Squealer-Rocks.de Live-Review
Rock Hard Festival (09.06.2006, Gelsenkirchen, Kanalbühne, Maddin)

Das Rock Hard Festival war 2003 ursprünglich als einmaliger Event zum 20- jährigen Jubiläum von Deutschlands größtem Metal Magazin gedacht. Das wir heuer schon die vierte Auflage des Spektakels erlebt haben, liegt schlicht und ergreifend an der Tatsache, dass die Organisatoren alles richtig gemacht haben.

Was schon mal mit der Wahl der Location beginnt: die Kanalbühne in Gelsenkirchen ist zweifellos der beste Ort, den man sich für eine zünftige Metal Fete vorstellen kann. Die aufsteigenden Ränge garantieren beste Sicht, bzw. Akustik auch in der letzten Reihe und die Bühne befindet sich buchstäblich im Wasser, was zudem ergreifende Momente garantiert.
Bei der Auswahl der Bands achten die RH Leute grundsätzlich darauf, dass man stets eine ausgewogene Mischung präsentiert. Ebenfalls peinlich genau achten die Macher auf die Auswahl der tätigen Security Firmen. Ein Umstand, der gar nicht hoch genug bewertet werden kann! Hohlköpfige Schränke, die kaum ihre Muttersprache beherrschen, dafür aber mächtig böse glotzen können und gerne mal kräftig zulangen, suchte man in Gelsenkirchen gottlob vergebens. Statt dessen ausnahmslos gut geschulte und stets freundliche Ordner. Wo sonst berichten Crowdsurfer, dass sie von den Jungs im Fotograben nicht nur rücksichtsvoll behandelt, sondern auch noch mit freundschaftlichen Gesten und Sprüchen aufgemuntert wurden?

Auch die Preise für Verpflegung fester und flüssiger Art hielten sich wieder in erträglichen Grenzen, das Verkaufspersonal bestach ebenfalls durch gute Laune, es gab reichlich Nebenangebote zum eigentlichen Konzert, so dass die ganze Geschichte den Flair einer lockeren Party hatte.
Zu allem Überfluss hätte das Wetter in diesem Jahr nicht besser sein können – warm, aber nicht zu heiss – und zu guter Letzt haben wir Kohlenpöttler endlich auch mal ein Festival vor der Haustür.

Von dieser Stelle also mal ein riesiges DANKE an alle, die uns die Pfingsttage auf die erdenklich geilste Art versüßt haben.
Kommen wir nun zur Musik, wobei dieser Bericht nur sporadisch die Menge an auftretenden Bands beleuchtet, also lediglich einige Eindrücke vermitteln kann.


Am Freitag konnten sich alle, die kein Ticket fürs komplette Festival hatten, für saubere 10 Euro vier Bands auf der Bühne im Biergarten reinziehen.
Den Start machten die Newcomer Engel, bei deren Gig sich viele Fans allerdings noch in der langen Schlange am Eingang befanden. Zu hören waren sie dennoch, und nach 20 Minuten konnte man die Skandinavier auch optisch begutachten. Eine sehr spielfreudige Truppe, die mit ihrem an In Flames angelehnten Sound wohl einige neue Freunde gewonnen haben dürfte.

Die nach Sodom wohl kürzeste Anreise dürften die Power / Melodic Metal Veteranen Custard aus Herne gehabt haben. So ist der Band schon ein Lokalmatador - Status zu attestieren, konnte sie doch gleich eine ganze Busladung an Fans vorweisen.
Der Auftritt hatte gar eine historische Dimension, da er der letzte für den Gitarristen Karsten Knüppel war, der von Bord geht.
Als besonderer Gag stürmte der neue Mann an der Sechsaitigen gleich mit auf die Bretter und es gab 3 Klampfen zu hören.
Die Mannen um den hyperaktiven Sänger Guido konnten mit ihrem hoch melodiösen Stahl nicht nur die mitgereisten Eingefleischten, sondern einen stattlichen Anteil des übrigen Publikums begeistern. Als dann beim Overkill Gassenhauer "In Union we stand“ der komplette Platz mitrockte, konnte das Fazit nur lauten: Heimspiel klar gewonnen.

Bei Mercenary wurde es dann ein wenig ruppiger. Leider auch im Auditorium, weil es bei einigen Kiddies zur Zeit anscheinend schwer in Mode ist, dem Rest der Leute durch unkontrolliertes Pogen den Spass an der Sache zu vermiesen. Bei Punk, Thrash oder Death Metal ist das auch völlig in Ordnung. Das aber bei Power Metal Mucke alles im Umkreis von 20 Metern zu Boden geht, gab es zu meiner Zeit nicht.


