrsten Sinne des Wortes der Hammer hängt (nämlich nicht nur als Kette um Heris Hals). Das kommt an, macht Laune und stimmt einen etwas traurig, dass nach fünf Nummern bereits Schluss ist. Daran können auch die lautstarken Zugaberufe nichts ändern. Spätestens zum nächsten Album muss sie her, die Headliner-Tour!

Setliste (Týr):
1. Intro
2. The Edge
3. Regin Smiður
4. Wings Of Time
5. Hail To The Hammer
6. Ramund Hin Unge

Warum einige „Kiddies“ allerdings regungslos und ganz unverfroren die erste Reihe beschlagnahmen (ist die Musik zu hoch für euch?), wird mir wohl immer ein Rätsel bleiben. Vielleicht haben sie auch auf das Stuttgarter Death Metal Ensemble Debauchery, das mit dem eigenen Wohnmobil die Finnen auf Schritt und Tritt verfolgt, gewartet. Einen allzu hohen IQ (nein, nicht die Band) braucht man hierfür nicht. Je weniger, desto besser. Blutverschmiert feuert der seit 2003 albenveröffentlichende Fünfer um die Gitarristen Yoshi und Simon beim Heimspiel, für das er einige Fans anlocken konnte, seinen old-school lastigen Death Metal, der irgendwo zwischen alten Unleashed, Immolation und Six Feet Under angesiedelt ist, ins Publikum. Während die Die-Hard-Fans ihrem Frontmann Thomas selbst die übelsten Patzer verzeihen, sucht so manch ein Nicht-Eingeweihter die Flucht nach draußen, um a.) der Hitze und b.) dem etwas zu prollenden Lärm zu entkommen.

Welch ein Glück, dass es Swallow The Sun gibt. Was die sechs Finnen, die in diesem Jahr ihr drittes, HOPE betiteltes, Studioalbum auf den Markt gebracht haben, hier abliefern, hat mehr als nur einen Nebensatz im Abendgebet verdient. „Wer grinst, fliegt hochkantig aus der Band!“ Und so gibt es progressiv ummantelten Dark Metal mit tiefen Grunzlauten, denen im Falle von Swallow The Sun die Stellung eines weiteren Instruments zuteil wird, was einen überfallartig zum Koma-Bangen (geschlossene Augen inklusive) antreibt. Flapsig sei angemerkt: Rein visuell kann man bei der bewegungslosen und lethargischen Auftreten nichts verpassen (egal ob das jetzt die auf der rechten Seite positionierten Markus Jämsen (g) und Matti Honkonen (b) oder Sänger Mikko Kotamäki, der seine Glatze mit einem Baseball-Cape versteckt, sind). Was hier zählt, ist das homogene Gemisch, in dem alle Elemente fließend ineinander übergehen und das sich in einem anderen Sprachgebrauch auch „Kunst“ schimpft. Wer Cult Of Luna, Callisto oder My Dying Bride kennt und liebt, weiß wovon ich spreche. Jedes Lied, jeder einzelne Ton überträgt sich auf den ganzen Körper und lässt dich buchstäblich erstarren. Tolle Musiker, tolle Band, toller Auftritt... ganz großes Gefühlskino. Wir sehen uns auf dem Summer Breeze!

22:30 Uhr. Die Musik vom Band verstummt. Ruhe kehrt ein. Das geschlauchte Publikum bündelt noch einmal alle Kräfte. Man selbst drängelt sich gewillt bis in die ersten Reihen vor. Für was soll man auch sonst einen Konzertbericht verfassen? „Tyven“, das Intro von VIOMASTA JA KUNNIASTA, ertönt. Live-Keyboarder Markus Eurén, die Gitarristen Mitja Harvilahti und Janne Perttilä, Drummer Marko Tarvonen und last but not least Sänger/Bassist Ville Sorvali betreten ganz gemächlich und aus dem Publikum kommend nacheinander die kleine und enge Bühne. Und von nun an ist jeder auf sich alleine gestellt!
Mit „Sankarihauta“ und dem auf der EP TÄMA IKUINEN TALVI erschienen „Taistelu Pohjolasta“, welches der unschuldig und brav aussehende, aber gesanglich zur Bestie werdende Ville als „fucking old stuff“ abstempelt, knallt einem die Horde zwei giftige und hyperschnelle Black Metal Schinken vor den Latz, die jeder noch so intakten Nackenmuskulatur gleich zu Beginn den Rest geben. Dass sich dem wilde Posen auf und vor der Bühne anschließen, muss an dieser Stelle nicht weiter erläutert werden. Bei einer Band, die schlanke 80 Minuten (abzüglich Intro und Outro) mit gerade mal sieben (!) Tracks füllt, ohne dabei minutenlange Reden zu schwingen (welcher Finne macht denn sowas?), ist jedes Verhalten selbsterklärend. Vielseitige Zehnminüter, bei denen des öfteren zwischen giftspeiendem Grunzen und mehrstimmigen Chören gewechselt wird und die jede Körperzelle vollends befriedigen, gibt’s NUR bei Moonsorrow. Der Wunsch nach einem größeren Aufkommen der progressiven Einfärbungen, welche live etwas vernachlässigt werden, hält nur bis zur nächsten Gitarren- und Schlagzeugbreitseite bestand und verliert sich schließlich in wunderschöner, harmonischer Folklore (was letztendlich dann ja auch Prog ist), die sich in einem Set, für das jede Platte mindestens einen Song beisteuerte, erst gegen Ende mit „Unohduksen Lapsi“ und „Pakanajuhla“ deutlicher in Szene setzen und manche Zuschauer gar zu der einen oder anderen Hüpfeinlage, die man sonst nur bei Korpiklaani und Konsorten erwartet, animieren kann. That’s it!
„Take a bath!“ befiehlt Ville und verlässt prompt die Bühne. Wie eingangs gesagt: Für billige Späße sind Moonsorrow – Odin sei Dank – nicht zu haben; und dazu zählen nun mal auch Sperenzchen wie Zugaben.
Steht eigentlich nur noch die Frage aller Fragen offen: Wie klingt es denn live, das Monumentalwerk VIIDES LUKU: HÄVITETTY? – Ja, sie kürzen es um ein paar Minuten. Ja, der Facettenreichtum kommt im schwarzmetallischen Meer nicht ganz zur Entfaltung. Und ja, das performte „Tuleen Ajettu Maa“ ist auf CD ein Stück weit fesselnder und somit auch besser als on-stage. ABER so viel liegt zwischen „überirdisch“ und „übernatürlich“ nun auch wieder nicht. Und so schließt sich der Kreis mit der Erkenntnis, dass sich die alten Götter doch noch auf Erden befinden...

Setliste (Moonsorrow):
1. Intro: Tyven
2. Sankarihauta
3. Taistelu Pohjolasta
4. Tuleen Ajettu Maa
5. Pimeä
6. Aurinko Ja Kuu
7. Unohduksen Lapsi
8. Pakanajuhla
9. Outro: Matkan Lopussa

Das letzte Wort gebührt allerdings dem „Sensenmann“:
Was will man mehr, als an einem Abend seine beiden Lieblingsbands zu sehen?
Eine Antwort hierauf erübrigt sich mit Blick auf diesen wahnsinnigen Abend, der alles zu bieten hatte, was man sich als Headbanger nur wünschen kann (mein Nacken bestätigt mir dies). Drei Spitzenbands so verschieden wie Sonne und Mond und mit Blick auf letzteren kann ich mich nur den Worten Ville Sorvalis anschließen:
„Hail to the Hammer!“ – Danke Týr, Swallow The Sun und Moonsorrow!