Anscheinend hat das Taschengeld von unseren Pogo Kiddies nicht für ein Wochenend Ticket gereicht, denn beim Power metallischen Opener Mystic Prophecy am Samstagmorgen sichtete man nur anständige Eisenfresser.
Die ließen ordentlich die Rübe kreisen, reckten die Fäuste und bereiteten den Jungs einen satten Empfang. Diese wussten die nette Begrüßung durchaus zu schätzen und entfachten ein regelrechtes Feuerwerk. Mehr Spielfreude geht nicht! Allerdings habe ich Mystic Prophecy noch nie anders gesehen.

Eine ähnlich starke Leistung legten Brainstorm hin, denen ich allerdings noch einen Tick mehr Abwechslung bescheinigen möchte, da sie ihren Power Metal noch mit einer ordentlichen Portion Progressivität würzen. Fast schon mit den göttlichen Stygma 4 zu vergleichen. Nicht in Worte zu fassen ist jedoch Andy B. Franck’s Gesangleistung. HAMMER! Die richtigen Worte hat dann während des Gigs ein Fan gefunden, der seiner Holden einen Heiratsantrag machte. Nicht mehr so neu, diese Art von Aktion; aber doch immer wieder schön.

Da das eingangs erwähnte familiäre Party Feeling schon mal dazu führt, das man sich im Biergarten „verquatscht“, bleibt der Rest des Samstags außen vor.

Erwähnt werden muss natürlich noch die Absage des Headliners Celtic Frost. Kurz vorm geplanten Auftritt erlitt Sänger und Bassist Tom Fischer eine Nierenkolik und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Spontan spielten Soilwork, Sodom, Brainstorm und Nevermore Kurzgigs, um die Meute zumindest etwas zu entschädigen. Lobenswerte Geste, die voll ins Bild dieses Events passt.


Den Sonntag läuteten die Mädels von Crucified Barbara ein. Der Rotz Rock der schwedischen Damen lässt sich ganz nett anhören, dennoch betrachte ich die Band mit einer gewissen Skepsis. Die plakative Rock’n’Roll Attitüde wirkt einfach nur unglaubwürdig und wenn man den Exoten Bonus abrechnet, bleibt eine allenfalls durchschnittliche Band, die mit "Killed by Death“ auch noch eine grandios schlechte Coverversion hinlegte.

Was richtiger Rock’n’Roll ist, lehrten uns danach die Dänen Volbeat, die für mich die Überraschung des Wochenendes waren. Mann, war das geil!
Das Elvis Shirt von Sänger Michael Poulsen hatte absolut seine tiefere Bedeutung. Denn der mit einer Schnapsflasche(laut seiner Aussage lediglich "Fruit“ – ja klar, Obstler) bewaffnete Shouter und Gitarrist hat nicht nur eine Vorliebe für den King, er klingt auch so. Manchmal. Verließ die Band nämlich den rotzigen Pfad und marschierte in Hardrock Gefilde, offenbarte der trinkfreudige Barde wunderbar kraftvollen Gesang, der auch moderate Höhen meistert.
Witzige Einlage war die auf Rock getrimmte Coverversion des Evergreens "I only wanna be with you“, den man wohl noch in der Plastik Fassung der wenig stimm -, dafür mopsstarken Samantha Fox kennt. Saustarke Band!

Mit Spannung wurden Beyond Fear, die neue Combo von Ex Priest Sänger Tim "Ripper“ Owens, erwartet. Dementsprechend motiviert stürmte Owens die Stage. Man merkte ihm an, dass er endlich aus dem übermächtigen Schatten von Downing und Tipton heraus will. Er tobte, rannte und schrie wie ein Besessener. Das Publikum tobte ebenfalls und mit "Burn in Hell“ gab es dann doch einen Querverweis an die Vergangenheit. Leider litt die Vorstellung unter einem recht schwachen Sound und zumindest ich kann die Euphorie über das aktuelle Album nicht ganz teilen. Gut, ja. Aber nicht überragend.

Anschließend war schon nachmittags Götterdämmerung: Evergrey kamen, rockten, progten und siegten! Das freundliche Wetter passt streng genommen ja nicht zu den Schweden, aber die versuchten gar nicht erst das Rund in eine melancholische Grundstimmung zu tauchen. Gute Laune allerorts war angesagt. Selbstredend begleitet von einer absolut energischen Performance. Die Herren um Tom Englund zockten ihre höchst anspruchsvollen Tracks mit einer Spielfreude, die schon fast beängstigend war. Das euphorisch mitgehende Publikum, das sich den Titel „geilster Background Chor aller Zeiten“ aufs T- Shirt schreiben darf, komplettierte die magische Atmosphäre und machte aus einem sehr guten einen phänomenalen Gig.
Wenn es überhaupt etwas zu meckern gibt, dann nur die Tatsache, das der Band Klassiker "The Masterplan“ fehlte und das neue fantastische Album "Monday Morning Apocalypse“ mit zwei Nummern etwas wenig bedacht wurde. Aber bei einer Stunde Spielzeit muss man halt gewisse Abstriche machen.

Zu Fates Warning gibt es eigentlich nur zu sagen, dass die hauptsächlich aus neuem Material bestehende Setlist zu Freude oder zu Unbehagen führte – je nach Sichtweise und Alter. Ansonsten darf sich kein Mensch auf der Welt ein Urteil über diese Band erlauben, da sie definitiv nicht mit irdischen Maßstäben zu messen ist.

Edguy sind mit Sicherheit gute Musiker und einige ihrer Songs haben auch echt Klasse. Allerdings nutzt sich ihr Stil gnadenlos schnell ab und die Mischung aus Extrem Posing und Klamauk, die auf der Bühne zelebriert wird, ist definitiv nur für Leute unter 25 zu ertragen.

Der absolute Höhepunkt des gesamten Wochenendes war wie erwartet Großmeister Dio.
Den entsprechenden Konzerteindruck überlasse ich selbstverständlich unserem Experten in dieser Sache, dem Herrn Bombenleger. Ich danke für die Aufmerksamkeit und sage: See you next year! (Maddin)


Zu später Stunde sah man gespannt dem Auftritt von Ronnie James Dio entgegen - dem King of Rock'n'Roll. Ok, jener Song vom Sacred Heart Album kam zwar nicht zum Zuge, dafür hatte die Setliste einige schwere Brocken in sich, die man jetzt nicht unbedingt erwartet hätte. "Children of the Sea" war zwar nichts ungewöhnliches, aber diese Midtempo Nummer gleich zu Beginn auf die Meute loszulassen, war doch etwas gewagt. Aber es hat funktioniert, Dio kann eh machen was er will - daß die Leute ihm dabei stets aus der Hand fressen, liegt klar auf der Hand. Der Mann hat eben ein Gespür dafür, was die Fans wollen und so zockt er eben mal so nebenbei das halbe Holy Diver Album an einem Stück runter. Mann, das war wie 1984 - fast nur Uralt Songs aus den 70er und 80er Jahren, wenn man von "I", eine Nummer von Dehumanizer (Black Sabbath's letztem Werk mit Ronnie James Dio) einmal absieht. Gesanglich war der Meister gut drauf wie eh und je. Unglaublich, wo er in seinem Alter, welches irgendwo zwischen 58 und 64 liegt, diese Power noch hernimmt. Besonders gut kam dies bei "All the Fools Sailed Away" zum Ausdruck und Dio's Begleitband ist sowieso ohne jeden Zweifel erhaben, auch wenn Craig Goldy wie immer einen etwas gelangweilten Eindruck vermittelt. Richtig ins Zeug dagegen warf sich Simon Wright bei seinem Schlagzeugsolo und gebärdete sich dabei teilweise wie das Animal aus der Muppets Show - sowas nenne ich Hingabe.
Natürlich umfasste Dio's Repertoire nicht nur den Solo Stuff aus der Zeit, als die Metal Welt noch in Ordnung war. "Man on the Silver Mountain", "Catch the Rainbow" und "Long Live Rock´n Roll" versetzten die Fans in eine Zeitreise in die 70er Jahre, in der Ronnie's Karriere bei Rainbow einen kometenhaften Auftrieb erlebte und nach dem Black Sabbath Klassiker "Heaven and Hell" war plötzlich Schluß. Es gab keine Zugabe. War das nicht geplant oder....keine Ahnung, also mein lieber Ronnie - zumindest "We Rock" als krönender Abschluß wäre nicht zuviel verlangt gewesen, so bleibt ein kleiner fader Beigeschmack als Erinnerung an diesen ansonst tollen Abend zurück.

Setlist:
Children of the Sea
I Speed at Night
One Night in the city
Stand Up and Shout
Holy Diver
Gypsy
Don´t talk to Strangers
Rainbow in the Dark
I
All the Fools Sailed Away
Man on the Silver Mountain
Catch the Rainbow
Long Live Rock´n Roll
Heaven and Hell

(Bombenleger)